Schmetterlingsnetzwerk Bd. 1 – Nachtfalter (Cecil, Corbeyran)

Verlag: Splitter (Juni 2011)
Gebundene Ausgabe, 48 Seiten, 13,80 Euro
ISBN-13: 978-3868692860

Genre: Steam-Punk, Comic


Klappentext

Das Schmetterlingsnetzwerk, ein Untergrund-Kartell aus Dieben und Einbrechern, hat seine Prinzipien: Jedes Mitglied, das sich nicht an die Regeln hält, wird bestraft. Während eines Einbruchs entdecken zwei Mitglieder dieses Netzwerk, dass der hochangesehene Baron von Harcourd ein schmutziges Geheimnis hütet. Auf einem gestohlenen Filmstreifen ist zu sehen, wie Prostituierte gezwungen werden, bei perversen und blutigen Sexspielen mitzumachen. In einem ans 19. Jahrhundert erinnernden Ambiente machen sich die beiden Einbrecher Mücke und Eustache auf die Suche nach den Filmautoren. Sie müssen sich nicht nur mit dem Baron und dessen Komplizen herumschlagen, sondern auch mit der korrupten Polizei.


Rezension

In den letzten Jahrzehnten dürfte wohl mehr als deutlich geworden sein, dass sich eine bestimmte Sehnsucht des Menschen im Alltag in Form einer neuen, exquisiten Kunstform manifestiert hat; und diese trägt den melodischen Namen „Steam-Punk“. Das Verlangen, die Vergangenheit neu aufleben zu lassen und gleichzeitig mit ein paar Zukunftsvisionen zu versehen, ist allgegenwärtig. Mittlerweile ist diese Szene um Einiges angewachsen und erstreckt sich von Mode bis hin zu Merchandise und Printmedien. Selbstverständlich gibt es, wie in jedem Genre, auch im Steam-Punk absolute Koryphäen. Dazu gehören im Bereich des Comics natürlich Cecil & Corbeyran, die mit ihrer Trilogie Schmetterlingsnetzwerk alles verbildlichen, was den Steam-Trend ausmacht.

Nachtfalter ist der erste Band des dreibändigen Abenteuers und hat Einiges in petto. Mücke und Eustache sind genau wie ihre Namen, zwei ungewöhnliche Charaktere. Sie sind Mitglieder eines geheimen Kartells, das verdeckt in der ganzen Stadt arbeitet; dabei versuchen beide tatsächlich auch ein normales Leben zu führen, was sich, wie sich jeder wohl denken kann, so manches Mal als Herausforderung erweist. Um ihre Missionen schnell und effizient ausführen zu können, haben sie sich ein Fluchtnetz aus Kabeln und Drähten gesponnen, die über den Dächern der Häuser verlaufen. In diesem riesigen Gebilde bewegen Mücke und Eustache sich geschmeidig und unerkannt, eben wie Schmetterlinge fliegen können. Sie legen großen Wert auf Diskretion und Perfektion, denn eine falsche Bewegung könnte schon das Ende bedeuten. Bis dato verläuft auch alles nach Plan, nur irgendwann kommt es immer anders: Sie beschatten einen Baron, der sich wohl größte Mühe gibt, etwas zu verbergen. Und tatsächlich: Er und einige andere hochrangige Persönlichkeiten der Stadt treffen sich regelmäßig zu einem Zirkel, um sich Filme anzuschauen, in denen auf bestialische Weise mit Frauen umgegangen wird. Vergewaltigungen, Körperverletzungen und psychische Misshandlungen scheinen eine neue Art der heimlichen Pornographie zu sein. Eustache und Mücke sind fassungslos und beschließen etwas zu tun, da Gewalt in diesem Ausmaß nicht geduldet werden darf. Perfekte Pläne lassen sich schmieden, doch meistens werden sie durchkreuzt. Der Baron lockt Zibeline zu sich, eine junge Dame, der Eustache besonders zugetan ist. Unter falschem Vorwand gerät sie in den Strudel der Perversion und weiß keinen Ausweg. Mücke und Eustache starten eine Rettungsaktion, die sie jedoch Einiges kosten wird.

