Indigo - Das Erwachen (Jordan Dane)

indigo das erwachen

Darkiss (März 2014)
Taschenbuch, 368 Seiten, 10,99 EUR
ISBN: 978-3-95649-017-0

Genre: Mystery / Jugendbuch


Klappentext

"Ich will dich sehen, aber es ist zu gefährlich. Du darfst nicht nach mir suchen. Versprich es mir."
Als Rayne Darby die Nachricht ihres Bruders Luke auf ihrem Anrufbeantworter hört, ist sie völlig verwirrt. Überstürzt macht Rayne sich auf die Suche, bemerkt jedoch bald, dass sie verfolgt wird. In einem Tunnel sieht sie dann plötzlich ein blaues Licht, das von einem fremden Jungen ausgeht. Er hat die Arme ausgestreckt, die Lippen geöffnet in einem stummen Schrei – und ihre Verfolger ergreifen die Flucht.
Ihr Retter heißt Gabe – mehr gibt er nicht von sich preis. Er scheint jedoch zu wissen, wo Luke steckt …


Rezension

Seit dem Tod ihrer Eltern ist Raynes Familie zerrüttet: Ihre große Schwester hat den Bruder in die Psychiatrie einweisen lassen, woraufhin Rayne ausgezogen ist und den Kontakt meidet. Sie schlägt sich allein durch und ist eigentlich zufrieden, als plötzlich ihr Bruder Luke verschwindet. Er spricht Rayne eine seltsame Nachricht auf den Anrufbeantworter, in der er sagt, es sei zu gefährlich, sie zu sehen. Rayne ist besorgt und macht sich natürlich trotzdem auf die Suche, allerdings bemüht sie sich, ihrer Schwester aus dem Weg zu gehen. Denn es wird immer deutlicher, dass die Church of Spiritual Freedom, der ihre Schwester angehört, etwas mit Lukes schlechtem Geisteszustand zu tun hat. Deren Ärzte helfen ihrem Bruder nicht, sondern zerstören ihn nur. Also macht sich Rayne allein auf den Weg und wird bald von bewaffneten Mitarbeitern der Kirche verfolgt. Sie flüchtet sich in einen Tunnel, als sie einen Jungen bemerkt, der in blauem Flammen steht – vollkommen fasziniert beobachtet sie, wie dieser Junge, der sich ihr bald als Gabe vorstellt, ihre Verfolger mit seinen mystischen Kräften in die Flucht schlägt …

Parallel zu Raynes Suche begleitet der Leser Luke auf seiner Flucht. Ähnlich wie Gabe verfügt Luke über mystische Kräfte, die er jedoch bisher nie einsetzen konnte. Die Kirche seiner Schwester hat ihn in der Psychiatrie unter starke Medikamente gesetzt, deren Wirkung nur langsam nachlässt. Doch je mehr sich der Nebel in seinem Gehirn lichtet, umso mehr erkennt Luke das Potential, das in ihm steckt. Aus dem Stimmengewirr, das ihn anfangs begleitet, kristallisiert sich schließlich eine Stimme heraus – die eines Mädchens, das ihn zu einer Gruppe von sogenannten Indigokindern führt. Jungen Menschen, die alle wie Luke über seltsame Fähigkeiten verfügen. Und die ebenso von der Church of Spiritual Freedom gejagt werden …

Die Story wird zusätzlich auch aus Gabes Sicht, aus der Sicht des Mädchens, das Luke anleitet, und aus Sicht der Gegenspieler erzählt. Die vielen Perspektivenwechsel führen dazu, dass manche Erzählstränge zu lange unterbrochen werden. Das stört vor allem dann, wenn die Unterbrechungen Rayne und Gabe betreffen, doch insgesamt hat Jordan Dane die häufigen Wechsel gut umgesetzt. Es ist spannend zu lesen, wie die verschiedenen Charaktere die Situation jeweils anders bewerten und wie sich ihre Gefühle und Fähigkeiten entwickeln. Gabe macht dabei die größte Wandlung durch: Anfangs ist er sehr verschlossen und will Rayne so schnell wie möglich wieder loswerden. Er glaubt, dass sie ohne ihn viel besser dran wäre. Doch nach und nach öffnet er sich ihr, vor allem nachdem er erkennt, dass es andere wie ihn gibt und er ihnen helfen muss. Gabes Vergangenheit ist lange Zeit ein großes Mysterium, doch so dunkel, wie er sie selbst sieht, ist sie gar nicht.  

