Gabriele Ketterl (05.10.2014)

Interview mit Gabriele Ketterl

gabriele ketterlLiteratopia: Hallo, Gabriele! Erzähl uns Doch zuerst ein wenig über Dich. Wer bist Du und was schreibst Du?

Gabriele Ketterl: Wer ich bin? Das ist gar nicht so leicht zu beantworten. Ich bin ein stets von Fernweh geplagtes, südländisch orientiertes und daher dauerfrierendes Wesen. Vor langer Zeit habe ich in München Theaterwissenschaften und Amerikanistik studiert, um dann sofort für zwei Jahre auf die Kanaren zu verschwinden. Mittlerweile lebe ich seit über zwanzig Jahren wieder in München, habe zwei Söhne (18 und 12), probiere gerne Rezepte aus fernen Ländern aus (mit wechselndem Erfolg) und treibe mich liebend gerne auf Mittelaltermärkten herum.

Seit ich klein war, spukten in meinem Kopf so viele Geschichten herum, dass ich irgendwann einfach anfangen musste zu schreiben – die Figuren wollten raus!

Derzeit schreibe ich hauptsächlich Fantasyromane und hier vor allem Vampirgeschichten. Dafür, dass ich früher nie Vampirstories schreiben wollte, bin ich nun mit einer Trilogie (Oldigor, Venetian Vampires) und einer Dilogie (Bookshouse, Tyne – Liebe ohne Morgen) ganz gut dabei.

Literatopia: Letzten Herbst ist mit „Kinder der Dunkelheit“ der erste Band Deiner Vampir-Trilogie „Venetian Vampires“ erschienen. Was kannst Du uns darüber verraten?

Gabriele Ketterl: Mir war wichtig, dass es wieder etwas Neues ist. Ich wollte neue, geschichtlich basierte Vampire entwickeln. Daraus wurde die Trilogie, bei der in jedem Band einer der sechs Hüter – samt seiner Geschichte -  vorgestellt wird. Band 1 wurde Luca de Marco gewidmet, Band 2 Angel Cruz Trujillo und Band 3 wird meinem „dunklen“ Helden Stefano Borello gehören. Gemeinsam mit der des jeweiligen Hüters wird die Geschichte der „Kinder der Dunkelheit“ und weiterer Mitglieder der „Familie“ erzählt.

Das Lustige ist, dass es die Vampire allesamt nie gegeben hätte, wäre mir nicht eines Tages vor ziemlich genau vier Jahren am Lago di Garda ein dermaßen bildschöner Mann über den Weg gelaufen, dass meine Fantasie gar keine Chance mehr hatte. Binnen zehn Minuten erwachte in meinem Kopf der Älteste Raffaele zum Leben. Ich konnte mich nicht mehr wehren.

Literatopia: „Venetian Vampires“ beginnt nicht in Venedig, sondern in Andalusien. Was spielt sich dort ab und wie wichtig sind die Ereignisse für den Verlauf der Geschichte?

venetian vampires1Gabriele Ketterl: Band 1 erzählt die Geschichte von Luca, der in seinem Leben als Mensch Mohammed al Hassarin hieß. Der Beginn von „Kinder der Dunkelheit“ fällt mitten in die Zeit der sogenannten spanischen „Reconquista“, ausgehend von Kirche und Königshaus.

In einer wahren Hexenjagd wurden damals die Mauren, die aus Andalusien erst das blühende Land gemacht hatten, das es zu jener Zeit war, von dort vertrieben. Wer nicht beizeiten das Land verließ, wurde getötet. Folter und Mord waren an der Tagesordnung.

Mohammed/Luca wird zu einem der Opfer dieser dunklen Tage. Dieses grauenvolle Erlebnis prägt sein ganzes weiteres Dasein. So wie auch die anderen Kinder der Dunkelheit, verabscheut er sinnloses Morden, ebenso wie geldgierige, korrupte Obrigkeiten.Was sein Leben auf und in dieser Welt nicht gerade leicht macht.

