Aubrey Cardigan (03.08.2014)

Interview mit Aubrey Cardigan

aubrey cardiganLiteratopia: Hallo, Aubrey! Kürzlich ist der Auftaktband zu Deiner mysteriösen Jugendbuchreihe „Wings of Silence“ erschienen – was kannst Du uns über den Inhalt verraten?

Aubrey Cardigan: Das Genre ist Paranormal Romantasy. Normal ist (zumindest glaubt sie das) die 17-jährige Lia, wenn man davon absieht, dass sie nach einem Flugzeugabsturz blind und stumm ist. Paranormal sind aber – ohne dass sie es weiß -, ihre Großeltern, und zwar sowohl die indianischen väterlicherseits als auch die keltischen mütterlicherseits. Was sich zwischen Lia und dem geheimnisvollen Coel entwickelt, während die Großeltern ihre geheimnisvollen Pläne verfolgen, wäre dann die Romantasy. Lia & Coel sind ein wunderbares Traumpaar, finde ich. Vor allem weil sie – ohne es wirklich zu ahnen, über genau die Fähigkeiten verfügen, die die Großeltern sich erhoffen. Und da kommt dann das uralte Geheimnis ins Spiel … Ach, es ist so schwer, solche Fragen zu beantworten, ohne zu viel zu verraten! Vielleicht sollte man einfach den Klappentext lesen?

Literatopia: Wie kommt die blinde und stumme Lia in der Welt zurecht? Wie kann sie überhaupt mit anderen Menschen kommunizieren?

Aubrey Cardigan: Auch hier wieder das Problem: Wenn ich diese Frage beantworte, ist es für Leser, die das Buch noch nicht kennen, ein Spoiler. Vielleicht nur so viel: Coel und die Art, wie sie träumt, machen vieles möglich.

Literatopia: Fiel es Dir schwer, Dich in die dunkle und wortlose Welt von Lia hineinzudenken?

Aubrey Cardigan: Das war eine Herausforderung, aber so dunkel ist Lias Welt gar nicht. Das Reizvolle war, einen Roman aus der Ich-Perspektive zu schreiben, in dem die Protagonistin nicht mal eben Fragen stellen oder sich umsehen kann. Was sie von ihrer Umwelt wahrnimmt, muss über die anderen Sinne kommen. Es hat viel Spaß gemacht, das zu schreiben – gerade weil Lias Welt alles andere als dunkel ist. Selbst nicht in ihren dunkelsten Stunden.

Literatopia: Coel ist ein recht ungewöhnlicher Name – woher stammt er und was bedeutet er?

Aubrey Cardigan: Der Name kam mir einfach so und es ist mir wahrhaftig bisher nicht gelungen, herauszufinden, was er bedeutet oder woher er kommt, zumindest nicht in der Schreibweise. „Cole“ käme aus dem Altenglischen und bedeutet „Kohle“. Ich denke, wir sollten ihn einfach genießen, er gehört zu dem ruhigen, gut aussehenden Typ mit den ungewöhnlichen Fähigkeiten, der Licht in Lias Leben bringt.

Literatopia: Deine Beschreibung von „Wings of Silence“ klingt, als würde die Geschichte auf keltischer Mythologie basieren? Auf welche Mythen hast Du zurückgegriffen?

wings of silence1Aubrey Cardigan: Ich habe vor gefühlten Jahrhunderten in Wales studiert, die Mythologie geliebt und die keltische Sprache gelernt. Das Geheimnis, um das es in „Wings“ geht, geht aber viel weiter zurück als die keltische Mythologie und hat mit ihr, bzw. mit dem vergleichsweise Wenigen, was aus der oralen Kultur der Kelten überliefert ist (mit Ausnahme des Mabinogion und ähnlicher Quellen) im Grunde nichts zu tun. Das ist das Schöne an dichterischer Freiheit und Fantasie.

Mit ihr kann man so weit in der Geschichte zurückgehen, wie man möchte, und Antworten auf Fragen geben, vor denen die Wissenschaft kapitulieren muss. Dasselbe gilt für die indianische Mythologie in „Wings“. Das uralte Wissen, um das es geht, stellt sich dem Leser im Laufe der drei Bände immer mehr dar, es offenbart sich in dem Tempo, in dem Lia es versteht.

Literatopia: Die Cover zu den „Wings of Silence“-Romanen sind sehr speziell und ausdrucksstark. Wie gefallen sie Dir? Passen sie zum Inhalt?

Aubrey Cardigan: Die Cover kommen vom Verlag und könnten perfekter nicht sein für die Geschichte, die ich geschrieben habe.

Literatopia: Wie war bisher das Feedback zu „Wings of Silence“? Hast Du schon viele Lesermeinungen / Rezensionen erhalten?

Aubrey Cardigan: Stand heute, also 1.8.2014, gibt es 15 wunderbare Feedbacks als Rezensionen bei Amazon und ungezählte Mails an Aubrey. Ich bin ganz berührt, wie sehr den Leserinnen und Lesern die Geschichte gefällt. Wirklich, das hatte ich natürlich erhofft, wer tut das nicht? Aber wenn die Rückmeldungen so schön sind, wie man sie erwünscht hat, dann ist das das größte Kompliment, das man als Autorin bekommen kann.

