Das Haus mit den sieben Giebeln (Nathaniel Hawthorne)

hawthorne haus

Manesse 2014
Originaltitel: The House of the Seven Gables (1851)
Übersetzt aus dem Amerikanischen von Irma Wehrli
Nachwort von Hanjo Kesting
Gebunden, 510 Seiten
€ 24,95 [D] | € 25,70 [A] | CHF 35,50
ISBN: 978-3-7175-2344-4

Genre: Belletristik


Inhalt

Zur Zeit der Hexenprozesse im neuenglischen Salem 1692 eignet sich Oberst Pyncheon von Matthew Maule ein attraktives Grundstück an, indem er seine Macht missbraucht, den Grundbesitzer der Hexerei anklagt und zum Tode verurteilt. Maule belegt Pyncheon mit einem Fluch, der über die Generationen wirksam sein soll. Nach der Hinrichtung lässt Pyncheon vom Sohn des Toten das Haus mit den sieben Giebeln auf dem Grundstück errichten. Mitte des neunzehnten Jahrhunderts gehört das Haus Hepzibah Pyncheon, die darin erfolglos einen Laden betreibt. Obwohl sie eine verarmte alte Frau ist, lehnt sie jegliche Unterstützung durch ihren unangenehmen Cousin, den Richter Jaffrey Pyncheon, ab. In dem Haus leben außer Hepzibah ihr älterer Bruder Clifford und der Lichtbildner Holgrave. Die lebensfrohe junge Phoebe, eine entfernte Verwandte der Pyncheons, zieht bei Hepzibah ein, arbeitet als Verkäuferin im Geschäft und zieht viele neue Kunden an. Ihr Erscheinen bleibt nicht ohne Wirkung auf Hepzibah, Clifford und Holgrave.


Rezension

Nathaniel Hawthornes Roman hat vier Hauptfiguren, die alle im Haus mit den sieben Giebeln wohnen. Hepzibah Pyncheon ist eine unverheiratete alte Frau und Nachfahrin des Hauserbauers. Die Menschen im Ort lehnen sie ab, weil ihre unattraktive äußere Erscheinung und ihr Name beunruhigend auf sie wirkt. Dabei ist sie ein guter Mensch, der nicht nur unter der Feindseligkeit des Umfeldes leidet. Phoebe Pyncheon ist ein Mädchen vom Land, Cousine Hepzibahs und keine Nachkommin der alten Pyncheons aus Salem. Phoebe zieht bei Hepzibah ein, nachdem ihre Mutter ihre zweite Ehe geschlossen hat, und übernimmt den Laden, der aufgrund Phoebes Liebenswürdigkeit und Schönheit Kunden anzieht und zu einem erfolgreichen Geschäft wird. Hepzibahs älterer Bruder Clifford saß unschuldig wegen eines Mordes dreißig Jahre im Gefängnis. Lichtbildner Holgrave verbirgt ein Geheimnis, das weit in die Vergangenheit zurückreicht.

Die Geschichte wird erzählt in der dritten Person Singular. Das erste Kapitel liefert in Form einer Legende eine Zusammenfassung der Vorgeschichte des Hauses und der Pyncheons und Maules. Die Perspektive wird nicht konsequent eingehalten. Im dreizehnten Kapitel liest Holgrave Phoebe eine phantastische historische Erzählung vor, die er angeblich zur Veröffentlichung in einer Zeitschrift geschrieben hat. Im achtzehnten Kapitel spricht die Erzählinstanz Richter Pyncheon direkt an, durchsetzt mit Aufforderungen und Fragen, alles in ganz anderem Ton als sonst.

Das Haus mit den sieben Giebeln hat etwas von einer Bühne, auf der sich vier Hauptdarsteller befinden, deren Leben eng miteinander zusammenhängen. Die Bindungen, die zwischen ihnen existieren, sind nicht sofort offensichtlich, sondern werden von Hawthorne, dem Regisseur des Stücks sukzessive offengelegt. Die Handlungen kreisen in verschiedener Intensität um Fragen moralischen Handelns, um Gier, Schuld, Vergebung und Sühne. Die Dramaturgie orientiert sich konsequent an diesen Fragen. Die Pyncheons sind Träger einer großen Last, deren Ursache die rechtmäßige, unehrliche und amoralische Aneignung des Grundstücks von Matthew Maule durch Oberst Pyncheon ungefähr 150 Jahre zuvor war. Die Schuld geht über auf die nachfolgenden Generationen.

Allerdings sind auch die alten Maules amoralische Menschen. Besonders die Qualen, die Alice Pyncheon im 17. Jahrhundert nach Maules Hinrichtung verursacht werden und zu ihrem Tod führen, sind hier zu nennen. In der Gegenwart spukt Alice vielleicht als Geist im Haus mit den sieben Giebeln. Hawthorne hält dies, wie auch andere Hinweise auf das Übernatürliche, in der Schwebe. Das Haus selbst wirkt wie eine Hauptfigur, in deren Brust verschiedene Seelen wohnen. Zudem ist es mit seinen Bewohnern Element eines größeren gesellschaftlichen Raumes. Hawthorne beschreibt, wie die Institutionen Familie, Kirche, Justiz und Regierung auf Menschen wirken und wie Menschen diese Institutionen mitformen, gelegentlich gar für ihre Interessen missbrauchen.

Im Verlauf der Handlung gibt es immer wieder Bühnenauftritte von Nebendarstellern, Menschen, die das Haus betreten, weil sie etwas kaufen oder von einem der Bewohner etwas anderes wollen. Der kleine Ned Higgins ist der erste Kunde in Hepzibahs Geschäft. Er kommt auf seinem täglichen Schulweg vorbei und kauft nahezu die gesamten Pfefferkuchen. Der alte Onkel Venner ist einer der wenigen Freunde und ein regelmäßiger Besucher von Hepzibah und Clifford. Richter Jaffrey Pyncheon, Hepzibahs und Cliffords Cousin, ist ein wohlhabendes und angesehenes Mitglied der Gesellschaft. Er ist eine undurchsichtige Figur mit verdeckten Absichten, die sich vor allem auf oder gegen Clifford richten.


Fazit

Nathaniel Hawthorne hat mit Das Haus mit den sieben Giebeln, seinem wichtigsten Werk neben Der scharlachrote Buchstabe, einen hervorragenden Roman darüber geschrieben, wie Verstorbene („die Sünden der Vorväter“) und die Vergangenheit das Leben von Menschen bestimmen.


Pro und Kontra

+ zeigt sehr schön, wie Gier langfristiges Unheil erzeugen kann
+ thematisiert vielfältig das trügerische Moment des Scheins und den Verfall
+ satirische Behandlung der Klassengesellschaft
+ exquisit gearbeitetes Buch (Leineneinband, Fadenbindung, Lesebändchen)

o gelegentlich etwas melodramatisch

Wertung: sterne5

Handlung: 5/5
Charaktere: 5/5
Lektüreertrag: 5/5
Preis/Leistung: 5/5