Literatopia: Warum hast Du Venedig als Hauptschauplatz Deiner Geschichte gewählt? Was reizt Dich persönlich an der versunkenen Stadt? Warst Du schon einmal (mehrmals) dort?

Gabriele Ketterl: Venedig ist die Stadt meiner Träume. Seit ich das allererste Mal in dieser wundervollen Stadt war, hat sie mich nie mehr losgelassen. Wenn du dort ankommst und es dir gelingt alles andere – also die Touristenmassen, die gigantischen Kreuzfahrtschiffe usw. - auszublenden, dann siehst du nur die eindrucksvolle Piazza San Marco, du siehst die uralten, wunderschönen Türme die ihre Zinnen in den Himmel strecken und du fühlst die Geschichte und riechst das Meer.

Wenn du dann noch bei Sonnenuntergang durch die engen Gassen läufst und dabei ab und an deine Hände und Ohren an die Mauern der antiken Palazzi legst, dann hörst du die Stimmen der Vergangenheit flüstern. Jedes Gebäude, jeder Erker, jedes Türmchen – sie alle erzählen dir etwas Anderes. Oder um es kurz zu machen – ich liebe Venedig! Daher ist es kein Wunder, dass ich meine schönen, edlen Vampire genau dort leben lasse und ich besuche sie jedes Jahr.

Literatopia: Dein Vampirbild baut auf einer ganz eigenen, uralten Mythologie auf und zwar der der „Kinder der Dunkelheit“. Woher stammen sie? Und inwiefern unterscheiden sie sich von dem klassischen / dem Jugendbuch-Vampirbild?  

Gabriele Ketterl: Meine Vampire haben ihren Ursprung einer Zeit, die heute bei den Meisten leider in Vergessenheit geraten ist. In Persien (dem heutigen Iran), unter der Herrschaft von König Dareios II, wagen sie es zum ersten Mal, sesshaft zu werden. Dessen Nachfolger Dareios III, lernt ihre Fähigkeiten und Heilkünste zu schätzen und sie erhalten die Möglichkeit unbehelligt dort zu leben.

venetian vampires2Der „Großfürst“ der Kinder der Dunkelheit, Xerxes, kommt ursprünglich aus der Gegend des heutigen Irak. Denn wenn man den alten Sagen Glauben schenken darf, so war der Ursprung der Legende über die „Kinder der Dunkelheit“ genau zwischen den Flüssen Euphrat und Tigris, wo die Christen später dann per biblischer Verfügung ihren Garten Eden angesiedelt haben.

Meine Vampire unterscheiden sich grundlegend von den stets blutjungen Hollywood-Vampiren. Sie sind zum Teil schon bei ihrer Wandlung zwischen dreiundzwanzig und dreißig Jahren alt. Die „Ältesten“ und „Fürsten“ der einzelnen Clans, die als Vampire geboren wurden, stammen aus Zeiten, in denen noch kein elektrischer Strom und keine Autos existierten. Sie verfügen über einen ausgesprochen ausgeprägten Sinn für Gerechtigkeit.

Eines der schönsten Komplimente für meine Venezianer war: „Wenn man es in Geschichte nicht anders gelernt hätte – es könnte wirklich so gewesen sein. Es klingt total logisch.“

Ich liebe es, die Geschichte umzuschreiben.

Literatopia: Du schreibst auch Kurzgeschichten wie zum Beispiel „Das Elfenbuch“ im neunten Band der „Kaffeepausengeschichten“. Worin siehst Du die Schwierigkeit einer guten Kurzgeschichte?