Im Alltag, besonders während der Arbeit wünscht man sich hin und wieder, man hätte zu einer anderen Zeit in einer anderen Welt gelebt. Dieser Wunsch wurde durch die Erschaffung des Steam-Punks unter einem Namen zusammengefasst und erfreut sich seit jeher einem immer breiteren Publikum. Kleidung, Lebensstil und Mentalität; alles ist anders, vielleicht auch besser. Dieses Genre zeichnet sich durch eine immense Präsenz des viktorianischen Stils und dem Glauben an die Dampfmaschine aus. Mit futuristischen Mitteln karikiert sich eine Welt, in der das Leben plötzlich Sinn macht und über weite Strecken romantisiert wird; mit Worten und Werken. Genau das haben die Macher von Schmetterlingsnetzwerk berücksichtigt und allein durch ihre beiden Hauptakteure Eustache und Mücke verwirklicht. Bereits in diesem Auftaktband erlebt der Leser wie dynamisch sie sich durch ihr eigens erstelltes Netzwerk bewegen und dabei den Traum von Freiheit genießen, wobei sie ihrer Pflicht stets nachkommen. Beide haben eine Vergangenheit, doch das ist unwichtig. Wichtig ist allein das hier und jetzt. Menschen retten und Verbrechen aufdecken; nur eben alles oberirdisch. Hin und wieder scheinen die beiden mit Flügeln zu schweben, so selbstverständlich ist ihnen der Asphalt über den Dächern schon geworden. Dass auch ein romantisches, viktorianisches Sinnbild bröckeln kann, erleben beide Protagonisten, denn auch sie sind nicht frei von Schuld und Sühne. Auf die Probe gestellt werden sie durch die Liebelei von Eustache mit der wunderschönen Zibeline, die durch ihre Entführung des Barons ganz im Fokus des Kartells steht. Mücke ist derjenige, der zweifelt und sich die Frage nach den genauen Motiven seines Mitstreiters stellt: Liebe, Pflicht, blinde Wut, Selbsthass? Beide müssen zusammen arbeiten und werden dabei ständig mit ihrer eigenen Identität konfrontiert. Beide agieren immer zusammen und sind als Kartell praktisch eine Person. Ist dann noch Platz für Individualität und Privatleben? Diese und noch einige andere Fragen begegnen einem immer wieder und werden nicht geklärt, was daran liegen mag, dass das Leben sich von einer Sekunde zur anderen durchaus verändern mag.

Cecil & Corbeyran haben zwei unterschiedliche Charaktere entwickelt, die mit ihren jeweiligen Stärken perfekte Zusammenarbeit gewährleisten; eigentlich. Eustache, pflichtbewusst, loyal und ein Romantiker. Mücke, nicht nur pflichtbewusst, sondern geprägt von logischem Vorgehen und mit einer Art, alles zu hinterfragen. Sie bilden ein Duo, das dem Leser die Welt des Steam-Punks näher bringen soll. Und es gelingt ihnen auf jeder Seite, in jedem Panel. Farben und Zeichenstil fangen den Hauch des Wunsches nach dieser Lebensart perfekt ein. Man spürt förmlich die Luft, die Eustache und Mücke atmen und genießen, wenn sie über den Dächern der Stadt schweben. Durch das Eintauchen in die Bilder bewegt der eigene Geist sich wie von selbst in diesem Netzwerk und möchte es eigentlich nicht mehr verlassen. Dabei spiegelt sich im Gesamtkonzept immer wieder die Harmonie zwischen Inhalt, Panel, Zeichnung und Text wieder. Denn es scheint weder überladen, noch aufgesetzt zu sein. Auch, wenn sich ein Leser an diesen Comic wagt, der sich bis hierhin nicht für Steam-Punk interessiert hat, dürfte ihn Inhalt und Konzept erfreuen, denn hier steckt alles drin, was einen perfekten Comicgenuss ausmacht. Der Preis für solch ein Abenteuer wurde von Splitter sehr gut angesetzt, denn ein Versuch ist es allemal wert.


Fazit

Das Herz des Steam-Punks lebt und es schlägt wild im Herzen des Schmetterlingsnetzwerks. Wer nicht auf diese nostalgisch-moderne Abenteuerreise geht, dem ist wahrlich nicht zu helfen. Ein besonderes Genre mit einem besonderen Höhepunkt, der seinen Anfang im Nachtfalter nimmt.


Pro/Contra

+ Eusatche und Mücke
+ Steam-Punk, wie er leibt und lebt
+ Harmonie auf jeder Seite
+ Unterhaltung pur

Bewertung:

Handlung: 5/5
Charaktere: 5/5
Zeichnungen: 5/5
Lesespaß:5/5
Preis/ Leistung: 4,5/5


Literatopia-Links zu weiteren Titeln von Cecil und Corbeyran:

Rezension zu Das Schmetterlingsnetzwerk Bd.2 - Herr Mond
Rezension zu Das Schmetterlingsnetzwerk Bd.3 - Stigmata