The last days of American Crime (Remender / Tocchini)

Splitter-Verlag (Juni 2011)
Hardcover, 172 Seiten
ISBN: 978-3868693324
€ 22,80 [D]

Genre: Comic / Thriller


Klappentext

Verbrechen zahlt sich nicht aus!

Berufskriminelle wie Graham Bricke lassen sich mit Sätzen wie diesem nur schwer beeindrucken. Doch nun hat die US-Regierung das perfekte Mittel gefunden, um Verbrechen zu verhindern: einen Neuro-Inhibitor, der es unmöglich macht, gesetzeswidrige Taten zu verüben.

Graham und seine Crew haben nur noch zwei Wochen Zeit für einen letzten Coup, bevor ihnen das A.P.I.-Signal einen Strich durch die Rechnung macht und ihre Berufsstand abschafft. Einen spektakulären Coup, der ihnen einen sorgenfreies leben garantieren soll; das letzte große Verbrechen in der Geschichte der USA.


Rezension

In genau zwei Wochen wird Amerika ein Signal aussenden, das es den Menschen unmöglich macht, eine falsche Entscheidung zu treffen und moralisch verwerfliche Handlung auszuüben. Das beinhaltet alles von Fremdgehen bis hin zu Mord und Totschlag. Für viele ist es ein Grund, noch einmal richtig die Sau rauszulassen, solange sie es noch können. Während sich die Straßen in Sodom und Gomorrha verwandeln, schwebt manchen eine größere Nummer vor, um sich rechtzeitig und wohlhabend in den Ruhestand zu begeben. So wie Graham Bricke, der als Wachtmeister bei der Bank arbeitet, die synchron zur Signalausstrahlung das Zahlungssystem umstellen soll. Bargeld – und damit auch Geldfälschung – wird abgeschafft, damit der Staat mehr Kontrolle zurückerhält. Er hat alles langer Hand geplant, sich mit Geld bis zum Rest seines Lebens zu versorgen. Allerdings kann er das nicht alleine, er braucht einen Hacker im Team. Als er gerade in der Kneipe auf seinen potenziellen Verbündeten wartet, taucht Shinee auf. Eine Frau, die betört, eine Frau die ihr eigenes Spiel spielt und die alles radikal verkompliziert.

Die erste Seite gewährt einen kurzen Blick auf den Tag, an dem das Signal aktiviert wird: Graham liegt blutüberströmt auf dem Boden. Ein Pistolenlauf ist gegen seine Schläfe gepresst. Etwas ist schief gelaufen. Wird er sterben? Was ist passiert? Worum geht es eigentlich? Natürlich erfährt man nichts, dennoch entfaltet dieses gängige Mittel, eine Geschichte anzufangen, eine gewaltige Wirkung. Direkt im nächsten Take – zwei Wochen zuvor – treffen wir Graham unversehrt an, dafür schlendert er durch ein Amerika der nahmen Zukunft, wo Anarchie die Oberhand gewonnen hat. Wie es so weit kommen konnte, wird nicht erklärt, dennoch taucht man sofort in die Welt am Abgrund ein. Graham betritt eine Wohnung, steuert ins Bad, wo ein geknebelter Mann in der Badewanne liegt. Graham schüttet Benzin auf ihm aus und zündet ein Streichholz an …
Wenn man in Rick Remenders und Greg Tocchinis Zukunftsvision eintaucht, sollte man sich darüber im Klaren sein, dass einiges an Sex und Gewalt auf einen zukommt. Der Vergleich mit Frank Miller’s Sin City zwingt sich einem auf. Und auch wenn die Brutalität bizarre Ausmaße annehmen kann (Stichwort: Geländer-Kuss), bleibt „The last days of American crime“ realistischer und wird dadurch ein wenig schwerer verdaulich. Aber auch die Zeichnungen sind realistischer. Greg Tocchinis Zeichenstil ist eine grandiose Mischung aus pastellartigen Gemälden und comictypischer Überzeichnung. Erwähnenswert sind vor allem der hohe Detailgrad und die Lichteffekte, aber auch die Gewaltdarstellung ist beeindruckend und die Zeichnungspersepektiven sind Filmreif. Die Qualität der Bilder nimmt im Laufe des Comics allerdings zunehmend ab. Schwer zu sagen, ob das mit Absicht ist und sich dem Inhalt anpasst, aber so genial gezeichnet wie Kapitel 1 sind die übrigen 2 nicht mehr.

