Getrieben - Durch ewige Nacht (Veronica Rossi)

Oetinger (Mai 2013)
Einbandgestaltung von Carolin Liepins
Aus dem Amerikanischen von Franca Fritz / Heinrich Koop
Hardcover mit Schutzumschlag
368 Seiten, 17,95 EUR
ISBN: 978-3-7891-4621-3

Genre: Dystopie


Klappentext

Manchmal muss man sich trennen, um zueinander zu finden

Während Perry sich noch als neuer Stammesführer behaupten muss, hat Aria mit den Vorurteilen seines Volkes zu kämpfen, das sie nicht anerkennen will. Zunehmend sieht Aria sich Anfeindungen ausgesetzt, bis schließlich sogar ein Giftanschlag auf sie verübt wird. Um Perry zu schützen, beschließt sie daher schweren Herzens, den Stamm zu verlassen. Gemeinsam mit Perrys bestem Freund Roar begibt sie sich auf die gefährliche Suche nach der „Blauen Stille“ – jenem sagenumwobenen Ort, der Perrys Stamm Schutz vor den gewaltigen Ätzerstürmen bieten könnte. Doch als sich die Lage zuspitzt, scheint eine gemeinsame Zukunft für Aria und Perry ferner denn je …


Rezension

Perry hat es schwer als neuer Kriegsherr der Tiden. Obwohl er immer davon geträumt hat, belastet ihn die Aufgabe, denn sie verbietet es ihm, mit Aria zusammen zu sein. Als die beiden sich wiedersehen, überredet Perry sie, in seinem Dorf zu leben. Aria ahnt bereits, dass die Tiden sie nicht akzeptieren werden und verlangt von Perry, so zu tun, als wären sie lediglich Verbündete. Schweren Herzens willigt er ein. Immerhin wissen seine engsten Freunde von seiner Beziehung zu Aria und gewähren den beiden Schutz. Dennoch spitzt sich die Lage zu. Ganz gleich, wie sehr Aria sich bemüht, die meisten Stammesmitglieder verachten die Siedlerin. Sie nennen sie weiterhin „Maulwurf“, weil die Siedler in geschützten Kuppeln leben. Auch ihr extremer Sinn hilft Aria nicht, sich einzugliedern. Als sogar ein Anschlag auf sie verübt wird und die Ätzerstürme immer schlimmer werden, fasst Aria einen Entschluss: Sie muss Perrys Stamm verlassen und nach der „Blauen Stille“ suchen – jenem Ort, an dem der Himmel frei vom gefährlichen Äther sein soll …

Aria ist im zweiten Band kaum wiederzuerkennen: Aus dem schwierigen Siedlermädchen  ist eine starke Kriegerin geworden, die für ihre Freunde und ihre Zukunft kämpft. Vorbei ist die Zeit ihrer dummen Fehler – jetzt weiß Aria, was sie will und dass sie Opfer bringen muss, um für alle das Beste herauszuholen. Dadurch wirkt sie gleich viel sympathischer. Inzwischen hat sich auch ihr Hörsinn so weit ausgebildet, dass sie als Horcherin gilt: Arias Ohren bleibt nichts verborgen und sie hat gelernt, dieses Talent für ihre Zwecke optimal zu nutzen. Auch Roar, Perrys bester Freund, ist ein Horcher und wäre damit eigentlich der perfekte Partner für Aria. Doch sie liebt Perry und Roar liebt Liv, Perrys Schwester. Ihr extremes Gehör und ihre Liebe zu Witterern (Menschen mit extremem Geruchssinn) verbindet Aria mit Roar, sodass sich eine ganz besondere Freundschaft entfaltet. Auch Perry hat gute Freunde an seiner Seite, die ihm als Kriegsherr die Treue geschworen haben, aber längst viel mehr als seine Krieger sind. Als Stammesführer gelingt es Perry allmählich, seine überbrodelnden Emotionen zu kontrollieren und unbeliebte Entscheidungen zum Wohl der Tiden zu treffen. Man könnte sagen, Aria und Perry sind erwachsen geworden – und endlich auch glaubwürdige Protagonisten.

