Michael Peinkofer (08.10.2013)

Interview mit Michael Peinkofer

Literatopia: Hallo Michael! Schön, wieder einmal mit Dir zu plaudern. Im Oktober erscheint mit „Orknacht“ der Auftakt Deiner neuen Reihe „Die Könige“. Was erwartet die Leser?

Michael Peinkofer: Eine neue epische Fantasy-Saga, in der manche altbekannte Figuren wieder auftauchen, aber auch viel Neues und Unvorhergesehenes geschieht.  Erdwelt ist von dem grausamen Zwergenkönig Winmar unterworfen worden,  und es formiert sich langsam Widerstand. Allerdings ist Winmar nicht Erdwelts größtes Problem …

Literatopia: Mit "Orknacht" führst du Deine Leser in ein neues Zeitalter Erdwelts. Statt Orks oder Menschen nimmt das Volk der Zwerge nun einen Schwerpunkt ein. Vor allem, wenn man die neuen technischen Errungenschaften betrachtet, die diese mitbringen. Wie kam es dazu, dass Du Dich gerade diesem Volk zugewandt hast?

Michael Peinkofer: Die Zwerge waren – nach Orks, Menschen und Elfen – das einzige große Volk Erdwelts, das ich noch nicht näher beleuchtet hatte, von daher lag der Gedanke nahe. Und da wir uns ja in einer neuen Zeit befinden, in der es, wie Du schon richtig sagst, viele neue technische Errungenschaften gibt, sind die Zwerge auch das richtige Völkchen, denn sie sind, zumindest nach meinem Verständnis, Technik-affiner als etwa Orks oder Elfen. Für einen Ork war ja die Doppelaxt bereits die ultimative Erfindung  - einmal ausholen und dabei zwei Gegner erschlagen.  Ein Volk, das sich durch Bergestiefen gräbt, ist da schon eher auf neue Erfindungen angewiesen …

Literatopia: Was für Erfindungen wären das beispielsweise?

Michael Peinkofer: Nun ja, in unserer realen  Welt hat die Erfindung der Dampfkraft den Bergbau revolutioniert – es ist also kein Zufall, dass die Zwerge hier ihr größtes Interesse haben. Auch ihre Kaldronen – große, kugelförmige Kampfmaschinen – basieren ja auf einer, wenn auch magisch beeinflussten, Dampftechnik.

Literatopia: Es scheint, als wären die Zwerge die einzigen, die sich technisch weiter entwickelt haben in den letzten Jahrhunderten - ein Fehler im Konzept oder Absicht? Woher kommt ihr technischer Vorsprung?

Michael Peinkofer: Weiterentwickelt haben sich alle Völker Erdwelts , aber eben nicht nur auf technischem Gebiet. Die Orks beispielsweise sind nicht mehr in den alten Stammeszugehörigkeiten verhaftet, sondern verdingen sich als Söldner, die Menschen haben die Dörfer verlassen und sind in die Städte gezogen, wo es Arbeit und Brot gibt – die einstige Königsstadt Tirgaslan ist dadurch ja auch zu einem riesigen Moloch geworden. 

Ich würde den Sprung, den die Menschen in ihrer technischen Entwicklung gemacht haben, ungefähr mit den fünfhundert Jahren  zwischen 800 und 1300 unserer Zeitrechnung vergleichen. Da wurde auf den Schlachtfeldern immer noch mit dem Schwert gekämpft, aber es hatte ungeheure gesellschaftliche und politische Umbrüche gegeben. Dass die Zwerge ihrer Zeit technisch weit voraus sind – sie sind ja wie gesagt bereits dabei, die Dampfkraft zu nutzen -, hat andere Gründe, die im Verlauf der neuen Sage noch geklärt werden. Es hat mit den Alchemisten zu tun.

Literatopia: Obwohl etwa 500 Jahre vergangen sind, tauchen unsere beiden Orkbrüder wieder auf. Was fasziniert Dich an Rammar und Balbock? Und wie alt werden Orks in Deiner Welt eigentlich?

Michael Peinkofer: Dazu muss man wissen, dass Rammar und Balbok aufgrund magischer Begebenheiten, die in "Das Gesetz der Orks" näher erläutert wurden, einen Zeitsprung von knapp 500 Jahren hinter sich haben – sie sind also nicht so alt geworden, sondern eher in dieser neuen Zeit gestrandet. "Die Herrschaft der Orks" handelte ja auch nicht zuletzt von ihren diversen Anpassungsproblemen. Balbok und Rammar sind echtes Erdwelt-Urgestein. Mit Ausnahme der „Zauberer“ waren sie bisher in allen Erdwelt-Romanen vertreten, und es macht einfach Spaß, über sie zu schreiben und sie in immer neue schwierige Situationen zu bringen. Und ich denke auch, dass es noch ein paar Aspekte ihrer Persönlichkeit gibt, die wir noch nicht ausgelotet haben.

Literatopia: Bereits in der Ork-Saga gab es einige starke Charaktere. Nun etablierst Du neben Aryanwen, den Zwergen und den Orkbrüdern eine blinde Hauptfigur. Gab es dafür einen speziellen Anlass oder reizt Dich einfach das Neuland? Inwiefern musstest Du für diesen Charakter Recherche betreiben?

