Piper (Dezember 2013)
Taschenbuch, 416 Seiten, 12,99 EUR
ISBN: 978-3-492-26942-1
Genre: High Fantasy
Klappentext
In einem entzweiten Land kann Vertrauen eine schreckliche Waffe sein
Dorn ist eine Welt, aus der die alte Magie längst verschwunden ist. Und auch das Eherne Reich, welches den Kontinent eint, ist im Zerfall begriffen. Als Markgraf Deckard von Falkenberg ein geheimnisvolles Elbenmädchen unter seinen Schutz stellt, ahnt er nicht, dass dieses etwas bei sich trägt, das sowohl die Rettung als auch den Untergang des Reiches bedeuten könnte. Und dass ihr dunkler Verfolger vor nichts zurückschrecken wird …
Rezension
Der junge Markgraf Deckard von Falkenberg gilt als besonnener Herrscher, der sich um das Wohl seines Volkes bemüht. Er genießt die Ruhe auf seiner Burg, schließlich ist Falkenberg ein recht beschauliches Fürstentum, als seine Welt aus den Fugen gerät. Alles beginnt mit dem Besuch eines königlichen Boten: Der König des Ehernen Reiches ist tot und Deckard muss die Hauptstadt Anselieth aufsuchen, um sich an der Wahl des neuen Herrschers zu beteiligen. Am selben Abend sucht ein verstörtes Elbenmädchen seinen Schutz, da dem Markgrafen nachgesagt wird, er sei den Elben freundlich gesonnen. In der Nacht macht Deckard dann mit dem finsteren Verfolger des Mädchens Bekanntschaft, kann ihn jedoch vertreiben. Um sein Versprechen der Elbin Lia gegenüber zu erfüllen, beschließt er kurzerhand, sie mit nach Anselieth zu nehmen – noch nicht ahnend, welch Geheimnis sie bei sich trägt und welch gemeine Intrigen ihn in der Hauptstadt des Ehernen Reiches erwarten …
„Dorn“ ist eine klassische Heldenreise, die sich über verschiedene Länder und Kulturen erstreckt. Deckard erfüllt dabei die Rolle des bescheidenen Helden, der tut, was getan werden muss, aber in seinem Bestreben, gerecht zu sein, oftmals Härte und Konsequenz vermissen lässt. Seine aufrichtige Art spielt seinen Feinden in die Hände und als Leser möchte man sich manches Mal die Haare raufen. Doch Deckard bleibt seinen Prinzipien treu und beweist immer wieder seine Loyalität gegenüber dem Ehernen Reich, selbst als dieses im Streit der großen Fürsten zerrissen und er als Verräter verjagt wird. Zudem in jüngster Zeit so populären Antihelden ist ein ausgesprochener Gutmensch wie Deckard eine willkommene Abwechslung. Thilo Corzilius zeigt dabei gnadenlos auf, wie Gutmütigkeit und Friedfertigkeit ausgenutzt werden und wie Deckard an seinen eigenen hohen Ansprüchen zu scheitern droht. Allerdings findet der junge Graf auch Freunde auf seiner Reise.
Zu diesen zählt das Elbenmädchen Lia, das ebenso wie Tolkiens Elben naturverbunden, erhaben und entrückt daherkommt. Sie nimmt die Welt vollkommen anders wahr, wobei man als Leser leider nur wenige Einblicke in ihr Innenleben erhält. Denn die Geschichte wird aus Deckards Sicht in Ich-Perspektive erzählt und somit erfährt man über die Nebencharaktere nur etwas, wenn Deckard mit ihnen spricht oder Mutmaßungen über sie anstellt. Die Erzählweise erlaubt gleichzeitig einen einzigartigen Blick auf die Figuren, die Deckard das Leben schwer machen oder ihn unterstützen. Zu seinen Freunden zählt auch der Prinz der Nordmänner sowie ein alter Mann, der Deckard zuerst auf die Nerven geht, sich dann aber als wertvoller Berater und moralische Stützte entpuppt. Viele Nebencharaktere haben das Potential Deckard und den Leser zu überraschen und die meisten von ihnen lassen sich schnell ins Herz schließen – oder im Falle der Antagonisten so richtig schön hassen, auch wenn man ihre Beweggründe nachvollziehen kann.