Von den geschützten Biosphären sieht man dieses Mal relativ wenig, denn die Geschichte spielt hauptsächlich im Stammesgebiet der Tiden, das zunehmend von verheerenden Ätherstürmen heimgesucht wird. Andere Stämme haben bereits ihre Dörfer verloren und ziehen nun durch das Ödland – eine ständige Gefahr für die Tiden, denn die verzweifelten Menschen könnten sie angreifen, um an ihre Vorräte zu gelangen. Um diese ist es allerdings schlecht bestellt. Perrys Stamm blickt harten Zeiten entgegen und es sieht so aus, als hätten die Tiden keine Zukunft mehr in ihrem Dorf. Sie müssen zu neuen Ufern aufbrechen. Angeblich weiß der Kriegsherr der Hörner, wo sich die ominöse „Blaue Stille“ befindet, doch er verrät es niemandem. Aria und Roar begeben sich dennoch auf die Reise, in der Hoffnung, doch etwas über die „Blaue Stille“ herauszufinden und zudem Liv zu retten, die an die Hörner verkauft wurde. Aria wird zudem von dem Siedler Hess erpresst, der Perrys Neffen Talon entführt hat. Denn auch die Biosphären können den immer stärkeren Ätherstürmen nicht mehr standhalten.

Während der erste Band hauptsächlich dazu diente, sowohl die Welt als auch die beiden Protagonisten vorzustellen, kommt nun Bewegung in die eigentliche Geschichte, die sich bislang nur leise angedeutet hat. Der Welt steht eine große Veränderung bevor, die sowohl Außenseiter als auch Siedler dazu zwingt, ihre Heimat aufzugeben. Veronica Rossi beginnt nun, das Potential, das in „Gebannt“ nur zu erahnen war, auszuschöpfen. Der unheimliche, blau leuchtende Äther wird zu einer allgegenwärtigen Bedrohung, die die Tage verdunkelt und die Nächte mit ihrem gespenstischen Licht erhellt. Die Welt, die im Vorgänger noch klischeehaft wirkte, wird facettenreicher und greifbarer. Der Idee um die Biosphären und das zerstörte Land außenhalb wird dadurch nicht neuer, aber mit vielen Details aufgewertet, die eine dichte Atmosphäre erzeugen. Durch die Suche nach der „Blauen Stille“ lernt man zudem neue Gebiete kennen, die ein wenig an mittelalterliche Fantasy erinnern. Während Perrys Volk aus Jägern und Bauern besteht, findet sich dort eine richtige Festung, umgeben von einer Stadt, die tausende Menschen beherbergt.

Das größte Spannungsmoment des Romans ist der Äther: Man weiß nie, wann die energiereichen, blauen Ströme niedergehen und zerstörerische Trichter ausbilden. Solche Stürme wüten normalerweise nur im Winter, doch nun wird das Land selbst im Frühjahr noch vom Äther verbrannt. Etwas verändert sich in dieser Welt, die zu einer fragilen Stabilität gefunden hatte und nun in ihren Grundfesten erschüttert wird. Es bleibt die große Frage, ob es diese „Blaue Stille“ überhaupt gibt und vor allem wie Perry und seine Leute dorthin gelangen wollen. Im Handlungsverlauf wartet die Autorin mit gelungenen Überraschungen auf, sodass die Patzer des Auftaktbands bald verziehen sind. „Getrieben“ endet sprichwörtlich mit einem Knall und verspricht einen spannenden Abschlussband.


Fazit

„Getrieben“ nutzt endlich das bislang verschenkte Potential: Aria und Perry sind erwachsen geworden und haben sich zu vielschichtigen Charakteren entwickelt.  Der Ätherhimmel bestimmt ihr Leben, das von Entbehrungen und verzweifelter Hoffnung geprägt ist. Ihre Welt droht im Chaos zu versinken und die Protagonisten setzen alles daran, eine neue Heimat zu finden. Ein gelungener und atmosphärischer Zwischenband, der auf ein hochspannendes Finale hoffen lässt!


Pro & Contra

+ Aria ist nun eine selbstbewusste Kriegerin
+ Perry reift an seinen Aufgaben als Kriegsherr
+ atmosphärisch und spannend
+ die extremen Sinne der Horcher, Witterer und Seher
+ Überraschungen im Storyverlauf
+ wunderschöne Aufmachung

o einfache, schmucklose Sprache

- einige Klischees

Wertung:

Handlung: 3,5/5
Charaktere: 4/5
Lesespaß: 4,5/5
Preis/Leistung: 4/5

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Tags: Jugenddystopie, Veronica Rossi