Literatopia: Du hast Dich in die walisische Sprache verliebt. Was genau gefällt Dir an ihr?

Aubrey Cardigan: Es reizte mich damals ungemein, die rätselhafte Kultur der Kelten – nicht nur der Waliser – besser zu begreifen. Sie hat mich über alle Maßen fasziniert. Ich hatte immer das Gefühl, wenn ich die Sprache lerne, dann verstehe ich mehr von der alten Kultur, denn es ist die Sprache, die das Denken und Fühlen einer Kultur reflektiert. So haben die Inuit sieben Worte für weiß/weißen Schnee. Eine Differenzierung, die ich als Europäerin vielleicht gar nicht wahrnehmen könnte. Das ist nur ein Beispiel, das für viele alte Sprachen gilt, und ich wollte eben einen Einblick in diese so fremdartige Sprache bekommen. Es ist gut 30 Jahre her, dass ich sie studierte, und heute ist davon nicht mehr viel übrig. Bis auf die Liebe zu ihr. Und das Wissen, dass ich mit etwas Fleiß natürlich wieder reinkäme.

Literatopia: Du arbeitest auch als Übersetzerin. Welche Titel hast Du beispielsweise ins Deutsche übertragen? Und beeinflussen Dich die Übersetzungen manchmal beim Schreiben?

Aubrey Cardigan: Ich übersetze seit Jahren ausschließlich Sachtexte, und auch dort keine Bücher, sondern eher Artikel für Broschüren, Webseiten und dergleichen. Es würde mich aber sehr reizen, englische Romane ins Deutsche zu übersetzen. Dass mich das beim eigenen Schreiben beeinflussen würde, glaube ich allerdings nicht. Mich beeinflussen auch keine Manuskripte, die ich lektoriert habe, oder Bücher, die ich aus beruflichen oder privaten Gründen lese. Höchsten stilistisch, wenn mir ein besonders tolles Buch in die Hand fällt, das mich begeistert. Dann steigen meine Ansprüche ans eigene Schreiben wieder ein bisschen höher und ich strecke mich beim nächsten Buch noch mehr nach der Decke.

Literatopia: Hast Du vielleicht ein literarisches Vorbild? Oder schlichtweg ein Lieblingsbuch, das Du unseren Lesern ans Herz legen magst? Welche Genres liegen Dir am meisten?

wings of silence2Aubrey Cardigan: In meiner Freizeit lese ich am liebsten All Age Fantasy und stromere da durch alles, was mir unter die Finger kommt. Bin bekennender „Twilight“-, Kerstin Gier- und Kai Meyer Fan. Die Julian May Saga „The many-coloured land“ (Das vielfarbene Land) gehört zu meinen absoluten Lieblingsbüchern. In der Belletristik lässt sich das leider überhaupt nicht mehr festlegen, da lese ich schon beruflich sehr viel und bin immer wieder hingerissen. Krimis und Thriller sind nicht so meins, obwohl ich wenige Autoren so bewundere wie die, die in diesem Genre schreiben können. Ein Versuch meinerseits, das mal zu versuchen, führte zu zerschmettertem Geschirr – mich in einen Protagonisten so hineinzufühlen, wie ich das beim Schreiben mache, geht für mich in dem Genre einfach nicht. Die Mörder sind zu mies drauf. Also bleibe ich bei den Genres der humorvollen (Liebes-) Romane und der Fantasy.

Literatopia: Warum schreibst Du unter Pseudonym?

Aubrey Cardigan: Das hat mit dem Genre-Wechsel zu tun und ist nichts Ungewöhnliches. Unter meinem Realnamen bin ich quasi gebucht für Leser ab 30, und für dieses Jugendbuch – das zwar auch All Age anspricht, aber dennoch ein Jugendfantasy ist – wollten der Verlag und ich mit einem neuen Namen an den Start.

Literatopia: Was hältst Du eigentlich von eBooks? Genießt Du den Vorzug, immer hunderte Bücher dabei haben zu können? Oder geht nichts über das Gefühl, echtes Papier in den Händen zu halten?

Aubrey Cardigan: Ich habe einen Kindle und liebe ihn. Und ich verdiene als Autorin mit E-Books Geld. Da ich zweisprachig bin, lese ich was ich kann im englischen Original, da sind die E-Book oft deutlich billiger als die deutschen. Und ich lade mir viel Sekundärliteratur auf den Kindle, wenn ich recherchiere. Wofür ich kein Verständnis habe, ist der illegale Download auf den Schurken-Plattformen, die E-Books für ein paar Cent anbieten. Ich kann nicht begreifen, dass Kunden dort ihre Kreditkartennummern hinterlegen, es ist schließlich bekannt, dass diese Plattformen mit Angeboten locken, um dann mit den Kundendaten Geld zu machen.