Die Geschichte selbst ist in groben Zügen vorhersehbar, kann im Detail jedoch auch immer wieder überraschen. Insbesondere im letzten Drittel wird einiges umgeworfen, sodass man bis zum Schlusskapitel um den Ausgang des Abenteuers bangt. Für verschiedene Probleme bietet der Autor glaubhafte Lösungen an, allerdings sind manche davon so offensichtlich, dass man sich fragt, warum die Charaktere so lange brauchen, um darauf zu kommen. Mancher Lösungsansatz funktioniert auch nicht, aber der Autor liefert die Erklärung dafür zu spät. Insgesamt machen die Helden aber eine gute Figur bei ihrer Suche. Da die Geschichte aus Deckards Sicht erzählt wird, erfährt man nur wenig über die dramatischen Entwicklungen im Ehernen Reich – doch Thilo Corzilius hat eine interessante Lösung gefunden, dem Leser die wichtigsten Informationen zukommen zu lassen, sodass man kontinuierlich mitfiebert, ob Deckard und seine Freunde schnell genug sein werden, um die größte Katastrophe zu verhindern.
Im Nachwort legt Thilo Corzilius die besondere Beziehung zu diesem Werk offen, denn bei „Dorn“ handelt es sich um seine erste Romanidee, die unter anderem von Tolkiens „Der Herr der Ringe“ inspiriert wurde. Diesen Einfluss merkt man „Dorn“ auch deutlich an, denn das Eherne Reich und sie angrenzenden Länder versprühen echten Mittelerde-Charme. So erinnert das Elbenreich Quainmar beispielsweise an den Herrschaftssitz der tolkienschen Waldelben und die Hauptstadt des Ehernes Reiches weckt Assoziationen zu Minas Tirith. Dennoch hat sich der Autor um einen eigenen Weltentwurf bemüht und diesen mit einem Schöpfungsmythos und historischen Ereignissen ausgestattet. Auch ferne Reiche werden erwähnt, doch sie spielen keine große Rolle im Roman – dabei würde man gerne mehr über diese spannende High-Fantasy-Welt wissen, die im Kopf des Autors wohl viel weiter reicht als der Kontinent Dorn. Als Einzelroman reicht „Dorn“ natürlich nicht an die epische Gewalt eines Tolkien heran, doch die vielen Andeutungen im Buch machen Hoffnung, dass man früher oder später mehr von dieser Welt entdecken könnte. Zumindest würde man gerne zurückkehren und die fernen Länder bereisen.
Fazit
„Dorn“ ist eine klassische Heldengeschichte mit einem aufrichtigen und dadurch verletzbaren Protagonisten und einer wunderbaren Welt, die spürbar von Tolkien inspiriert wurde und dabei mit einer ganz eigenen Geschichte und Mythologie aufwartet. Thilo Corzilius bietet nahezu alles, was das Fantasyherz begehrt: eine bunt gemischte Heldentruppe, finstere Antagonisten, magische Artefakte und einen epischen Kampf um das Schicksal eines riesigen Reiches. Wer sich an den mehr oder weniger auffälligen Ähnlichkeiten zu Tolkiens Werk nicht stört, kommt in den Genuss eines spannenden Abenteuers, das den Leser in eine mittelalterlich-phantastische Welt entführt und bestens unterhält.
Pro & Contra
+ aufrichtiger und herzensguter Protagonist
+ facettenreiche Nebencharaktere
+ schöner Weltentwurf mit Mittelerde-Charme
+ passender und flüssiger Schreibstil
+ stimmungsvolles Cover
o viele Ähnlichkeiten zu Tolkiens Werk
- in groben Zügen vorhersehbar
Wertung:
Handlung: 3,5/5
Charaktere: 4/5
Lesespaß: 5/5
Preis/Leistung: 4/5
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