Ann-Kathrin Karschnick (12.11.2014)

Interview mit Ann-Kathrin Karschnick

Literatopia: Hallo, Ann-Kathrin! Schön, ein wenig mit Dir zu plaudern. Erzähl uns doch zuerst etwas über Dich. Wer steckt hinter den Worten? Und woher kommt Dein Spitzname „Kuddel“?

akkarschnickAnn-Kathrin Karschnick: Hallo Judith, ich freue mich ebenfalls. Nun, ich bin 29 Jahre alt, komme aus Schleswig-Holstein und trage meist ein grünes Kleid. In meiner Freizeit bin ich ehrenamtlich beim Roten Kreuz tätig und bringe Jugendlichen Erste-Hilfe bei. Ansonsten bin ich ein absoluter Serienjunkie.

Kuddel nennt mich sogar meine Mutter. Ich habe diesen Spitznamen seit der siebten Klasse. Damals ging ich nach der Schule mit einer Freundin zu mir. Wir haben uns Pizza gemacht und wollten uns im Anschluss mit zwei weiteren Freundinnen in der nächsten Stadt treffen. Das Problem war, dass ich meinen Haustürschlüssel nicht wiederfand. Wir verpassten also unseren Bus (der nur stündlich fuhr), hatten damals alle noch kein Handy, so dass man mal eben schnell Bescheid sagen konnte und die Wut meiner Freundin wuchs immer weiter. Irgendwann gingen wir dann alle Schritte noch mal ab und fanden den Schlüssel im Gefrierfach – wir hatten ja Pizza gemacht. Nun ja, meine Freundin brüllte dann nur: Dein Leben ist ein einziges Kuddelmuddel. Krieg das mal auf die Reihe. Und da sie die Geschichte jedem in der Schule erzählt hat, fanden irgendwie wohl alle, dass ich wirklich ein Kuddel wäre.

Literatopia: Für den Auftakt Deiner „Phoenix“-Trilogie, „Tochter der Asche“, hast Du dieses Jahr den Deutschen Phantastik Preis erhalten. Wie hast Du die Preisverleihung erlebt? Warst Du überrascht? Oder hat sich schon vorher jemand verplappert?

Ann-Kathrin Karschnick: Ich durfte ja vorher schon einmal auf die Bühne, um die Laudatio für Tom Finns Ehrenpreis zu halten. Da war ich tatsächlich bis zur Preisverleihung selbst gut abgelenkt. Allerdings musste ich ja die ganze Zeit warten, da meine Kategorie die letzte war. Und oh Mann, habe ich mich gefreut. Tatsächlich wusste ich es schon ein paar Tage vorher, durfte aber niemandem etwas sagen. Als dann aber der wirklich tosende Applaus aus dem Publikum kam, hatte ich fast Pipi in den Augen, so toll war das.

Literatopia: Hat sich durch diese Auszeichnung etwas bei Dir verändert? Bist Du beispielsweise spürbar bekannter geworden?

Ann-Kathrin Karschnick: Mhm, woran misst man bekannter werden? Wenn ich jetzt mal meinen Facebook-Account als Richtwert nehme, dann würde ich sagen: Ja. Beinahe über Nacht sind fast 100 Likes mehr dazu gekommen. Zu Hause gab es einen Artikel in der Zeitung und seitdem gratulieren mir ab und an morgens in der Bahn meine Sitznachbarn, aber sonst fühle ich mich nicht so wahnsinnig anders. Jedes Buch ist immer noch eine Herausforderung, der man sich genauso stellen muss wie dem letzten. Ein Preis ändert daran nichts, obwohl es natürlich eine schöne Bestätigung dessen ist, was man macht.

phoenix1Literatopia: Worum geht es in „Phoenix“? In welcher Welt spielt die Geschichte? Und könnte man die Romane als „Steampunk-Dystopie“ bezeichnen?

Ann-Kathrin Karschnick: Ich bezeichne Phoenix immer gerne als Teslapunk-Dystopie-Krimi. Damit kann man alles genau erklären. Teslapunk beschreibt das Setting, in dem das Ganze spielt. Die Welt hat eine alternative Zeitlinie erfahren und Tesla war der führende Wissenschaftler. Wir haben Magnetschwebewagen und Stromwaffen. Faradey’sche Kleidung wurde erfunden, um den Auswirkungen der Waffen zu entgehen usw. Dystopie ist die Vergangenheit. Die alternative Zeitlinie ist durch ein folgenschweres Experiment ausgelöst worden, das Europa in eine Dystopie geworfen hat.