Michael Peinkofer: Dag ist eine sehr gebrochene Figur – jemand, der das richtige tun will, aber auch weiß, dass er in der Vergangenheit Fehler begangen hat. Es war eine  echte Herausforderung, Szenen aus der Perspektive einer Figur zu beschreiben, die nicht sehen kann – man muss auf andere Sinneseindrücke ausweichen und auf diese Weise versuchen, dem Leser ein Bild zu vermitteln. Ich wollte, dass der Leser an Dags Gedankenwelt unmittelbar teilhat.

Was die Recherche betrifft, so ist hier vor allem Empathie vonnöten – der Versuch, sich in einen Menschen hineinzuversetzen, der nicht sehen kann und auf andere Sinne verwiesen ist. Auch Dags Verzweiflung und das Gefühl von Minderwertigkeit, das ihn bisweilen überkommt, habe ich zu thematisieren versucht.

Literatopia: Insgesamt liest sich der Auftakt der neuen Serie sehr viel düsterer als seine Vorgänger. Das Ende ist zudem sehr offen. Worauf dürfen sich Deine Leser in der Fortsetzung freuen?

Michael Peinkofer: Der Kampf gegen Winmar hat nach der Seeschlacht im Ostsee gerade erst begonnen. Es werden sich neue Gegner formieren und Dag wird sich seiner Bestimmung stellen. Zwei gewissen Orks kommt eine ungeheure Verantwortung zu, und ein mysteriöser  Geheimbund greift in das Geschehen ein.

Literatopia: Nun, da Du die beiden Orkbrüder aus ihrem Inselexil gerettet hast – kannst Du schon etwas über die Fortsetzung zu „Splitterwelten“ sagen? Und wann können die Leser mit dem zweiten Band rechnen?

Michael Peinkofer: Die Vorbereitungen sind abgeschlossen, die Handlung steht. Wir sind gerade dabei, über die Erscheinungsform nachzudenken, weil wir hier evtl. Etwas ganz Neues wagen wollen. Aber dazu kann ich erst mehr verraten, wenn es spruchreif ist.

Literatopia: Du gehörst zu den etablierten Autoren der deutschen Phantastik. Wie empfindest Du die Entwicklungen der vergangenen Jahre? Was bekommst Du von Deinen Kollegen mit?

Michael Peinkofer: Glücklicherweise pflegen wir in der phantastischen Szene ein sehr freundschaftliches Miteinander, da wir ja alle irgendwie aus dem Fandom kommen und einfach nur glücklich darüber sind, mit dem, was wir lieben, unsere Brötchen verdienen zu dürfen. Der gewaltige Boom, den die Fantasy nach „Harry Potter“ und den „Herr der Ringe“-Filmen erlebt hat, ist inzwischen zwar etwas abgeebbt, aber ich denke, dass sich das Genre dennoch ein festes Publikum erobert hat und nicht fürchten muss, wieder  zum Nischendasein zurückzukehren. Trotzdem wäre ein neuerlicher Boom eine feine Sache, denn dann hätten auch wieder mehr Nachwuchsautoren eine Chance.

Literatopia: Das eBook ist weiterhin auf dem Vormarsch und einige schreien schon, dass das gedruckte Buch so gut wie tot ist. Wie siehst Du das? Werden eBooks Printbücher irgendwann tatsächlich ganz verdrängen?

Michael Peinkofer: Schwer zu sagen. Ich glaube nicht, dass eBooks und Printbücher beliebig austauschbar sind. Während  sich kürzere Texte ganz wunderbar in elektronischer Darstellung lesen lassen, habe ich bei längeren Romanen meine Probleme damit. Ich lese irgendwie ungeduldiger, als wenn ich ein Buch in den Händen habe, und ich habe schon von vielen gehört, dass es ihnen genauso geht.

herrschaft der orksDie Marketingabteilungen der Verlage vertreten zwar oft die Auffassung, dass es bloß um Inhalte geht und es letztlich egal ist, in welchem Medium sie angeboten werden, aber diese Ansicht teile ich nicht. Ich denke, dass es Inhalte gibt, die sich ganz hervorragend fürs eBook eignen (Sachbücher, Krimis) und andere, die einfach nach bedruckten Seiten schreien (historische Romane, Fantasy). Von daher könnte ich mir auch vorstellen, dass es noch eine ganze Weile lang beides geben wird – man trinkt ja auch nicht Rotwein aus der Espresso-Tasse.

Literatopia: Es gibt immer wieder Aktionen, in denen im Vorfeld einer Veröffentlichung Kurzgeschichten und Novellen zum Buch als eBook angeboten werden, oftmals in den ersten Wochen auch gratis. Was denkst du: gute Werbung? Oder würde sich eine solche Bonusstory im Buch selbst besser machen?

Michael Peinkofer: Begleitaktionen finde ich grundsätzlich prima, aber ich gebe dann lieber mal einen Blick hinter die Kulissen des Schreibens oder berichte von den Schauplätzen, den Sprachen o.ä. Ich möchte nicht herkömmlichen Buchlesern das Gefühl geben, gegenüber den eBook-Kunden etwas zu verpassen.

Literatopia: Herzlichen Dank für das Interview, Michael!

Michael Peinkofer: Sehr gerne.


Quelle Autorenfoto: Lübbe.de

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Dieses Interview wurde von Nicole Troelenberg und Judith Gor für Literatopia.de geführt. Alle Rechte vorbehalten.