Der Herr der Fliegen (William Golding)

Golding W-Der Herr der Fliegen

Fischer Verlag, 1. Auflage, Januar 2003
Taschenbuch,  288 Seiten,
OT: Lord of the Flies
€ (D) 7,95 | € (A) 8,20 | SFR 11,90
ISBN: 978-3-596-80422-1
Gelesen im englischen Original

Genre: Belletristik


Klappentext

Nach einem Flugzeugunglück bleibt eine Gruppe englischer Schuljungen auf einer unbewohnten Pazifik-Insel sich selbst überlassen. Am Anfang erscheint alles wie ein großes Abenteuer: Wasser, Früchte, sogar wilde Schweine gibt es reichlich. Ralph wird zum Anführer gewählt. Er lässt Hütten bauen, erkundet die Insel und richtet einen Wachdienst für das Signalfeuer ein. Aber bald geraten die Jungen in einen Machtrausch, der sie zu erbitterten Widersachern werden lässt. Aus der Jagd wird blutiges Schlachten, aus dem Abenteuer ein Kampf auf Leben und Tod.


Der Autor

William Golding (geboren 1911) studierte Naturwissenschaften und Englisch. Im Alter von 23 Jahren erschien sein erstes Buch mit Gedichten. Später lehrte er Englisch und nahm als Marineoffizier am 2. Weltkrieg teil. Letzteres war für seine Werke prägend. 1983 erhielt er den Nobelpreis für Literatur.


Rezension

Ein Flugzeugabsturz, eine Gruppe Kinder und eine einsame Insel. Der Herr der Fliegen ist ein Klassiker der Literatur und findet Einzug als Pflichtlektüre in so manchen Unterricht.  Es ist eine Geschichte über Moral und Ethik, über Menschlichkeit und ihre Abgründe. Die Kinder der Insel wählen den charismatischen Ralph zu ihrem Anführer, der mit dem klugen Piggy an der Seite Hütten bauen lässt, Erkundungsgruppen einteilt und ein Signalfeuer errichten lässt, um schnellstmöglich eine Rettung herbeizuführen. Doch nicht alle Kinder akzeptieren Ralphs Führung.  Jack, Leiter einer bereits etablierten Chorgruppe sträubt sich gegen die Beschlüsse, da er selbst der Anführer sein will. Erst versteckt, bald jedoch immer offener agiert er gegen Ralph, spaltet sich mit seiner Gruppe ab, um Jagen zu gehen. Das Paradies soll seine beständige Heimat werden – sein Reich ohne Erwachsene. Das Signalfeuer wird zu einem Dauerstreitpunkt. Als eines der kleineren Kinder verschwindet und die anderen meinen, im Dunkeln ein Monster um das Lager streifen zu sehen, sieht Jack seine Chance gekommen. Die Gemeinschaft zerbricht. Abenteuerlust weicht der Machtgier, bis die Situation eskaliert.      

Golding demonstriert an einer Gruppe Jugendlicher wie schnell die Zivilisation, die anerzogenen Werte und Verhaltensweisen mitunter bröckeln, wenn ein kontrollierendes Organ fehlt. Die Jungen verwahrlosen nicht nur äußerlich, sondern verkümmern in ihrer Menschlichkeit, um in primitive Rollen zurückzufallen. So werden zuerst die Kleidung abgelegt, später schleichen sich andere Nachlässigkeiten ein, die letztendlich ein erstes Todesopfer fordern. Die düstere Vorahnung begleitet den Leser, während er zusehen muss, wie Ralph und Piggy um die Kontrolle ringen. Jack, der mit seinen Jägern das erste Fleisch ins Lager bringt, gewinnt immer an mehr an Boden, demonstriert er doch der Gruppe Stärke. Die Streitigkeiten bringen Unruhe in die Gruppe. Letztendlich ist es aber das Auftauchen eines Toten Fallschirmjägers der das Blatt endgültig wendet. Geräusche in der Nacht lassen die kleineren der Gruppe bereits an ein Monster glauben. Als dann der Tote auf der Insel landet und sich so zwischen Felsen verkeilt, dass sein Fallschirm regelmäßig aufgeblasen wird, sehen sich die Kinder bestätigt. Auf der Suche nach Stärke wenden sie sich den Jägern zu. Passend dazu wird die Handlung vom sonnigen Strand in das dunkle, unübersichtliche Innere der Insel verlagert. Um das Monster in Schach zu halten, greifen die Jungs auf archaisch anmutende Rituale zurück, die in Blutrausch und exzessive Gewalt gipfeln.   

In einfachen Worten, aber dennoch eindrucksvoll schildert Golding hier den Zerfall der Zivilisation, zeichnet in erschreckender Klarheit den Wandel von fröhlichen Kindern zu hemmungslosen Bestien. Der Herr der Fliegen ist dabei sowohl beides, zum einen Bezug auf den Teufel und damit das Böse, das in jedem von uns wohnt, sowie zu einem modernden Schweinekopf, der von den Jägern als Monsterabschreckung im Dschungel platziert wird. Einer der Jungen findet ebendiesen Kopf von Fliegen umschwärmt in der Verwesung und phantasiert sogar ein Gespräch mit dem Herrn der Fliegen, der ihm erklärt, dass die Gefahr nicht von einem Monster ausgehe, sondern das Monster in der Gruppe selbst lauere.  Diese Erkenntnis kommt allerdings zu spät.

Es wird nicht erwähnt, wie viele Kinder sich auf der Insel befinden. Golding hat sich auf zwei Gruppen beschränkt, die Kleinen und die Teenager. Insgesamt werden aber nur wenige Charaktere wirklich ausgearbeitet. Diese aber sehr gut. So wird Jacks Hunger nach Macht und sein Neid bereits in den ersten Auseinandersetzungen deutlich, ebenso Ralphs Ringen um die Macht und Piggys Hilflosigkeit, während er mit ansehen muss, wie Ralph die Kontrolle und somit die Gruppe ihr Herz verliert. Am Ende steht die Frage, ob es für die Kinder überhaupt noch eine Rettung geben kann, eine Rückkehr zur Menschlichkeit.


Fazit

Anschaulich beschreibt Der Herr der Fliegen anhand einer Gruppe Kinder, die auf einer Insel stranden, den Zerfall der Menschlichkeit. Ralph steht gegen Jack, Zivilisation gegen rohe Gewalt, Verstand gegen primitive Instinkte, Demokratie gegen Diktatur. Das Böse schlummert in jedem von uns. Dieses Wissen ist nicht neu. William Golding gelingt es jedoch in einer packenden Erzählung Gänsehaut und Beklemmung zu erzeugen, wenn sich sein Inselparadies zur sprichwörtlichen Hölle wandelt.


Pro/Contra

+ spannende Geschichte
+ Bezug zu Moral und Ethik, aber auch Politik

o nur wenige Charaktere werden ausgearbeitet

Bewertung: sterne4


Charaktere: 4/5
Handlung: 4,5/5
Lesespaß: 4/5
Preis/Leistung: 4/5