Krimi beschreibt die Handlung. Es geschehen Morde, die nicht stattfinden dürften. Leon – ein Ermittler der Kontinentalarmee – muss diese aufklären. Sein Verdacht fällt auf Tavi – eine Phoenix. Sie hat etwas mit den Morden zu tun. Was, verrate ich aber natürlich nicht.

Literatopia: Was fasziniert Dich persönlich an Steampunk / Teslapunk beziehungsweise Science Fiction im Allgemeinen?

Ann-Kathrin Karschnick: Ich finde die Machart des Steampunks einfach lässig. Auf der einen Seite kannst du eine edle Ermittlerin mit coolen Gadgets haben, auf der anderen Seite einen verruchten Dieb, den alle lieben und zugleich hassen. Es passt alles in dieses Genre hinein und gleichzeitig bietet es so viele Möglichkeiten. In unserer heutigen Welt sind wir alle sehr auf Technologie aus. Wenn es dann ein paar Neuerungen gibt und man der Phantasie einfach mal freien Lauf lassen kann, macht es einfach Spaß. Und Science Fiction ist natürlich genau dasselbe. Ich habe jetzt mal die ungewöhnliche Mischung gewagt, Teslapunk in die Zukunft zu packen, was im Endeffekt auch eine Art von Science Fiction ist.

Literatopia: Was hat es mit den „Seelenlosen“ und den „Saiwalo“ auf sich? Und was genau ist ein „Phoenix“?

Ann-Kathrin Karschnick: Die Saiwalo sind die geisterhafte Regierung in „Phoenix“. Sie haben nach dem Experiment die Regierung übernommen, da sie auf einer anderen Ebene der Existenz leben und so einen besseren Überblick über die Welt haben. Die Saiwalo geben den von ihnen sogenannten Seelenlosen die Schuld. Das sind Hexen, Dämonen, Phoenixe und viele mehr. Die Seelenlosen sind allerdings gar nicht so seelenlos, wie die Saiwalo behaupten. Die Seelenlosen entstehen, weil sie in der Sekunde ihres ersten, menschlichen Todes eine Emotion verspüren, die den Schmerz des Todes überdeckt. Im Falle einer Hexe z.B. der Wunsch zu helfen. Im Falle einer Phoenix ist es brennende Wut. Ein Phoenix ist ein Wesen, das dem mystischen Vogel ähnelt, nur dass ich die Fähigkeiten in einen Menschen projiziert habe. Tavi kann also fliegen, hat Heilungskräfte und wenn sie stirbt, zerfällt sie zu Asche und ersteht aus dieser wieder auf.

Literatopia: Hast Du viel recherchiert für „Phoenix“, beispielsweise was die Arbeit von Nicola Tesla betrifft?

Ann-Kathrin Karschnick: Ja, ich habe mir viele Reportagen über Tesla angeschaut und mir überlegt, wie eine Dystopie funktionieren kann. Dabei bekam ich für einige Erfindungen richtig gute Ideen. Unter anderen wurde in einer Reportage erwähnt, dass er an Waffen gearbeitet hat und den freien Strom für alle wollte. Er hatte sogar Ideen zu dem Thema sauberen Strom weltweit einzuführen, aber ihm fehlten einfach die Geldgeber. In den Reportagen habe ich häufig überlegt, wie es wohl gekommen wäre, wenn er damals ein führender Wissenschaftler gewesen wäre und das hat meine Phantasie enorm beflügelt.

Literatopia: Du hast bereits Beiträge für Anthologien verfasst, unter anderem für „Eis & Dampf“. Was liegt Dir mehr: Kurzgeschichten oder Romane? Oder kommt es letztlich auf die Idee und die Figuren an, welches Format sich eignet?

Ann-Kathrin Karschnick: Ich muss sagen, ich kann mich selten kurz fassen. So ziemlich jede Kurzgeschichte, die ich je geschrieben habe, bietet Potenzial für einen ganzen Roman. Bei „Eis & Dampf“ könnte ich die Geschichte von Hikaru erzählen. Bei der noch zu erscheinenden Irrlichter-Geschichte würde ich zu gerne einen Roman daraus machen, weil es einfach wirklich witzig war. Im Endeffekt schreibe ich beides, aber die Figuren verlassen mich nicht mehr, bis ich ihnen zumindest kurz zuhöre, was sie zu erzählen haben.