Dadurch dass Rayne Gabes Fähigkeiten mit eigenen Augen gesehen hat und ihn nach und nach besser kennenlernt, entwickelt sie auch mehr Verständnis für Luke. Sie erkennt, dass er nicht krank ist, sondern schlichtweg die Welt ganz anders wahrnimmt als sie. Und dass er besondere Fähigkeiten hat, die sie kaum begreifen kann und die ihr Angst machen. Doch indem sie Gabe langsam näherkommt, wächst in ihr der Glaube, dass sie Luke akzeptieren kann, wie er ist. Im Gegensatz zu ihrer Schwester, die vollkommen verblendet von ihrer Kirche ist. Nach dem Tod der Eltern war sie mit einem Problemkind wie Luke offenbar vollkommen überfordert und dachte, dass es das Beste sei, ihn in die Psychiatrie der Kirche einzuweisen. Dabei will oder kann sie nicht sehen, wie sehr die jungen Patienten gequält werden. Auch wenn man ihre Gründe nachvollziehen kann, ist man als Leser irgendwann genervt von so viel Ignoranz.

Die Gegenspieler sind klassische Bösewichte, teilweise mit einer perversen Freude daran, andere zu misshandeln. Die Personen aus dem Kreis der Kirche sind allesamt eiskalte Faschisten, die mit den Indigokindern experimentieren und sie danach töten wollen. Die Drecksarbeit für die Kirche wird von skrupellosen Söldnern erledigt, die auch nicht davor zurückschrecken, Kinder mit Granaten aus ihren Verstecken zu treiben. Todesopfer werden billigend in Kauf genommen. Sie verteufeln die Indigos ebenso wie die Anhänger der Kirche und betrachten sie als Psychofreaks und menschlichen Abschaum. Auch wenn die Handlungen der Antagonisten gut nachzuvollziehen sind, hätten ihnen etwas mehr Graustufen gut getan. Kein einziger reflektiert darüber, was er eigentlich anrichtet. Und so verkommen die Gegenspieler zu klischeehaften Bösen, denen die Protagonisten immer wieder mit knapper Not entkommen.

Die Kräfteverhältnisse sind relativ ausgeglichen und zum Ende hin erringen die Protagonisten einen Teilsieg, ohne den ein zweiter Band gar nicht möglich wäre. In diesem Punkt ist „Das Erwachen“ so vorhersehbar wie fast jeder Reihenauftakt des Genres, doch zwischendrin bietet Jordan Dane viele kleine Überraschungen, die neue Spannung reinbringen. Und am Ende gibt es einen Knall, der die Zeit bis Dezember, wenn der zweite Band erscheint, unendlich lang aussehen lässt. „Indigo“ ist als Paperback mit hübschem Cover erschienen und preislich im Vergleich zu vielen anderen Büchern ein Schnäppchen.


Fazit

„Indigo – Das Erwachen“ wird aus vielen Perspektiven erzählt, was Jordan Dane weitgehend gut gemeistert hat. So kann man die mysteriöse Geschichte von allen Seiten betrachten, auch wenn die Gegenspieler leider recht klischeehafte Bösewichte sind. Trotzdem bietet dieser Auftaktband viele spannende Ideen und einen lockeren Schreibstil, der die Seiten nur so dahinfliegen lässt. Bisher eine unterhaltsame Lektüre für zwischendurch, mit einer zarten Lovestory und viel Potential für die Folgebände.


Pro & Contra

+ sympathische, authentische Protagonisten
+ Gabes innere Wandlung
+ spannende Ideen
+ Mut zu vielen Perspektivenwecheln
+ lockerer Schreibstil

- klischeehafte, durch und durch böse Gegenspieler
- Potential teilweise verschenkt
- Unterbrechungen im Storyverlauf durch Perspektivenwechsel

Wertung: sterne3.5

Handlung: 3,5/5
Charaktere: 3,5/5
Lesespaß: 4/5
Preis/Leistung: 4/5