Susanne Mittag (14.11.2013)

Interview mit Susanne Mittag

Literatopia: Hallo, Susanne! Kürzlich ist Dein Kinderbuch  „Die Geisterverschwörung: Mara deckt auf“ erschienen – was erwartet interessierte Leser? Und eignet sich die Geschichte auch für Erwachsene?

Susanne MittagSusanne Mittag: Die Hauptfigur Mara ist 13 Jahre alt und hat sich früher immer gewünscht, mal einen echten Geist sehen zu können. Vor zwei Jahren hat sich ihr Wunsch plötzlich erfüllt, und inzwischen möchte Mara die nervigen Geister nur noch loswerden. Sie begleiten sie in ihrem Alltag, in der Schule, in jedem Moment ihres Lebens – und geben zu allem ihre Kommentare ab.

Als eine Geisterjägerin in der Stadt auftaucht, hofft Mara, dass diese ihr helfen kann. Stattdessen wird sie aber in eine noch viel größere Sache hineingezogen: Sie folgt Hinweisen in einem Spukhaus und kommt dabei dem Geheimnis des alten Geisterjägers Prometheus Schröder auf die Spur. Wenn Mara dieses Geheimnis nicht entschlüsseln kann, droht der Welt große Gefahr …

Ich habe das Buch für Kinder ab 10 Jahren geschrieben, aber ich glaube eigentlich nicht, dass es ein reines Kinderbuch ist. (Was vielleicht auch daran liegt, dass ich sehr gerne Kinderbücher lese!) Es gibt verschiedene Ebenen in diesem Buch, und so auch eine, die sicher interessant und ganz lustig für ältere Leser sein könnte (vor allem die Sichtweise des sehr eigenwilligen Prometheus Schröder). Ich hoffe doch, dass für jeden etwas dabei ist.

Literatopia: In „Die Geisterverschwörung“ führst Du Deine Leser in eine Welt voller recht aktiver Geister und Geisterjäger, die einmal anders dargestellt sind als der typische Ghostbuster aus den Filmen. Die Dialoge sind recht witzig und die Geschichte erinnert mehr an einen Krimi oder eine Abenteuergeschichte. Wie kamst Du zu der Idee, ein Kinderbuch mit Geistern zu schreiben?

Susanne Mittag: Ich liebe Geistergeschichten – in Büchern, in Filmen und im Leben – seit meiner Kindheit. Als Jugendliche hat mir ein Bekannter etwas Gruseliges erzählt. Auf dem Bauernhof seiner Eltern hing ein großes Gemälde von diesem Hof, gemalt von einem Maler aus der Gegend. Eines Nachts gab es einen lauten Schlag – das Bild war aus seiner Halterung auf den Boden geknallt. Am nächsten Morgen erfuhr die Familie, dass der Maler in dieser Nacht gestorben ist.

Oh Mann, ich liebe solche Geschichten! Weil sie seit Jahrtausenden Teil des Lebens sind und weil wir uns doch immer wieder die große Frage stellen, was mit uns nach dem Tod geschieht. Gibt es eine Verbindung zwischen dem Hier und dem Jenseits? Natürlich glaube ich nicht wirklich an Geister … zumindest würde ich das niemals zugeben, nicht mal vor mir selbst ;-)

Literatopia: Hast Du selbst als Kind Geistergeschichten gelesen? Wenn ja, welche?

Susanne Mittag: Oha, jetzt habe ich mal ganz, ganz tief in mein Bücherregal gegriffen. Eins der ersten Bücher, bei dem ich mich richtig gegruselt habe, war eines aus der Reihe „Kiki und ihr Ponyclub“. Da gab es eine Geschichte mit einem nächtlichen Geist im Pferdestall. (Ja, ich gestehe: Mit elf Jahren war ich absoluter Pferdefan.) Etwas später habe ich Geschichten von Joan Aiken gelesen, di e auch etwas Gruseliges hatten. Und an viele, viele Bücher dazwischen erinnere ich mich wohl nicht mehr deutlich, aber ich habe vor allem gern Abenteuergeschichten gelesen. Also nicht unbedingt die typischen Mädchenbücher, sondern es musste richtig viel passieren und ich habe mich immer gern überraschen lassen – übrigens bis heute. Deshalb liebe ich bis heute diese Mischung aus Abenteuer und Krimi.

Literatopia:  Mara, als Person, die an das Übersinnliches glaubt und aufgeschlossen der Welt gegenübersteht, Lucas als ihr rationaler Gegenpol, die schüchterne Emilia und der kluge Adrian, der manchmal ins Belehrende/ Besserwisserische abgleitet. Welcher Charakter hat es Dir besonders angetan? Und zu welchem fiel Dir der Zugang vielleicht eher schwer?