Literatopia: Hältst Du Anthologiebeiträge für eine gute Möglichkeit, sich schon einmal einen Namen zu machen, ehe man Romanmanuskripte verschickt? Oder legen Verlage da eher keinen Wert drauf?

Ann-Kathrin Karschnick: Ich glaube, den größeren Verlagen sind Veröffentlichungen in Kleinverlagen erst mal egal. Sicher schauen sie drauf, ob der Autor schon mal was veröffentlicht hat, aber so einen hohen Stellenwert hat das wohl nicht.

Anthologiebeiträge sind wichtig, um sich einen Namen unter den Fans zu machen und sie bieten eine gute Plattform um zu üben. Im Endeffekt sind Kurzgeschichten ein Kapitel und wenn man sich an einen Roman wagt, dann schreibt man viele Kurzgeschichten hintereinander weg.

Literatopia: Du hast bereits bei mehreren Verlagen veröffentlicht und warst nicht immer ganz zufrieden. Wie bist Du letztlich beim Papierverzierer gelandet und wie gefällt es Dir dort?

Ann-Kathrin Karschnick: Ich habe 2013 von dem frisch gegründeten Verlag gehört und schon 6 Tage nach Gründung das Manuskript vom „Phoenix“ eingereicht. Eine Woche später traf ich den Verleger in Leipzig und konnte mich mit ihm unterhalten. Wir haben dieselben Ansichten, was den Buchmarkt angeht und da kamen wir relativ schnell überein, dass die Zusammenarbeit klappen könnte. Im April bekam ich dann den Vertrag zugeschickt und seither schreibe und übersetze ich dort. Im Papierverzierer Verlag bin ich wirklich sehr glücklich. Der Verleger ist engagiert und mal ganz ehrlich: Die Cover sind der Hammer. Außerdem ist der Verlag darauf bedacht, Qualität abzuliefern und sich am Markt einen Namen zu machen, was natürlich genau der richtige Weg ist.

Literatopia: Was würdest Du, nach Deinen bisherigen Erfahrungen, jungen Autoren raten, die auf der Suche nach einem Verlag sind?

Ann-Kathrin Karschnick: Auf jeden Fall Geduld aufbringen. Viele junge Autoren fallen auf Pseudoverlage rein, die Geld für die Veröffentlichung möchten. Alles nur, damit sie sagen können: Guck mal, ein Verlag hat mich genommen. Doch das ist der falsche Weg.

Stellt euch einfach mal vor, ihr geht in eine Tischlerei und seht dort einen Stuhl, der euch gefällt. Ihr geht ja auch nicht zu dem Tischler und sagt: Ich nehme den Stuhl, wenn du mich dafür bezahlst, dass ich ihn mit nach Hause nehme. Der Tischler ist schon in Vorleistung gegangen, er hat seine Arbeit erledigt, jetzt sollte er dafür bezahlt werden und nicht jemanden bezahlen, damit der Stuhl jemand anderem gehört.

Die Mühlen in der Verlagswelt mahlen sehr langsam, weswegen einem Autor schon mal die Puste ausgehen kann und er den einfachen Weg nimmt. Aber Geduld ist maßgeblich in unserem Geschäft.

Literatopia: Auch Du hast Dich ins Messegetümmel in Frankfurt gestürzt. Wie war die Buchmesse für Dich? Hast Du spannende Titel für Dich entdeckt? Oder blieb gar keine Zeit, sich selbst ein wenig umzuschauen?

Ann-Kathrin Karschnick: Ich mag ehrlich gesagt Leipzig lieber, aber in Frankfurt ist halt Business angesagt. Man hat viele Termine mit Bloggern, Autoren, Agenten, Verlagen und Freunden. Dadurch blieb für mich tatsächlich sehr wenig Zeit, mich selbst umzuschauen.

Literatopia: Was gefällt Dir in Leipzig besser? Und wirst Du 2015 dort sein?

Ann-Kathrin Karschnick: In Leipzig ist es alles gemütlicher, man hat viel mehr Kontakt zu seinen Lesern und die Lesungen, die dort stattfinden sind einfach phänomenal. Durch die vielen Lesungen trifft man auch die anderen Autoren dort immer wieder und man hat gemeinsam eine schöne Zeit. 2015 werde ich auch wieder für vier Tage dort sein und Lesungen haben. Wann genau steht aber noch nicht fest.

Literatopia: Laut Deiner Homepage sind ein Gewitter und ein Stromausfall „Schuld“ daran, dass Du auf die Idee gekommen bist, ein Buch zu schreiben? Waren dies Deine ersten literarischen Gehversuche oder hast Du schon davor Texte verfasst?

