Flügel aus Asche (Kaja Evert)

Verlag: Knaur (Mai 2013)
Taschenbuch, 448 Seiten, € 8,99
Sprache: Deutsch
ISBN-13: 978-3426511961

Genre. Fantasy


Klappentext

Seit langer Zeit herrscht der Kaiser der fliegenden Stadt Rashija mit harter Hand über sein Reich. Der junge Adeen arbeitet als niederer Schreiber in der Stadt und muss die Schikanen der höhergestellten Magier ertragen. Als er eines Tages mit einer Gruppe von Rebellen in Kontakt kommt, ist Adeen sofort Feuer und Flamme. Er ahnt nicht, dass er in eine Auseinandersetzung geraten wird, in der er eine entscheidende Rolle spielen soll. Denn nur Adeen kann den Aschevogel beschwören, ein Wesen von unheimlicher Schönheit und einzigartiger Stärke. Der Kampf um Rashija und um die Freiheit hat begonnen.


Rezension

Der junge Adeen hat kein einfaches Leben. Als Kind einer ungesetzlichen Liaison ist er automatisch ein Außenseiter, wegen seiner Fähigkeiten als Schreiber gerade so geduldet, darüber hinaus jedoch verachtet und schikaniert. Seine eigentliche Neigung, die Malerei, kann er nur im Verborgenen ausüben, denn auch die Kunst gehört zu den zahlreichen verbotenen Dingen in der fliegenden Stadt Raphia. Als er zufällig über eine Gruppe von Rebellen stolpert, schließt er sich kurzerhand an - ohne zu ahnen, dass er im Kampf um die Freiheit eine wesentliche Rolle spielen wird ...

Liest man die Inhaltsangabe und die ersten Seiten, scheint Kaja Everts Erstlingswerk über all das zu verfügen, was das Herz eines Fantasyfans höher schlagen läßt: Einige frische Ideen und Denkansätze im Genre, ein sympathischer Protagonist, dessen Schicksal interessant genug klingt, um mehr von ihm erfahren zu wollen, ein komplexes Herrschafts- und Weltengefüge, flotte Action und alles dargereicht in einem zwar einfachen, aber klar zu lesenden Schreibstil.
Unglücklicherweise ist es der Autorin nicht wirklich gelungen, das von ihr erschaffene Potenzial dann auch auszunutzen und umzusetzen, vielmehr wurden beinahe all die vielversprechenden Ansätze und Entwicklungsmöglichkeiten zu lieblos abgehandelt beziehungsweise kamen nicht richtig zum Tragen.
So gibt es ein neues Magiesystem, das hochinteressant klingt und über dessen Hintergründe man gerne mehr erfahren würde - doch ausführlich erklärt wird es nicht. Oder die fliegende Stadt, die von oben aus den Erdboden beherrscht - wie funktioniert das eigentlich genau? Was hat es mit den unterschiedlichen Personengruppen auf sich, was sind ihre jeweiligen Weltanschauungen und so weiter. Als Leser möchte man das alles entdecken dürfen, möchte staunen können und sich überraschen lassen, doch diese Möglichkeiten, die einen großen Reiz in der Fantasyliteratur ausmachen, wurden hier im Keim erstickt. Stattdessen findet man sich sehr schnell im typischsten aller Fantasysettings wieder: Junger, unbedarfter Bursche mit besonderen Fähigkeiten zieht aus, um Mißstände zu bekämpfen und die Welt zu retten und kehrt als Held zurück. Gerade weil die Quest & Krieger - Thematik, bei der sich die Handlung im Grunde mit fünf Sätzen zusammenfassen läßt, in der Fantasy schon extrem stark strapaziert wurde, ist das Drumherum und seine Darreichungsform um so wichtiger. Hier entscheidet sich, ob die Story als neue Facette im Genre, oder eben nur als weiterer Klon von zigmal Dagewesenem wahrgenommen wird. ‚Flügel aus Asche‘ hätten ohne Weiteres das Zeug zu Ersterem gehabt, hat sich dann aber offenbar nicht getraut, die neu angelegten Gleise auch zu befahren.

So driftet die Handlung nach einem vielversprechenden Start mit Volldampf ab in die Vorhersehbarkeit ab. Alles entwickelt sich geradlinig, es existieren keine Nebenhandlungen und nicht einmal die zahlreichen Actionszenen können darüber hinwegtrösten, dass es praktisch keine Überraschungen gibt.
Auch die Charaktere präsentieren sich nicht optimal, sie haben kaum Tiefe, handeln nicht immer nachvollziehbar und oft bleiben ihre Beweggründe im Dunkeln. Wirklich starke Persönlichkeiten sind nicht darunter.Teilweise kommen sie aus völlig unterschiedlichen sozialen Schichten, und doch verwenden sie alle denselben Vokabel- und Ausdruckspool. Dadurch entsteht eine Art von Nivellierung, die die vor Spritzigkeit sowieso schon nicht gerade überbordende Dialogführung zusätzlich belastet.
Adeen, der Protagonist, ist trotz alledem ein sympathischer Junge, den man mögen kann. Nur die Liebesgeschichte, die sich dann entwickelt, erscheint extrem unmotiviert. Gegen eine solche Entwicklung an sich ist auch in der Fantasy nichts einzuwenden; sie kann ein tolles Mittel zur weiteren Persönlichkeitsentfaltung innerhalb der Story sein und der Sache einen extra Kick geben. Allerdings sollte der Leser das Gefühl haben, dass die beteiligten Figuren zusammenkommen, weil eine gegenseitige Anziehung besteht - und nicht, weil lediglich der Autor es so haben will. In diesem Fall schaut man sich die gezwungen wirkenden Aktionen von Talanna und Adeen mehr oder weniger kopfschüttelnd an und fragt sich, was die beiden eigentlich aneinander finden und voneinander wollen. Obwohl es nur eine sehr dezente Lovestory ist, sie passt weder zur Handlung noch zu den Charakteren und wirkt einfach nur fehl am Platz.

Eine Fortsetzung des Romans ist nicht geplant, was beinahe ein wenig schade ist; denn ein Folgeband böte jede Menge Raum für die hier fehlenden Erklärungen und Hintergründe. Vielleicht wird es ja doch noch ...


Fazit

Trotz sehr guter Ansätze hat die Autorin offenbar der Mut verloren, eigene Ideen konsequenter zu verfolgen und neue Wege einzuschlagen, frische Ideen werden zwar angerissen, verlaufen dann aber im Sande. Die Charaktere bleiben flach, die Umgebung steril und die Hintergründe zu nebulös. Die Erzählung wirkt deswegen insgesamt zu oberflächlich, zu vorhersehbar und zu durchschnittlich und vermag den Leser leider kaum mitzureißen.


Pro & Kontra

+ gelungener Beginn
+ neue Form von Magie
+ interessantes Welt- und Herrschaftsgefüge
+ flüssig erzählt und anschaulicher Schreibstil
+ sympathischer Protagonist

o gradlinige Erzählung ohne Nebenstränge
o hohes Erzähltermpo

- Hintergründe hätten ausführlicher behandelt werden können
- kaum überraschende Entwicklungen
- viel verschenkte Spannung weil zu vorhersehbar
- Beschreibungen etwas mager
- Charaktere farblos und zu undifferenziert
- sie handeln zu oft nicht nachvollziehbar
- wenig inspirierte Dialogführung
- unglaubwürdige Lovestory

Wertung:

Handlung:        2/5
Charaktere:      2/5
Lesespaß:        2,5/5
Preis/Leistung: 3,5/5