Die Überlebenden- Band 1
Goldmann Verlag, 1. Auflage, August 2014
Broschur, 544 Seiten
OT: The Darkest Minds
aus dem Amerikanischen von Marie-Luise Bezzenberger
12,99 Euro [D] | € 13,40 [A] | CHF 18,90*
ISBN-13: 978-3-442-47908-5
Genre: Mystery / Dystopie
Klappentext
Sie ist eine Überlebende und soll deshalb getötet werden.
Doch sie hat nicht überlebt, um zu sterben. Sondern um zu kämpfen!
Ruby hat überlebt. Doch der Preis dafür war hoch. Sie hat alles verloren: Freunde, Familie, ihr ganzes Leben. Weil sie das Virus überlebt hat. Weil sie nun eine Fähigkeit besitzt, die sie zur Bedrohung werden lässt, zu einer Gefahr für die Menschheit. Denn sie kann die Gedanken anderer beeinflussen. Deshalb wurde sie in ein Lager gebracht mit vielen anderen Überlebenden. Deshalb soll sie getötet werden. Aber Ruby hat nicht überlebt, um zu sterben. Sie wird kämpfen, schließlich hat sie nichts zu verlieren. Noch nicht …
Die Autorin
Alexandra Bracken wuchs im US-Staat Arizona auf. Nach ihrem Studium am „College of William & Mary“ in Virginia zog es sie nach New York City, wo sie derzeit lebt und arbeitet. Ihren ersten Roman schrieb sie schon während des Studiums als Geschenk für eine Freundin. Die Liebe zu Büchern hat sie aber nicht nur dazu gebracht, selbst zu schreiben. Sie arbeitet außerdem bei einem großen amerikanischen Buchverlag und hat jederzeit eine Buchempfehlung parat.
Rezension
Eine mysteriöse Krankheit sucht die USA heim. Kinder zwischen 8 und 17 sterben auf unerklärliche Weise. Ruby ist in der vierten Klasse als es beginnt. Mitten im Satz kippt eine Klassenkameradin in der Mittagspause einfach um. Innerhalb eines Jahres ist der Großteil ihrer Klasse verschwunden und Ruby die einzig Überlebende ihrer Straße. Wie alle Eltern leben auch Rubys Eltern in einem Netz aus Angst und Sorge. Als dann Rubys 10. Geburtstag vor der Tür steht, gerät die Familie über die Party in Streit, da Rubys Vater eine Feier für unangebracht hält, die Mutter aber unter den gegebenen Umständen nicht feiern will. Dementsprechend begeht Ruby den nächsten Morgen in einiger Aufregung. Doch der Tag hält Schlimmeres bereit als eine ausgefallene Party. Am Ende findet sich das Mädchen in einem überfüllten Bus inmitten anderer Kinder wieder. Gefesselt und von bewaffneten Soldaten bewacht. Ihr Ziel ein Lager. Dort werden die Kinder in Gruppen eingeteilt, denn wer nicht an der Krankheit stirbt, erhält seltsame, neue Fähigkeiten. Je nach Fähigkeit werden die Kinder unterschiedlich behandelt, Ruby besitzt die Gabe, Gedanken lesen und manipulieren zu können, und wäre somit Orange. Als sie aber sieht, wie die Orangenen geknebelt und in Ketten gefesselt durch das Camp getrieben werden, versucht sie alles, um sich in eine der anderen Gruppen einstufen zu lassen. Nach sechs Jahren in dem Lager gelingt ihr mit Hilfe der Childrens League die Flucht. Aber auch die League hat eigene Interessen und so rennt Ruby erneut davon, um ihren Platz in dieser neuen, dunklen Welt zu finden, in der Kinder gefürchtet und gejagt werden …
Mit dieser Inhaltsangabe hat man noch nicht mal das erste Viertel von Die Überlebenden abgedeckt. Denn Alexandra Bracken kreiert hier eine vielschichtige, handlungsreiche Geschichte wie man sie selten sieht. Aus der Sicht Rubys erlebt der Leser die Schrecken dieser neuen Welt, von der kindlichen Unverständnis über die katastrophalen Zustände im Lager bis zur schmerzlichen Selbstfindung in Freiheit. Insgesamt ist es eine sehr zerstörte Welt, in der Mitgefühl und Liebe kaum noch Platz zu finden scheinen. Ebenso kaputt ist auch Ruby, die die letzten sechs Jahre ihres Lebens in einem Lager zugebracht hat, das an ein deutsche KZs erinnert. Die Hütten sind marode und nicht isoliert, die zum Schweigen verdammten Kinder werden ausgebeutet und misshandelt. Auch Experimente finden statt und Schlimmeres. Aber in Freiheit sieht es kaum besser aus. Knapp 98% aller Kinder der USA sind tot, neue Geburten verboten und die Wirtschaft zusammengebrochen. Kein Wunder also, dass sich die verzweifelten Menschen als Kopfgeldjäger der entflohenen Kinder verdingen. Wer nicht jagt, hat sich vor Angst Zuhause verkrochen, randaliert oder schließt sich einer der Rebellengruppen an. Dass diesen nicht immer zu trauen ist, muss Ruby allerdings sehr schnell nach ihrer Rettung erfahren. So bleiben am Ende nur andere Kinder und Jugendliche als Verbündete. Davon trifft Ruby einige. Aber ist diesen wirklich zu trauen?