Gabriele Ketterl: Die größte Schwierigkeit ist es, eine Unmenge an Ideen und Handlungssträngen so zu bündeln, dass eine gute, spannende und eingängige Geschichte daraus wird. Also schreiben und dann grob geschätzt hundert Mal kürzen. Sinn und Inhalt einer Story müssen heraus gearbeitet werden und zwar so, dass man es schafft, den Leser sofort mit auf die Reise zu nehmen. Die Chance einer langen, erklärenden Einleitung tendiert bei einer Kurzgeschichte quasi gegen Null. Wenn der erste Abschnitt nicht passt, hast du schon verloren.

Literatopia: Auf deiner Homepage stellst Du Projekte vor, die mit dem Vermerk „weitere Informationen bitte über meine Agentur anfordern“ versehen sind. Richten sich diese Texte vor allem an Verlage, um sie zu verwirklichen?

Gabriele Ketterl: Ja, auf jeden Fall. Meine Agentin Alisha Bionda kennt alle meine Ideen. Dank ihrer Erfahrung, weiß ich, welche Projekte große Chancen auf dem Markt haben und welche eher schwer zu vermitteln sind. Daher behalten wir uns die meisten Informationen erst mal für uns und wenn ein Verlag Interesse zeigt, dann kann Alisha das für ihn Passende anbieten. „Shilo“ ist beispielsweise ein Fantasy-Historiendrama, angesiedelt zur Zeit des amerikanischen Bürgerkrieges. Kein leichter Stoff, aber wenn es denn mal zwischen Buchdeckeln landet, sicher für so manche Überraschung gut.

Nun ja, und für „Pforten der Dunkelheit“ wäre ich noch vor zweihundert Jahren wahrscheinlich auf dem Scheiterhaufen gelandet – aber egal, ich mag's ja warm!

Literatopia: Wie lange dauerst es bei Dir durchschnittlich von der ersten Idee bis zum fertigen Roman? Gehörst Du zu jenen, die diszipliniert täglich mehrere Stunden schreiben oder schreibst Du eher überfallartig und dann ganze Nächte hindurch?

GabyfloneuGabriele Ketterl: Mittlerweile dauert es etwa zwei Wochen, bis der Plot in meinem Kopf Form annimmt und dann sechs Monate zum fertigen Buch. Ich habe einen festen Schreibtag in der Woche an dem ich dann schon mal bis zu siebzehn Seiten schaffe, ansonsten schreibe ich wann ich Zeit finde. Leider kann ich noch nicht vom Schreiben leben, daher habe ich einen festen Job, dann noch meine Jungs, Haus, Garten, Freunde, Sport...

Für diese Voraussetzungen bin ich mit sechs Monaten recht zufrieden. Noch dazu, da ich ja irgendwie immer wieder bei über fünfhundert Seiten lande. Selbst wenn ich es wirklich versuche, ich komm einfach nicht drunter. Meine Geschichten brauchen Platz und meine Protas sind höchst eigenwillig.

Literatopia: Wie hast Du Deine Leidenschaft für das geschriebene Wort entdeckt? Und wann hast Du das erste Mal selbst zur Schreibfeder gegriffen?

Gabriele Ketterl: Sehr früh. Schon in der ersten Klasse habe ich mir einen Ausweis für die örtliche Bücherei besorgt. Die Damen dort kannten mich bestens und wunderten sich über gar nichts mehr. Während die anderen Hanni und Nanni ausliehen, wuchtete ich den „Lederstrumpf“ auf den Tresen.

Meine erste Kurzgeschichte habe ich in der dritten Klasse geschrieben, als eine Lehrerin, die ich sehr mochte, schwer krank geworden ist. Warum ich ihr ausgerechnet eine Gruselgeschichte geschrieben habe, weiß ich allerdings nicht mehr. Ob sie zu ihrer Genesung beigetragen hat, kann ich nicht sagen, aber sie fand sie laut eigener Aussage prima, mit der Einschränkung, dass sie sich seither im Dunklen fürchten würde. Ich habe mich damals entschlossen, das mal als Kompliment zu sehen. Meine Aufsätze waren legendär. Wenn sich niemand freiwillig zum Vorlesen meldete, dann hieß es jedes Mal: „Na, dann liest eben die Gaby.“

Literatopia: Was liest Du persönlich gerne? Welche Genres haben es Dir angetan? Und hast Du vielleicht einen Lieblingsautor oder ein Lieblingsbuch?