Ann-Kathrin Karschnick: Das Gewitter war schuld an meiner ersten Trilogie. Schuld daran, dass ich Texte verfasst habe, ist meine Mutter. Die gab mir ihre Schreibmaschine, als ich Hausarrest hatte, damit ich ihre Rezepte abtippen konnte. Als das fertig war und ich nichts anderes zu tun hatte, fing ich an mir Geschichten zu zwei jungen Mädchen auszudenken. Da war ich etwa 13 Jahre alt und seither schreibe ich.

Literatopia: Was liest Du persönlich gerne? Auch vorzugsweise Phantastik? Und hast Du vielleicht Vorbilder?  

Ann-Kathrin Karschnick: Ich lese selbst gerne Phantastik. Im Moment lieber Urban Fantasy, aber es gibt immer mal wieder Momente, in denen ich auch auf High Fantasy schwenke. Vorbilder sind schwer zu nennen. Was das Schreiben angeht, mag ich den Stil von Mary H. Herbert sehr gerne, aber auch den Humor von Christian von Aster. Für Lesungen möchte ich es irgendwann mal schaffen, so gut wie Tom Finn zu sein.

Literatopia: Erzähl uns etwas über Deine erotische Zwillingsschwester Karyna Leon – was können wir von ihr im kommenden Jahr erwarten?

Ann-Kathrin Karschnick: Karyna bringt bei Bastei Entertainment einen erotischen Roman unter dem Titel „Sex mit Freunden – Mein geheimes Verlangen“ heraus. Außerdem wird sie eine weitere Kurzgeschichte bei Cupido Books herausbringen. In dem Verlag ist auch schon ihr letzter Roman „Club der Sinne“ erschienen.

Literatopia: Wie geht es in naher Zukunft mit Dir weiter? Schreibst Du fleißig am dritten Band von „Phoenix“? Und ist vielleicht bereits etwas Neues in Planung?

Ann-Kathrin Karschnick: Bei mir steht tatsächlich so einiges an. Derzeit schreibe ich am dritten Band von „Phoenix“. Dann erscheint nächstes Jahr im Frühjahr noch ein Urban Fantasy Projekt im UB-Verlag mit dem Titel „Sternenpfad“. Ich sage nur: Elfen in Berlin.

Da ich auch als Übersetzerin tätig bin, erscheint Anfang Dezember der Roman „Eiskalter Atem“ im Papierverzierer Verlag. Sobald „Phoenix 3“ geschrieben ist, steht dann auch noch die Übersetzung für Band 2 zu „Eiskalter Atem“ an.
Außerdem arbeite ich als Herausgeberin von Anthologien. Es wird im Papierverzierer eine SF-Anthologie mit dem Titel „Umray“ geben. Zusammen mit Torsten Exter werde ich wieder eine Anthologieausschreibung 2015 veröffentlichen.

kriegerUnd zusammen mit Diana Kinne mache ich im UB-Verlag ein Crowdfunding-Projekt für einen guten Zweck. Es wird ein Kinderkochbuch werden mit Geschichten und Rezepten von allen großen Fantasy-Autoren. Wolfgang Hohlbein, Markus Heitz, Christoph Hardebusch, Tommy Krappweis und viele mehr sind dabei. Unter www.startnext.de/die-kleinen-koeche kann man das Projekt auch noch unterstützen.

Literatopia: Werden in „Umray“ diverse SF-Subgenres bunt gemischt oder gibt es einen Schwerpunkt, zum Beispiel Dystopie oder Space Opera? Und kannst Du schon etwas dazu sagen, welche Autoren dabei sind?  

Ann-Kathrin Karschnick: Die Umray haben eine feste Hintergrundgeschichte, in denen die Geschichten spielen. Diese Geschichte bekamen die Autoren vorgesetzt und durften dazu sich selbst eine Idee ausdenken. Autoren, die mit dabei sind: Christian und Judith Vogt, Tom Daut, Martin Ulmer, Stefanie Mühlsteph, Sandra Baumgärtner und Che Rossié (mit einem SF-Comic ).

Literatopia: Herzlichen Dank für das schöne Interview!

Ann-Kathrin Karschnick: Sehr gerne. Vielen Dank für die schönen Fragen :)


Autorenfoto: Copyright by Ann-Kathrin Karschnick

Autorenhomepage: www.ann-kathrinkarschnick.de

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Dieses Interview wurde von Judith Gor für Literatopia.de geführt. Alle Rechte vorbehalten.