Die besten Tage unseres Lebens (Michelle Haimoff)

haimoff tage

Manhattan 2014
Originaltitel: These Days Are Ours (2012)
Übersetzt aus dem Amerikanischen von Thomas Bauer
Gebunden, 334 Seiten
€ 17,99 [D] | € 18,50 [A] | CHF 26,90
ISBN: 978-3-442-54739-5

Genre: Belletristik


Inhalt

Hailey wurde in New York City geboren, ist dort aufgewachsen, hat den Bildungspfad bis zum Universitätsabschluss durchlaufen, ist 23 Jahre alt und arbeitslos. Sie wohnt in einem Penthouse in der Fifth Avenue, das ihren Eltern gehört. Sechs Monate nach dem 11. September 2001 besteht ihr Alltag aus erfolglosen Bewerbungsgesprächen, gelegentlichen Treffen mit ihrem Vater, Telefonaten mit ihrer besten Freundin Jess und den Abenden mit ihren Freunden, zu denen Katie, die bei Morgan Stanley arbeitet, und Randy, der dank seiner Eltern so obszön reich ist, dass er zum Ausgleich Kaschmirpullover mit Löchern trägt, gehören.

Hailey hatte einmal einen One Night Stand mit Mike Brenner, dem Princeton-Absolventen mit hervorragenden Zukunftsaussichten, der Menschenrechtsanwalt werden will. Seitdem träumt sie davon, dass er sie als Ehefrau auserwählt, obwohl sie weiß, dass sie nur einer von sehr vielen sexuellen Kontakten für ihn war. Als Hailey Adrian trifft, einen Absolventen der Brown University und Zugezogenen aus Pennsylvania, der nicht in ihr privilegiertes soziales Umfeld gehört, beginnt sie langsam zu erkennen, wie festgefahren sie in ihrem Leben ist.


Rezension

Michelle Haimoffs Roman Die besten Tage unseres Lebens ist sprachlich einfach und im Plauderton geschrieben, eine Strandlektüre über ein ernstes Thema. Die ersten Seiten sind nicht unproblematisch, weil die Erzählerin Hailey in nicht leicht erträglicher Weise, voller Monotonie und Wiederholungen in der Variation, über das Thema Mike Brenner fantasiert. Und wenn sie nicht direkt an ihn denkt, scheinen ihre Gedanken über andere Dinge irgendwie immer zu ihm zu führen. Hat man als Leser die Befürchtung, es gehe so weiter, wird man bald beruhigt, weil er sie nach einer schnellen Nummer auf dem Dach des Elternhauses entlässt. Mike Brenner wird nach seinem Studium eine Familie gründen und für das Gute in der Welt kämpfen, zum Glück aber ohne die Hauptfigur.

Männer, Familie, Freunde stehen im Zentrum dieses Romans über privilegierte junge New Yorker, die darunter leiden, dass sie nichts selbst auf die Beine stellen können, weil ihre Eltern ihr Leben in den Händen halten oder hielten. Scheidungskind Hailey möchte einfach nur aus dem goldenen Käfig heraushüpfen und sich ein eigenes Leben gestalten. Sie will weder irgendeinen Job annehmen, sollte sie ihn bekommen, noch ihre bekannten und erfolgreichen Eltern ihr einen beschaffen lassen – ein Telefonanruf durch Daddy würde reichen.

Hailey ist bestimmt durch romantische Vorstellungen von Liebe und Familie. Umgeben von Antiquitäten, deren eine ausreicht, einen Urlaub in Europa zu bezahlen, deren mehrere ausreichen, ein Studium an einer Spitzenuniversität zu finanzieren, haben diese jungen Leute eine materialistische Sicht auf das Leben entwickelt, aus der sie sich nicht mehr lösen können, falls sie es überhaupt wollen. Zuviel Unterstützung durch die reichen und angesehenen Eltern scheint lethargisch zu machen.

Diese Lethargie trifft auf eine gesellschaftliche Lage, die bestimmt ist durch Begriffe wie „Terror“, „11. September“ und „Ground Zero“. Auch an Hailey ist 9/11 nicht spurlos vorübergegangen. Einmal fantasiert sie, sollte es einen weiteren Terrorangriff auf New York geben, müsste sie an dem Tag nicht zu einem Bewerbungsgespräch gehen. Für Haley und ihre Freunde ist es wichtig, dazuzugehören und dennoch anders, individuell zu sein. Der angesagte Mike Brenner, der Frauen auf One Night Stands reduziert, ist hier ein perverses Maß. Wenn er mit einer Frau Sex will, sagt sie nicht nein (dazugehören!), schlimmer wäre es, zu denen zu gehören, die er nicht wollte. Den Wunsch danach, es möge dennoch anders sein, hofft Haley sich zu erfüllen, indem sie mit ihm auf dem Dach seines Elternhauses Sex hat. Der Wunsch, aus dem Meer der Bedeutungslosigkeit herauszuragen, äußert sich insbesondere in zwei Zusammenhängen: zu denen zu gehören, die die Nazis abgeholt hätten, Mitglied der Nach-Nine-Eleven-Generation zu sein.

Haimoff hat ein komplexeres Anliegen und versucht dies über ihre Charaktere und Dialoge zu transportieren. Die Dialoge lesen sich authentisch. Haimoff hat ein Ohr für die Menschen aus ihrem Umfeld, und die Dialoge lesen sich, als habe sie auf Partys und in Kneipen genau mitgeschrieben. Die besten Szenen des Romans sind folglich die, in denen Hailey mit ihren Freunden spricht. Weniger gut gelingt es Haimoff, Themen mit Tiefgang zu behandeln, so die Veränderungen, die auf Menschen wirken, der Verlust der Unschuld, der thematisiert wird im Kontext von 9/11, die Wettbewerbsvorteile bei Bewerbungen an Privatschulen und Universitäten, die nur so lange gegeben sind, bis alle anderen Bewerber ebenfalls über sie verfügen, wodurch ein Wettbewerbsvorteil zu einer allgemeinen Anforderung wird, mithin diese Form von sozialem Spiel eine Ebene höher führt, auf der dann neue Vorteile gefunden werden müssen. Am Spiel und seinen Regeln ändert sich hingegen nichts.


Fazit

Michelle Haimoffs Romandebüt Die besten Tage unseres Lebens handelt von den Frustrationen und Träumen junger New Yorker aus reichem Elternhaus nach dem Universitätsabschluss, die ihren Platz im Leben finden wollen.


Pro und Kontra

+ ein Roman mit Anliegen
+ überwiegend gute Dialoge

- sehr zäher Einstieg
- liest sich wie eine Sammlung mit einem roten Erzählfaden versehener Kolumnenbeiträge
- nicht frei von Klischees

Wertung: sterne3
Handlung: 3/5
Charaktere: 3/5
Lesespaß: 3/5
Preis/Leistung: 4/5