Die Nacht, als Gwen Stacy starb (Sarah Bruni)

Script 5 (März 2014)
Hardcover mit Schutzumschlag
320 Seiten, 17,95 EUR
ISBN 978-3-8390-0162-2

Genre: Junge Belletristik mit phantastischen Einflüssen


Klappentext

Er hält sich für Spidermans Alter Ego.
Sie hält er für Spidermans erste große Liebe Gwen Stacy.
Im Comic endete diese Liebegeschichte tragisch …

Nein, Sheila Gower fühlt sich nicht so richtig wohl in ihrer verschlafenen Heimatstadt irgendwo in Iowa. Sie ist siebzehn, vertraut sich am liebsten einem ausgestopften Kojoten im Museum für Naturkunde an und hört französische Sprachkassetten, um eines Tages aus der verschlafenen Kleinstadt nach Paris zu entfliehen. Als ihr Peter Parker (ja, so wie Spidermans Alter Ego) anbietet, ihr ödes Leben unter dem Vorwand einer vorgetäuschten Entführung hinter sich zu lassen, greift Sheila zu. Die beiden begeben sich auf einen skurrilen und romantischen Roadtrip und erleben die tragische Geschichte von Spiderman und seiner ersten Liebe Gwen Stacy nach. Doch was als unschuldiges Spiel beginnt, wird zu einem Pfad voller unvorhergesehener Gefahren.


Rezension

Sheila Gower wünscht sich nichts sehnlicher, als das Nest in Iowa, wo sie abgesehen von Campingsausflügen ihr ganzes Leben verbracht hat, zu verlassen.  Ihre Traumstadt ist Paris und auf eine Reise dorthin spart sie schon ewig. Ein Job an der Tankstelle soll zusätzlich Geld in ihre Kasse spülen – für ihren Traum nimmt es Sheila auch mit Spätschichten und komischen Kunden auf. Aber einer ihrer seltsamen Kunden fasziniert sie: Peter Parker, ein Taxifahrer, der regelmäßig seine Zigaretten bei ihr kauft. Von Spider Man kennt sie zu diesem Zeitpunkt nur die Filme, die sie nie gesehen hat. Als Peter mit einer Waffe in der Tankstelle auftaucht und ihr anbietet, mit ihm nach Chicago zu fahren, das Geld aus der Kasse zu nehmen und alles wie eine Entführung aussehen zu lassen, beginnt das größte Abenteuer ihres Lebens …

Sheila ist eine relativ normale Siebzehnjährige, die an der Schule zu den Außenseitern gehört und sich von ihren Eltern nicht verstanden fühlt. Nach ihren Schichten an der Tankstelle isst sie oft allein in der Küche und wenn sie jemanden zum Reden braucht, vertraut sie sich einem ausgestopften Kojoten im Museum an. Sie hat kein schlechtes Leben, doch die Einsamkeit und die Langeweile in der Kleinstadt schüren ihre Sehnsucht nach der weiten Welt, von der sie bisher kaum etwas gesehen hat. Um dem verschlafenen Nest zu entkommen, lernt sie fleißig Französisch und ahnt dabei noch nicht, dass sie gar nicht in ein anderes Land reisen muss, um ihrem tristen Leben zu entkommen. Ein anderer Bundesstaat reicht vollkommen aus, um ihr Leben auf den Kopf zu stellen. Für Peter wird zu Gwen Stacy und erkennt in ihrer neuen Identität, wer sie wirklich ist.

Peter Parker ist für Sheila anfangs ein Mysterium. Er kauft regelmäßig Zigaretten bei ihr und manchmal wechseln sie ein paar seltsame Worte. Eigentlich ist er ein durchschnittlicher Typ, doch irgendetwas an ihm fasziniert Sheila ungemein. Und auch der Leser ist von diesem unkonventionellen Protagonisten fasziniert, über den man nur nach und nach mehr erfährt. Seit zwanzig Jahren lebt er allein mit seiner Mutter, sein Vater verunglückte und sein älterer Bruder hat sich selbst das Leben genommen. Seitdem plagen Peter Alpträume, in denen er zukünftige Ereignisse sieht. Schreckliche Dinge, die er verhindern will, doch er muss jedes Mal mit ansehen, wie seine Träume wahr werden. Doch dieses Mal soll es anders sein. Er ist sich sicher, dass Sheila ihn führen wird und dass sie gemeinsam jemanden retten können.

Sheila ahnt lange Zeit nicht, warum sie zusammen nach Chicago fahren. Es ist auch nicht wichtig für sie – Hauptsache, sie kommt aus ihrem Kaff heraus und ist mit Peter zusammen. Zwischen den beiden entspinnt sich eine komplizierte und gleichzeitig einfache Liebesgeschichte, trotz eines Altersunterschieds von knapp zehn Jahren.  Ihre Annäherung verläuft auf beiden Seiten etwas unbeholfen und es ist ungeheuer spannend zu lesen, wie ihr Gefühle füreinander wachsen und  wie sie stillschweigend übereinkommen, Peter Parker und Gwen Stacy zu sein. Sarah Bruni verzichtet dabei auf Kitsch und erzählt eine durchweg glaubwürdige und berührende Lovestory, die den Alltag auf der Flucht überstehen muss.

„Die Nacht, als Gwen Stacy starb“ überzeugt mit ungewöhnlichen Metaphern und einem tollen Erzählstil, der trotz diverser Perspektiven- und Zeitwechsel flüssig bleibt. Sarah Bruni springt zwischen Sheila und Peter hin und her und bewegt sich spielerisch zwischen Vergangenheit und Gegenwart, sodass beides ineinander zu fließen scheint – so, wie es sich auch für die Protagonisten anfühlt. Vor allem Peter ist in der Vergangenheit verhaftet. Für ihn wird der Roman zu einem Selbsterkenntnis-Trip, der ihn mit dem Leben versöhnt und ihm zeigt, was wirklich wichtig ist. Und auch Sheila begreift allmählich, dass sie nicht nach Paris muss, um sich selbst zu finden. Die Autorin schlägt dabei sowohl nachdenkliche und düstere als auch humorvolle Töne an und auch wenn manches aus dem Ruder läuft oder die Gefahr im Hintergrund lauert, zaubert dieser Roman nahezu auf jeder Seite ein Lächeln auf die Lippen des Lesers.


Fazit

„Die Nacht, als Gwen Stacy starb“ erfreut den Leser mit einem phantastischen Road-Trip, einer berührende Lovestory und einer grandiosen Erzähltechnik, die trotz oder gerade wegen der Perspektiven- und Zeitwechsel begeistert. Sarah Bruni platziert jedes Storyelement an der richtigen Stelle und hält die Spannung konstant hoch. Ein wundervoller Roman über die seltsamen Wege der Liebe, über die Überwindung der Vergangenheit und den Einfluss von Kindheits-Helden – unbedingt lesenswert!


Pro & Contra

+ unkonventionelle, sympathische Protagonisten
+ grandiose Erzähltechnik
+ außergewöhnliche Metaphorik
+ lässt sich in einer Nacht weglesen
+ hohe emotionale Spannung
+ Einfluss von Spider Man

Wertung: sterne5

Handlung: 4/5
Charaktere: 5/5
Lesespaß: 5/5
Preis/Leistung: 4/5