Susanne Mittag: Ich liebe den alten Geisterjäger Prometheus Schröder. Er war ein echtes Geschenk, denn er sprang förmlich aus dem Buch heraus und agierte eigenständig, als müsste ich ihn gar nicht erfinden. (Ein kleines Geheimnis: Wenn ich ihn sprechen hören wollte, musste ich mir nur ein Bild des Schauspielers Sam Elliott angucken, das zu der Zeit an meinem Pinboard neben dem Computer hing. Mit seinem wallenden, weißen Haar war er sofort mein Prometheus!)

Am schwierigsten finde ich die Hauptfigur, immer, in jedem Buch. Was auch irgendwie logisch ist, sie ist vielschichtiger, zeigt hier und da ihre Schwächen und entwickelt sich während der Geschichte am stärksten. Eine Hauptfigur schüttelt sicher kein Autor aus dem Ärmel, sondern sie nimmt langsam Gestalt an, verändert sich. Zum Glück ist mir Mara aber sehr schnell ans Herz gewachsen, weil sie frech und ängstlich zugleich sein durfte. Und damit war sie ein Teil von mir: Innerlich große Klappe, aber äußerlich eher zurückhaltend. Was vielleicht ja auch auf viele meiner Leser zutrifft …

Literatopia:  Die Geschichte hat in gewisser Weise zwei Titel: „Die Geisterverschwörung“ und „Mara deckt auf“. Dürfen wir daraus schließen, dass es eine Fortsetzung mit dem ungewöhnlichen Quartett geben wird?

Susanne Mittag: Hmmm … eine gute Frage. Von Verlagsseite her ist derzeit keine Fortsetzung geplant, aber falls doch, hätte ich schon ein paar Ideen, wie es mit Mara und ihren schrägen Freunden weitergehen könnte. Nicht umsonst habe ich mir am Ende ein Hintertürchen offen gelassen ;-)

Literatopia:  In unserem Forum haben wir viele Schreibanfänger und langjährige Autoren, und obwohl die Vielfalt an Geschichten groß ist, finden sich selten Kinder-/Jugendbuchideen darunter. Was ist Deiner Meinung nach das Besondere an diesem Genre beziehungsweise kannst Du Nachwuchsautoren Tipps geben, wie man sich an ein Buch für Jüngere heranwagen sollte?

Susanne Mittag: Zunächst mal darf man Kinder- und Jugendbücher nicht unterschätzen. Auf den ersten Blick scheinen sie „einfacher“: Sie sind oft nicht so dick und sind auf den ersten Blick nicht so kompliziert. Aber es ist eine echte Herausforderung, für ein Publikum zu schreiben, das sehr ehrlich mit seiner Meinung ist. Der Vorteil von Kinder- und Jugendbüchern ist aber ganz klar, dass man sich als Autor austoben darf – und muss. Die Möglichkeiten an Themen sind unbegrenzt, es darf bunt und spannend und lustig zugehen, und es gibt nicht so enge Genrevorgaben wie im Erwachsenenbuch. Wichtig ist vielleicht, dass man eine gewisse Nähe zu dieser Zielgruppe hat, durch Kinder in der eigenen Familie oder im Umfeld, durch viele Lesungen oder einen Beruf, der mit Kindern zu tun hat.

Denn Kinder reden und denken anders, als es in unserer Kindheit war (jetzt spreche ich mal von meiner Generation, die Mütter-Generation der heutigen Kinder). Ganz konkrete Tipps gibt es übrigens in einem wunderbaren, gerade erschienenen Buch: „Handbuch für Kinder- und Jugendbuch-Autoren“ von Sylvia Englert. Das ist - wie ich finde – das erste umfassende und wirklich gute Buch zu diesem Thema, und dort kann man eigentlich alles Wichtige erfahren.

Literatopia: Beeinflussen Geschichten, die Du in Deiner Kindheit und Jugend gelesen hast, Deine Bücher? Oder bringst Du eher Ideen ein, die Du damals vermisst hast?

Susanne Mittag: Beides vermutlich. Und noch vieles mehr. Alle gelesenen Bücher, alle gesehenen Filme und vor allem alle Dinge, die ich selbst erlebt habe, beeinflussen mich als Autorin – bewusst und unbewusst. Manchmal bemerke ich es erst, wenn ich das Kapitel nach ein paar Tagen nochmal lese. („Hey, hast du das nicht mit neun Jahren selbst so ähnlich erlebt?“) Geschichten findet ein Autor ja tief in sich drin – an einem Ort, der so eine Art Dachboden unseres Lebens ist, voller geheimnisvoller Kisten und Schachteln, und an manche Dinge erinnert man sich eben erst, wenn man sie aus einer jener Schachteln heraus und in die Hand nimmt.