Neben der Geschichte sind die Charaktere die wahre Stärke von Die Überlebenden. Bracken schafft es, durch winzige Details ihren Figuren Leben einzuhauchen. Vorneweg besticht die leidgeprüfte Ruby, die man aufgrund ihrer Geschichte, aber auch auf Basis ihrer Selbstzweifel und Ängste am liebsten nur in den Arm nehmen möchte, um sie vor allem Übel zu bewahren. Aber auch die Gruppe um Ruby schließt man schnell ins Herz, sei es die stumme Zu, die ihre Hände in großen gelben Gummihandschuhen versteckt, der mürrische Chubs, der im Versuch, seine Gruppe zu schützen, nicht davor zurückschreckt, sich mit Kopfgeldjägern anzulegen oder Liam, der am liebsten alle Kinder aus allen Lagern dieser Welt befreien möchte. Bracken verzichtet in ihrem Charakteraufbau komplett auf banale Informationsblöcke. Vielmehr entfaltet sich jede Figur im Laufe der Geschichten, erhält nicht nur Gesicht, sondern auch Geschichte und vor allem Entwicklung. Diese Sorgfalt kommt auch den kleineren und größeren Nebencharakteren zu Gute, wobei die Vielfalt der menschlichen Abgründe ein erschreckendes Bild zeichnet.
Erschreckend ist sowieso das Stichwort dieses Buches. Trotz, oder gerade wegen der gelungenen Geschichte, die die Autorin hier erzählt, graut es einem vor dieser düsteren Welt, in der Kinder aus Angst und Geldsucht gejagt, gefoltert und sogar hingerichtet werden. Dies ist auch Brackens Blick für Details und der gelungenen Übersetzung geschuldet. Der Leser fegt geradezu über die Seiten, angetrieben von dem Drang zu erfahren, was es mit dem Flüchtling, dem versprochenen Retter, auf sich hat. Durchatmen kann man nur selten, in einem dieser kurzen Momente der Ruhe, wenn die Gruppe einen sicheren Hafen gefunden hat. Wie so oft im Leben ist solche Ruhe jedoch trügerisch. So darf man sich auf zahlreiche Wendungen freuen.
Gäbe es etwas für mich zu bemängeln, dann wäre das Ende, das an sich zwar authentisch zur Geschichte ist, mich persönlich aber nicht befriedigt hat. Aber zum Glück handelt es sich bei Die Überleben um eine Trilogie, so dass auch ich mich noch auf ein „Happy End“ für Ruby freuen kann.
Fazit
Die Überlebenden – das sind Kinder wie Ruby, die eine tödliche Krankheit überlebt, nun aber mit einer Fähigkeit bedacht worden, die sie in die Ausgrenzung treibt. Als ihr endlich die Flucht aus einem der Konzentrationslager und somit aus jahrelanger Folter gelingt, findet sie ihr Land in Trümmern, die Menschen erstarrt vor Angst oder blind in ihrem Hass. Mit Hilfe eines sympathischen Trios versucht sie, den Flüchtling zu finden, um endlich ihre gefährliche Gabe zu meistern, die ihr ein Miteinander mit anderen Menschen unmöglich macht. Alexandra Bracken gelingt hier eine spannende Vision, voller dunkler Momente, Augenblicke zum Lachen und Weinen. Spannend und packend von der ersten bis zur letzten Seite – ein echter Pageturner, der Lust auf mehr macht!
Pro/Contra
+ spannende Geschichte
+ Design der Welt und Charaktere
+ Stil
+ gelungener Mix aus Action und Gefühl
+ locker eingeflochtene Liebesgeschichte
o Ende
Bewertung:
Charaktere: 5/5
Handlung: 5/5
Lesespaß: 5/5
Preis/Leistung: 5/5