Die 10. Symphonie (Joseph Gelinek)

Knaur (April 2009)
La Décima Sinfonia (Originaltitel)
Übersetzt von Johanna Wais
Klappenbroschur, 432 Seiten, 14,95 EUR (D)
ISBN 978-3426663523

Genre: Thriller


Klappentext

Nie hat ein Thriller besser geklungen
Die Musikwelt steht kopf, als der berühmte Dirigent Ronald Thomas in einem Privatkonzert den ersten Satz von Beethovens verschollener Zehnter aufführt. Am nächsten Tag jedoch wird Thomas enthauptet in einem Park bei Madrid gefunden. Wer mordet im Dienste der Musik? Eine fieberhafte Suche in codierten Notenschriften und alten Partituren, durch mehrere Länder und Jahrhunderte beginnt, an deren Ursprung eine verbotene Liebe steht ...
Die Suche nach dem Heiligen Gral der Musik – ein Thriller um die zehnte Symphonie Beethovens, eines der faszinierendsten Rätsel der Musikgeschichte.


Rezension

Wer diesen Roman zufällig in der Buchhandlung liegen sieht, sollte sich fünf Minuten Zeit nehmen und das erste Kapitel lesen. Aus ungewohnt neutraler Perspektive zeigt der Autor ein Treffen zwischen einem Mann und einer Frau, beide namenlos, sie ein Blickfang, er ein sonnenverbrannter Brite. Am Rande der Szenerie schützt sich das Publikum unter einem Vordach vor der Mittagssonne. Der Blick schweift hin und her zwischen dem Mann, der Frau und dem Publikum – eine faszinierende Komposition, die zu einem fatalen Ende kommt.

Leider kann der Rest des Romans mit diesem interessant inszenierten Einstieg nicht mithalten.
Der Autor versucht einen ständigen Spagat zwischen Musiktheorie, Ausflügen in die Vergangenheit, Beethovens Schaffen, Wissensvermittlung, der zehnten Symphonie, einem Mordfall und dessen Lösung. Hauptfigur ist dabei Daniel Paniagua, ein Musikwissenschaftler, der sich auf Beethovens Leben und Werk spezialisiert hat und deswegen einige musikalische Codes lösen soll, die mit dem Mord unmittelbar in Zusammenhang stehen. So weit, so gut. Nur leider geht dabei jegliche Spannung verloren. In den Dialogen zwischen Daniel und der Richterin holt er so weit aus, dass man das Thema (den Mord an Ronald Thomas) fast aus den Augen verliert. Nebenher bekommt Daniels Freundin ein Kind, was nicht nur der Musikwissenschaftler manchmal völlig vergisst. Auch die anderen Figuren, die Joseph Gelinek stets in Dialogen miteinander zeigt, neigen dazu, ihr gesammeltes Wissen über ein bestimmtes Thema an jeder erdenklichen Stelle einzubringen. So erfährt man viel über Beethovens Leben, über Folterwerkzeuge, Lippizaner Pferde und die Möglichkeit, Botschaften mittels Noten zu verschlüsseln. Der Mord und seine Lösung rücken da bald in den Hintergrund und scheinen nur Beiwerk zu sein, um die Figuren in allen Konstellationen einmal sprechen zu lassen. Die interessanteste Figur wird dabei die Richterin, die in ihrer Unwissenheit sympathisch und als Einzige nicht intellektuell abgehoben wirkt.

Spannung baut der Autor nur an den Kapitelenden auf, die meistens überraschen und deswegen trotz der schleppenden Mitten dafür sorgen, dass man dieses Buch nicht so schnell aus der Hand legt. Ohne zu viel verraten zu wollen, gilt das auch für das Buch im Gesamten – am Ende fügt sich mehr zusammen, als man beim Lesen vorher erwarten konnte. Und das entschädigt für einige „Abhandlungen“, die vom Fall wegführen.


Fazit

Ein „informativer“ Roman, der die Waage zwischen Musiktheorie und Ermittlungen leider ebenso wenig halten kann wie die Bezeichnung als „Thriller“. Trotzdem behält man ihn im Kopf und entwickelt am Ende sogar so etwas wie Verständnis für die ausschweifenden Dialoge über Dinge, die mit dem Mord an Ronald Thomas nichts zu tun haben. Dem Autor möchte man dennoch gern sagen: Schuster, bleib deinen Leisten.


Pro und Kontra

+ toller Einstieg
+ Cliffhanger
+ Informationsgehalt
+ Auflösung

- die Handlung kommt nicht voran
- zu viele Spezialisten
- langwierig und unspannend
- teils nervender Protagonist
- der Mord gerät zu sehr in den Hintergrund

Wertung:

Handlung: 3 / 5
Charaktere: 2,5 / 5
Lesespaß: 2,5 / 5
Preis/Leistung: 3 / 5