Literatopia: Unsere Leser kennen Dich auch als Susanne Rauchhaus. Warum verwendest Du eigentlich ein Pseudonym für Dein jüngeres Publikum? Damit die Leser gleich sehen, für welche Altersgruppe welcher Roman ist?

Susanne Mittag: Genau! Ein Fehlgriff bei dem Alter 10 und 14 könnte für den Leser sehr enttäuschend sein. (Zehnjährige wollen eher Abenteuer, Vierzehnjährige auch eine Liebesgeschichte.) Das wollten der Verlag und ich vermeiden.

Literatopia: Das eBook ist weiterhin auf dem Vormarsch, vor allem im Selfpublisher-Bereich. Was hältst Du von elektronischen Büchern? Und wie sieht es eigentlich bei Kinder- und Jugenbüchern aus? Sind eBooks für junge Leser interessant?

Susanne Mittag: „Die Geisterverschwörung“ und „Melina und die vergessene Magie“ sind beide auch als eBook erschienen. Allerdings werden Kinderbücher größtenteils über den Buchhandel vertrieben. Ich vermute mal, dass die ganz jungen Leser noch keine e-Reader haben, obwohl sie sonst ja sehr technikbegeistert sind. Das eBook funktioniert eher ab 14 Jahren aufwärts.

Ich selbst lese beides: Die klassischen Printbücher und eBooks. Vor allem auf Reisen habe ich gern den eReader dabei (und gleich mehrere Bücher zur Auswahl, bei ein paar Gramm Gewicht), aber ein echtes Buch in den Händen zu halten ist einfach etwas Schönes. Ich möchte mich gar nicht entscheiden müssen. Und ich werde wohl noch länger beides lesen.

Literatopia: In unserem letzten Interview meintest Du, Du wirst unerträglich, wenn Du länger nichts zu lesen hast. Was stillt derzeit Deinen Lesehunger? Hast Du Empfehlungen für uns?

melina und die vergessene magieSusanne Mittag: Aber immer! Nach wie vor „futtere“ ich im Schnitt ein Buch pro Woche und kann auch gar nicht anders. Hier meine Highlights der letzten Wochen:

Ab 10 Jahren: „Laqua“ von Nina Blazon (spielt in einem düsteren, und doch schillernden Venedig, zeichnet sich durch eine wunderschöne Sprache aus und ist spannend bis zur letzten Seite!)

Ab 12 Jahren: „Lockwood & Co“ von Jonathan Stroud (gruselig-originelle Geistergeschichte)

Auch ab 12: „Morgen wirst du sterben“ von Gina Mayer (Thriller, absolut mitreißend)

Auch ab 12: „Das Leuchten“ von Kat Falls (völlig zu Unrecht nicht mehr lieferbar, nur noch als e-Book, eine fantasievolle Geschichte, die im Meer spielt, ein Abenteuer und Krimi und eine Zukunftsvision)

Ab 14 Jahren: „Die Verschworenen“ (der zweite Teil von „Die Verratenen“) von Ursula Poznanski. Längst kein Geheimtipp mehr, aber sehr spannend; bildhaft und toll durchdacht, wie ich finde.

Literatopia: Wo bringst Du Dein Lesefutter unter? Bist Du von wandhohen Bücherregalen umgeben? Und müssen gelesene Bücher wieder ausziehen, um Platz zu schaffen?

Susanne Mittag: Tja, die Bücherregale sind zwar schon wandhoch, aber das Zimmer wird einfach zu klein. Ja, leider müssen die Bücher irgendwann wieder ausziehen. Von den Highlights mag ich mich natürlich nicht trennen – aber auch für die wird’s langsam eng! (Idee: Nachbarhaus kaufen? Stockwerk oben drauf setzen?)

Literatopia: Was erwartet uns in naher Zukunft von Dir? Wirst es als Suanne Rauchhaus oder Susanne Mittag weitergehen?

Susanne Mittag: Das Buch, an dem ich derzeit schreibe, wird wieder von Susanne Mittag sein, also für die Zielgruppe ab 10 Jahren. Aber mir geistern auch zwei, drei Ideen für Susanne Rauchhaus durch den Kopf, die ich vermutlich danach in Angriff nehme, z.B. eine Fantasygeschichte im Stil der „Messertänzerin“. Andererseits hätte ich auch noch ein paar Ideen für Leser ab 6 oder jünger. Also, Stoffe gibt es für beide genug, nur die Zeit ist irgendwie immer zu knapp.

Literatopia: Herzlichen Dank für das Interview, Susanne! 

Susanne Mittag: Vielen Dank an Euch! Es hat mir sehr viel Spaß gemacht!


Autorenfoto: Copyright by Susanne Mittag

Autorenhomepage: www.susannemittag.de

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 Dieses Interview wurde von Nicole Troelenberg und Judith Gor für Literatopia.de geführt. Alle Rechte vorbehalten.