Gabriele Ketterl: Historienromane mag ich sehr, vor allem, wenn Zeit, Land und Leute gut recherchiert sind. Hier hat mich in der letzten Zeit „Am Ufer des goldenen Flusses“ von Isabel Beto sehr begeistert. Unerreicht für mich ist und bleibt „Wuthering Heights“ von Emily Bronte, das Buch habe ich wohl schon zehn Mal gelesen. Ich liebe Heathcliff!
Sehr gerne lese ich auch die  Bücher von Jane Austen, „Stolz und Vorurteil“ ist hier mein Liebling – ich sag nur: Mr. Darcy!

vetenian vampires3Literatopia: Du hast zwei Jahre auf den Kanaren gelebt. Was hat Dich dorthin gezogen und wie prägend war diese Zeit rückblickend für Dein Leben und Deinen Kurzroman „Mitternachtsflut“?

Gabriele Ketterl: Mit vierzehn war ich das erste Mal auf den Kanaren und habe mich dort sofort zuhause gefühlt. Mit dreiundzwanzig habe ich dann die Koffer für zwei Jahre gepackt. Ich hatte in meiner Kindheit und Jugend eine überdurchschnittlich strenge Erziehung, daran habe ich lange Zeit böse geknabbert. Hier in Deutschland war das alles ständig um mich, dort auf den Inseln konnte ich wieder atmen! Ich mag die Canarios, ich mag deren Lebenseinstellung (Manana!!), ich liebe den Atlantik, das Essen, den Humor und das Klima ist unvergleichlich.  Die Jahre auf den Kanaren werden mich mein ganzes Leben begleiten. Viele der Menschen die meinen Weg dort kreuzten, werde ich nie vergessen.

„Mitternachtsflut“ ist von vorne bis hinten eine einzige Liebeserklärung an Tenerifa, Lanzarote und einige meiner besten Freunde, die ich dort hatte. Noch heute, wenn es mir schlecht geht, brauche ich nur die Augen zu schließen, Musik von damals zu hören und mir ihre Gesichter wieder vor Augen zu rufen – cool, so ein „Langzeit-Glücksbrunnen“!

Literatopia: Kannst Du uns schon etwas über zukünftige Projekte verraten? Konzentrierst Du Dich erst einmal auf den dritten Band Deiner Venezianer oder arbeitest Du bereits an etwas anderem?  

Gabriele Ketterl: Derzeit fordert „Signore Borello (Stefano)“ meine ganze Aufmerksamkeit. Der Kerl ist ja so etwas von eifersüchtig. Als ich von März bis Juli an Band 1 der Tyne Dilogie geschrieben habe, spürte ich schon andauernd seine Fangzähne an der Schlagader. Aber es ist tatsächlich so, dass – wenn ich ein Buch angefangen habe – ich mich nur noch darauf konzentriere. Denn meine Vamps erzählen sehr viel und sie tendieren dazu, ganze Plots einfach umzuschreiben. Da muss ich aufpassen wie ein Schießhund, dass sie keinen Unfug treiben. Und ich möchte einfach für die Venezianer das Allerbeste erreichen.

Wobei ich eingestehen muss, dass Teil II von Tyne bereits in meinem Kopf feststeht. Ich habe mich während ich Band I geschrieben habe, rettungslos in diese irren Schotten verliebt.

Literatopia: Herzlichen Dank für das Interview, Gabriele!

Gabriele Ketterl: Es war mir eine Freude!


Autorenfotos: Copyright by Kerstin Groh, Isprit

Autorenhomepage: www.gabrieleketterl.de


Dieses Interview wurde von Judith Gor für Literatopia.de geführt. Alle Rechte vorbehalten.