Sieht man von dem dystopischen Gedanken einmal ab, ist „The last days of American crime“ ein relativ klassischer Heist-Thriller in 3 Kapiteln (ehemals einzelne Ausgaben). Im ersten Teil lernen wir die Charaktere kennen. Der Anti-Held ist Graham Bricke, eine Art abgehalfterter Bruce Willis, der sein Leben als Kleinganove bald unfreiwillig aufgeben muss. Zwar ist er kein Heiliger, aber in erster Linie braucht er das Geld für seine demenzkranke Mutter, die er heilen zu lassen gedenkt. Im Kontrast zu dem Abschaum, der einem in dem Comic über den Weg läuft, macht ihn das bereits zu einer Art Messias. Als klassischer Held braucht er eine klassische Schwäche: ein Frau. In diesem Fall Shinee Dupree, eine ungemein betörende Comic-Lady, für die allein sich der Kauf bereits lohnt. Im Gegensatz zum geradlinigen Graham, ist sie völlig undurchschaubar. Sie tritt in Grahams Leben wie ein Geschenk der Götter und in der nächsten Sekunde tritt sie ihm sinnbildlich zwischen die Beine. Ihre Ziele sind unergründlich und ihre Tendenzen, in Schwierigkeiten zu geraten, machen Graham das Leben auch nicht einfacher. Der dritte im Bunde ist Kevin Cash, dessen psychische Probleme offensichtlich sind und der im Normalfall kaum Teil der Unternehmung geworden wäre. Alle drei Hauptfiguren bekommen im zweiten Kapitel genug Raum sich von ihrer besten und schlechtesten Seite zu präsentieren.

In der Vorbereitungsphase für den finalen Raubzug gilt es, einiges zu erledigen und das kann reichlich unübersichtlich werden. Zahlreiche Nebenfiguren tauchen auf, mit ihren ganz eigenen Plänen und nicht selten muss man zurückblättern, um sein Gedächtnis aufzufrischen, wer wer ist. Erschwert wird das teils durch eine eigenwillige Panelaufteilung. Doppelseiten sind zwar nicht untypisch, allerdings sind sie hier nicht immer gleich erkennbar, und man kann sich durchaus mal wundern, woher Graham sein Messer her hat und merkt es erst durch die fehlende Kontinuität, dass man beim Lesen falsch abgebogen ist.


Fazit

The last days of American crime“ mag inhaltlich nicht die innovativste Geschichte sein, aber Rick Remender füllt den Heist-Thriller mit massig Wendungen, tollen Hauptcharakteren und genregerechter Brutalität. Die grandiosen Zeichnungen von Tocchini erledigen den Rest, um den letzten, blutigen Coup der amerikanischen Geschichte zu einem lesenswerten Ereignis zu machen. Eine Verfilmung ist in Vorbereitung, was bei diesem Material keine große Überraschung ist.


Pro und Kontra

+ Hauptcharaktere insbesondere Shinee
+ sehr schöne Zeichnungen
+ zynische Zukunftsaussicht
+ tolle Dialoge
+ Hardcoveraufmachung mit Schutzumschlag

Beurteilung:

Handlung: 4/5
Charaktere: 5/5
Lesespaß: 4,5/5
Preis/Leistung: 4,5/5


Rezension zu Remenders Captian America Megaband 1