Aber zurück zur Frage: Ich habe eine ansehnliche Bibliothek. Bücher, die ich liebe und immer wieder lese, gönne ich mir als Print. Da will ich nicht eines Tages dastehen und sie nicht mehr lesen können, nur weil das E-Book System nicht mehr läuft (*zwinker*: Endzeitszenario) oder eben mein Reader kaputt geht. Ganz tief in mir traue ich dem System vielleicht einfach doch noch nicht. Aber solange es funktioniert: gerne auch mit mir und meinen Büchern. Aber wie gesagt: nur fairer Einkauf.

Literatopia: Wie und wann hast Du Deine Liebe zum geschriebenen Wort entdeckt? Und schlummern viele Manuskripte in Deiner Schublade?

Aubrey Cardigan: Meine Liebe zum geschriebenen Wort entdeckte ich früh und damit erfülle ich ein weit verbreitetes Klischee, das mich mit vielen anderen Autoren verbindet. Wenn ich sage ich schreibe, seit ich schreiben kann, dann muss man das wörtlich nehmen. Ich habe ordnerweise schriftliche Ergüsse aus der Kindheit und Jugend, eins unlesbarer als das andere (handwerklich gesehen), aber dennoch bezaubernd und wirklich sehr originell zum Teil. Dazu dreißig Tagebücher oder mehr, vollgeschrieben von der ersten zur letzten Seite, zum Piepen witzig teilweise. In meiner wissenschaftlichen Zeit veröffentlichte ich eben wissenschaftliche Texte. Dann gibt es ungezählte Kurzgeschichten und Gedichte, die ich sogar im Auftrag für andere schrieb (Gebrauchslyrik).

1998 schrieb ich den ersten Roman und 2009 den zweiten. Ich hielt mich (wie viele andere auch) mit meinen Werken natürlich für hochgradig nobelpreisverdächtig, aber ich war die Einzige. 2010 habe ich mich dann endlich mal ums Handwerkliche gekümmert und da ging von Workshop zu Workshop ein neues Licht auf. Als unter meinem Realnamen 2010 der erste Roman das Licht der Welt erblickte, wurde er gleich für einen Literaturpreis nominiert. Die beiden Vorversuche aus den Jahren 1998 und 2009 sind jedoch irreparabel Schrott, und sie werden genau dort bleiben, wo sie sind: in der Schublade. Alles andere findet inzwischen mit relativer Leichtigkeit den Weg zur Veröffentlichung. Gott sei Dank.

wings of silence3Literatopia: Wie sieht ein typischer Schreibtag bei Dir aus? Hast Du feste Zeiten und vielleicht Rituale, die Dir beim Schreiben helfen? Oder gehörst Du zu denen, die immer und überall schreiben, wenn sich eine Gelegenheit bietet?

Aubrey Cardigan: Das „immer und überall schreiben“ hat aufgehört, als die Veröffentlichungen begannen. Ich habe immer ein Notizbuch dabei und notiere gute Ideen, und wenn ich mit dem Zug unterwegs bin, dann plotte ich auf Teufel komm raus, weil ich vor Romanideen überlaufe, aber das wars auch schon. Es erscheint jedes Jahr ein Buch, bald könnten es zwei im Jahr sein, da konzentriere ich das reine „Schreiben“ auf diese Bücher. Die Vorarbeiten gehen im Kopf über Monate, und wenn es dann soweit ist und das Buch raus will, dann gibt es kein Halten.

Dann setze ich mich hin und schreibe eine Woche lang Tag und Nacht. Wörtlich zu verstehen. Bis die Geschichte im PC ist. Und dann geht’s ans Überarbeiten, das ist dann wieder der „normale“ Alltag. Das einzige Ritual, das mir einfällt, ist, dass jedes Buch sein Lied hat. D.h. ich höre non-stop über Kopfhörer beim Schreiben immer und immer und immer wieder das eine Lied. Buchstäblich Hunderte von Male. Das hilft mir, im richtigen Tempo und in der richtigen Stimmung zu bleiben.

Literatopia: Welches Lied hast Du bei „Wings of Silence“ gehört?

Aubrey Cardigan: Empire of the sun: “We are the people“

Literatopia: Was inspiriert Dich beim Schreiben?

Aubrey Cardigan: Das Leben in all seinen Facetten. Klingt platt, aber genauso ist es.

Literatopia: Gibt es schon Pläne für die Zeit nach „Wings of Silence“? Oder konzentrierst Du Dich voll und ganz auf Lia und Coel?

Aubrey Cardigan: Ich habe gerade ein Manuskript fertiggeschrieben, das unter meinem Realnamen erscheinen soll, nun wird es bald an „Wings 2“ gehen. Dann wird es wieder ein anderes geben, und dann „Wings 3“. Was danach kommt, das weiß ich nicht, aber Aubrey wird sicher diesem Genre treu bleiben. dafür hat es einfach zu viel Spaß gemacht, mal alle Grenzen hinter sich zu lassen und zu fliegen.

Literatopia: Herzlichen Dank für das Interview, Aubrey!


Autorenfoto: Copyright by Fotostudio Senftler

Autorenhomepage: http://aubrey-cardigan.de


Dieses Interview wurde von Judith Gor für Literatopia.de geführt. Alle Rechte vorbehalten.