Interview mit einem Vampir - Claudias Story (Ashley Marie Witter)

claudias story

Carlsen (Oktober 2013)
Hardcover mit Schutzumschlag
224 Seiten, 19,90 EUR
ISBN: 978-3-551-78249-6

Genre: Dark Fantasy / Horror


Klappentext

Sie ist der Vampir, den es niemals hätte geben dürfen, eine Missgeburt unter den ungeheuerlichen Geschöpfen der Nacht. Vom Hunger eines Raubtiers geplagt, doch im Körper eines Kindes gefangen, bewegt sie sich im Schatten einer Welt, die ihr für immer verschlossen bleiben wird. Waise, Tochter, Opfer, Monster …

Dies ist Claudias Story.


Rezension

Als Claudia als Vampirin erwacht, hat sie zwei Väter und einen bestialischen Hunger, den nur Blut stillen kann. Ihr dunkler Vater Lestat lässt sie von sich trinken und serviert ihr anschließend einen Menschen. In den kommenden Jahren bringt er ihr das Jagen bei und erwartet absoluten Gehorsam, während ihr anderer Vater, Louis, mehr die Rolle einer Mutter erfüllt. Er liest Claudia vor, geht mir ins Theater und schläft mit ihr zusammen in einem Sarg. Claudia lernt schnell und wird zu einer gleichermaßen gebildeten wie gefährlichen Vampirin, die im Körper eines Kindes gefangen ist. Irgendwann beginnt sie, sich gegen Lestats Bevormundungen aufzulehnen. Sie möchte in Europa nach anderen Vampiren suchen, nicht ahnend, dass sie von diesen als Missgeburt gesehen wird …

Ashley Marie Witter erzählt in ihrer Graphic Novel die Geschichte der kindlichen Vampirin Claudia aus Anne Rices "Interview mit einem Vampir". Die Ereignisse sind Fans also in groben Zügen bekannt, doch die Zeichnerin zeigt einen völlig neuen Blickwinkel, der Buch und Film wunderbar ergänzt. Das Kind Claudia versteht zunächst nicht, dass es in einen Vampir verwandelt wurde, und akzeptiert seine Väter nach anfänglicher Scheu vollkommen. Es ist für sie ganz natürlich, auf die Jagd zu gehen und ganze Familien in ihrem Blutrausch auszulöschen. Lestat und Louis verwöhnen sie mit Geschenken und überschütten sie mit Aufmerksamkeit, jeder auf seine Weise. Glückliche Jahre vergehen und Claudia wird in ihrem kindlichen Körper erwachsen. Das ewige Leben langweilt sie immer mehr. Lestat beantwortet ihr keine einzige Frage nach der Herkunft der Vampire und Claudia, im Geist eine erwachsene Frau, beginnt ihren kindlichen Körper zu hassen.

Lestat und Louis wurden ebenso wie Claudia insgesamt gut getroffen. Lestat ist ein herrlich arroganter Vampir, der Spaß am Töten hat und das Raubtier in Claudia sehr liebt. Mit dem Kind hat er außerdem seinen Gefährten Louis an sich gebunden. Letzterer hadert mit seiner dunklen Natur, tötet nur, wenn der Durst ihn fast wahnsinnig macht und weicht oftmals auf Tierblut aus. Er wirkt in der Graphic Novel etwas schwächer als in Anne Rice's Romanvorlage, doch er wird hier auch aus Claudias Blickwinkel gezeigt, die ihren geliebten Louis als schwach empfindet. Insofern ist Ashley Marie Witter in ihrer Darstellung konsequent.

Der Dialoganteil schwankt von Seite zu Seite stark, liest sich im Mittel jedoch sehr angenehm. Teilweise ist der Text fast identisch mit der Verfilmung, wobei in der Graphic Novel der Fokus auf Claudias Wahrnehmung liegt und somit stellenweise ausführlicher ist. Vor allem auf die Reise durch Europa, bevor Louis und Claudia nach Paris kommen, wird verstärkt eingegangen. Die Handlung wird von Claudias Gedankengängen ergänzt, die ihre Väter anfangs noch idealisiert, sie jedoch bald immer kühler und ablehnender betrachtet. Nach den ersten glücklichen Jahren spürt man deutlich, dass in diesem Kind eine gereifte Frau steckt, die unter ihrem unreifen Körper leidet. Ebenso kommt Claudias dunkle Seite zur Geltung, die Vampirin mit einem schier unersättlichen Durst und Freude am Töten. Sie ist, wie im Klappentext erwähnt, Waise und Tochter, Opfer und Monster, Kind und Frau.

Farben fehlen in diesem Comic nahezu vollkommen – mit Ausnahme von intensiv rot koloriertem Blut oder orange auflodernden Flammen. Die Zeichnungen bestehen aus verschiedenen Sepia-Tönen und erinnern an alte Fotografien, was wunderbar zur düsteren und morbiden Atmosphäre des 18. und 19. Jahrhunderts passt. „Claudias Story“ wirkt dabei wie eine Mischung aus Manga und Comic, wobei Ashley Marie Witter Stil das historische Setting sehr gut trifft. Die Kleidung der Charaktere wartet mit vielen Details auf, verändert sich allerdings für den langen Zeitraum, in dem die Geschichte spielt, zu wenig. Ab und an wirken auch die Gesichtsausdrücke etwas schief, insgesamt sind sie jedoch gut gelungen. Lestat erinnert dabei stark an Tom Cruise, Louis und Claudia sehen jedoch etwas anders als im Film. Nebencharaktere, wie beispielsweise der Vampir Armand, besitzen dagegen ein ganz anderes Aussehen.

Auch die Aufmachung der Graphic Novel kann sich sehen lassen: Der Schutzumschlag des schönen Hardcovers fühlt sich herrlich samtig an und macht einen äußerst edlen Eindruck. Das Buch selbst ist rot und mit golden glänzenden Lettern bedruckt, das Papier ist schön dick und die Druckqualität ausgesprochen gut. Da kann man die beinahe zwanzig Euro verschmerzen.


Fazit

"Interview mit einem Vampir - Claudias Story" ist eine hochatmosphärische Graphic Novel, die Anne Rices Werk einen neuen Blickwinkel hinzufügt. Claudias Wandlung vom verwöhnten und wissbegierigen Vampirkind zur wütenden und Fragen stellenden Erwachsenen im Mädchenkörper wird einfühlsam und glaubhaft geschildert und von traumhaften Zeichnungen begleitet. Abgerundet wird der düstere Comicroman von einer edlen Aufmachung, was „Claudias Story“ zu einem blutigen Juwel macht. 


Pro & Contra

+ neuer Blickwinkel auf "Interview mit einem Vampir"
+ glaubhafte Wandlung Claudias
+ der ambivalente Charakter der Kindvampirin
+ Reise durch Europa ausführlicher als im Film
+ Vampire als wunderschöne und intelligente Bestien
+ traumhafte Zeichnungen
+ hochwertige und schöne Aufmachung

- Mimik manchmal etwas schief

Wertung:

Handlung: 4/5
Charaktere: 4,5/5
Zeichnungen: 4,5/5
Lesespaß: 5/5
Preis/Leistung: 4/5