Schwarzkopf & Schwarzkopf (Januar 2014)
Taschenbuch, 224 Seiten, 9,95 EUR
ISBN: 978-3862653041
Genre: humorvolles Sachbuch
Klappentext
Was ist das überhaupt, ein Nerd, und worin unterscheidet er sich vom Geek? Wozu sind Hexadezimalzahlen und Binärcodes gut, wie klingt Nerdcore und wieso verehren Geeks und Nerds Yoda, Mr Spock und die Zahl π? Weshalb tragen Nerds Hornbrille und Rollkragenpullover, während Geeks auf T-Shirts mit unverständlichen Aufdrucken stehen? Und was zum Teufel hat Zoidberg aus FUTURAMA mit diesem Cthulhu zu tun?
Stefanie Mühlsteph hat während ihres Studiums der Elektro- und Informationstechnik die Bekanntschaft zahlreicher Exemplare der Nerd- und Geek-Spezies gemacht. Die Autorin kennt sich also bestens aus in der Welt der Streber.
Mit dem NERDIKON will sie zu einem besseren Verständnis für jene etwas sonderbare, aber durchaus liebenswerte Form Mensch, die wir gemeinhin Nerd nennen, beitragen. So werden hier nicht nur die wichtigsten Fachbegriffe erklärt, sondern auch Hintergrundinformationen und witzige Anekdoten geliefert. Höchst amüsant und erhellend - ein Muss für alle Normalbegabten!
Rezension
Spätestens seit Hornbrillen modisch sind und Normalos „The Big Bang Theory“ schauen, sollte jeder wissen, was ein Nerd ist und was er oder sie leistet. Dennoch wird die Bezeichnung Nerd weiterhin meist abfällig verwendet und dagegen möchte Stefanie Mühlsteph in ihrem Nachschlagewerk „Nerdikon“ mit einer großen Portion Humor vorgehen. In elf Kapiteln widmet sie sich dem Leben der Nerds und Geeks in verschiedensten Facetten, arbeitet diverse Klischees auf und liefert Informationen, die selbst nerdige Leser erstaunen werden. Aber fangen wir lieber von vorne an:
Nach einem Vorwort, in dem sich die Autorin zum Nerdtum bekennt, folgt eine kurze Definition, die nicht mit Klischees spart, aber gleichzeitig klar macht, dass die in diesem Buch vorgestellten Freaks allesamt wichtiger Bestandteil der Gesellschaft sind. Danach folgt eine kurze Abgrenzung der Begriffe Nerd und Geek – nein, das ist nicht dasselbe! – sowie eine Liebeserklärung an Nerdmädchen, die Poetryslammer David Grashoff beigesteuert hat. Insbesondere dieses Kapitel sollte mit viel Humor genommen werden, denn mancher Normalo könnte die offene Gesellschaftskritik auch verärgern. Der Autorin spricht David Grashoff jedoch aus der Seele, denn weibliche Nerds haben es sogar unter ihren männlichen Kollegen schwer. Für diese ist die Frau an sich ohnehin ein irrationales Mysterium und für die meisten ist es daher unvorstellbar, dass Frauen gleiche Leistungen in MINT-Berufen (Mathe, Informatik, Naturwissenschaften und Technik) erbringen können.
Das mit Abstand größte Kapitel und damit der Kern dieses Werkes ist „Des Nerds Liebstes von A bis Z“. In alphabetischer Reihenfolge werden die wichtigsten Nerdbegriffe, -hobbies und –fähigkeiten erklärt, wobei kein Anspruch auf Vollständigkeit besteht. Stefanie Mühlsteph wagt sich dabei auch an kritische Nerdthemen wie die Frage, wer denn nun der beste Sternenflottencaptain ist. Spätestens an diesem Punkt werden einige Nerds das Buch erst einmal in die Ecke feuern, denn die unrepräsentative Umfrage offenbart, wie viele Ketzer es in den eigenen Reihen gibt. Aufgrund des hohen Unterhaltungsfaktors nimmt man das „Nerdikon“ jedoch gerne wieder in die Hand und staunt über skurrile Hobbies wie Amigurumi (nein, das ist kein Yoga) oder Laser Tag („Breaking Bad“-Fans werden es kennen).
Insgesamt ist das „Nerdikon“ recht klischeehaft, doch man kommt nicht umhin zuzugeben, dass zumindest irgendetwas aus diesem Buch auf irgendeinen Nerd zutrifft. Wenn man ehrlich ist, sind es sogar ziemlich viele Dinge. Die im Buch genannten Science Fiction-Serien, -filme und -bücher beispielsweise muss einfach jeder Nerd kennen und lieben. Und man darf dabei nicht vergessen, dass der Schwerpunkt auf guter Unterhaltung und einer humor- und liebevollen Darstellung des Nerds liegt. Was dabei zu kurz kommt, sind die Schattenseiten des Nerdtums – wie die soziale Defizite, die zu Missverständnissen und Ausgrenzung führen. Dazu fehlen in manchen Listen wichtige Punkte, wobei das im Auge des Betrachters liegt. Das „Nerdikon“ ist eben ein ganz persönliches Sachbuch, das die Erfahrungen und Vorstellungen der Autorin und ihrem Freundes- und Bekanntenkreis bündelt.
Das „Nerdikon“ liest sich dabei locker und schnell, wobei es im Text auch Unstimmigkeiten gibt, die vor allem Nerds auffallen werden: Film- und Buchtitel werden nicht konsequent kursiv geschrieben und zu englischen Zitaten gibt es nur manchmal eine Übersetzung, meistens jedoch nicht. Zu einem Sachbuch gehört mehr Konsequenz – entweder man übersetzt oder man lässt es. Dadurch, dass die Autorin selbst bekennende Nerdine ist, lesen sich manche Erklärungen trotz Humor etwas zu kompliziert für den Otto-Normal-Leser. Da bricht wohl das Nerdtum aus Stefanie Mühlsteph heraus und sie gibt manchmal genau die Antworten, die viele Normalos hilflos zurücklassen. Sehr schön ist dagegen das Quiz am Ende des Buches, bei dem jeder seinen Nerdigkeitsgrad bestimmen kann – auch wenn bei manchen Fragen alle Antworten seltsamerweise gleichwertig sind.
Fazit
Jeder selbstironische Nerd (oder Geek, oder Otaku, …) wird mit diesem Nachschlagewerk seine wahre Freude haben, denn der Autorin gelingt es, Klischees und Fakten auf humorvolle Weise zu vereinen. Manchmal sind die Erklärungen allerdings selbst so nerdig, dass jeder Normalo sich wahrscheinlich wieder einmal denkt „Freak!“. „Nerdikon“ eignet sich daher vor allem für all jene, die selbst in MINT-Berufen arbeiten, bizarre Sammelleidenschaften pflegen oder weltoffen genug für die spleenige Welt der Nerds und Geeks sind.
Pro & Contra
+ humor- und liebevoller Blick auf die Welt der Nerds
+ nerdige Nostalgie (man denke an die ersten Spielkonsolen ...)
+ gelungener Mix aus Fakten und Klischees
+ die Liebeserklärung an Nerdmädchen von David Grashoff
+ flüssig und unterhaltsam geschrieben
o auf humorvolle Unterhaltung ausgelegt
o sehr persönlicher Blickwinkel
- manchmal sind die Erklärungen selbst zu nerdig
Wertung:
Lesespaß: 5/5
Informationsgehalt: 4/5
Aktualität: 4/5
Verständlichkeit: 3,5/5
Preis/Leistung: 4/5
Interview mit Stefanie Mühlsteph (Januar 2014)