München 2014, Heyne
Originaltitel: The Forever War (1974/1988)
Übersetzt von Birgit Reß-Bohusch
Taschenbuch, 394 Seiten
€ 8,99 [D] | € 9,30 [A] | CHF 13,50
ISBN: 978-3-453-31597-6
Genre: Science Fiction
Inhalt
Im Jahr 2297 wird William Mandella als einer der ersten Wehrpflichtigen für den Krieg auf fremden Planeten eingezogen. Während der brutalen Grundausbildung gibt es einige Tote. Der Gegner ist eine Spezies, die auf der Erde Taurier genannt wird und über die man so gut wie nichts weiß. Als die Soldaten auf dem Planeten Charon landen, treffen sie auf eine Herde Pflanzen fressender Tiere, die sie für Taurier halten. Sie töten einige der Tiere, die über den Menschen unbekannte mentale Fähigkeiten verfügen.
Die erste Auseinandersetzung mit den Tauriern wird ein ungleiches Gemetzel, weil dem Gegner die offene Schlacht fremd ist. Die Soldaten tragen einen Kampfanzug, der sie vor dem Vakuum schützen soll und dessen Bedienung so kompliziert ist, dass es zu gelegentlichen Problemen mit Verletzungen und Todesfällen kommt. Mandella hasst den Krieg, in dem die Soldaten vor ihrem ersten Einsatz übler Propaganda und einer Hypnose ausgesetzt waren. Mandella ist sicher, dass die nächste Begegnung zwischen Menschen und Tauriern nicht so einseitig verlaufen wird...
Rezension
Joe Haldeman beschreibt in der Vorbemerkung zur aktuellen Ausgabe von Der ewige Krieg, dass es zwei weitere Buchfassungen gibt und diese, die dritte, die ursprüngliche Version ist. Der Roman wurde ab 1972 als Serie in der Zeitschrift Analog in Teilen vorabgedruckt. Er stieß auf Ablehnung und wurde 1974 von St. Martin’s Press New York in Buchform gekürzt veröffentlicht, zugleich aber mit den drei international wichtigsten Preisen für Science Fiction ausgezeichnet, dem Nebula in 1975, Hugo und Locus in 1976, sowie dem australischen Ditmar Award in 1976. Den vollständigen Text, der von Haldeman 1988 wiederhergestellt wurde, wollte Avon Books publizieren, brachte es 1991 jedoch nur auf eine umfangreichere Fassung, weil Textteile, so Haldeman, „unter den Tisch“ fielen. Die integrale Fassung verlegt den Handlungsbeginn, ursprünglich auf 1997 datiert, in das Jahr 2297.
Unter der Nr. 3572 in der Bibliothek der Science Fiction Literatur brachte Heyne 1977 die Erstveröffentlichung des Romans, 237 Seiten umfangreich, übersetzt von Walter Brumm. Die ungekürzte Neuübersetzung von Birgit Reß-Bohusch erschien erstmals 2004 in der Reihe Heyne Science-fiction & Fantasy mit der Band-Nr. 8206. Die aktuelle Ausgabe ist ein Neudruck im Rahmen der großen Heyne Science-Fiction-Jubiläums-Edition. Bei Carlsen ist von Marvano und Haldeman eine Comicversion erschienen.
Der Ich-Erzähler Mandella ist Physiker – das Militär will nur die Besten. Um diese für den Krieg zu bekommen, gibt es die Wehrpflicht. In die Soldaten, Männer wie Frauen, wird viel Geld investiert. Aber es lohnt sich anscheinend, Todesfälle bereits während der Grundausbildung in Kauf zu nehmen. Die Ausbildung zum Töten besteht auch darin, einen unbekannten Feind durch einen Stich in die Niere zu liquidieren, obwohl man nicht weiß, ob er überhaupt eine Niere hat. Die Armee im Weltraumkrieg ist anderen physikalischen Gesetzmäßigkeiten ausgesetzt, der Relativität, der Lichtgeschwindigkeit, der Zeitdilatation. Im Krieg der Sterne werden die Soldaten durch Kollapsarsprünge mit Überlichtgeschwindigkeit in die Nähe ihres Einsatzortes gebracht. Kollapsare sind kollabierte Sterne, die am Ende ihrer Existenz zu Schwarzen Löchern werden. Theoretisch können sie Wurmlöcher sein, die zwei Stellen des Raums oder der Zeit so verbinden, dass sie eine Sprungstelle bilden.
Als Mandella nach zwei Jahren auf die Erde zurückkehrt, erkennt er sie nicht wieder, weil dort dreiundzwanzig Jahre vergangen sind. Der aufgelaufene Wehrsold plus Zinsen brachte den Soldaten ein Vermögen ein. Allerdings müssen sie erfahren, dass der Steuersatz mittlerweile bei 92 Prozent liegt. Mandellas Mutter ist eine alte Frau geworden, die in einer lesbischen Beziehung lebt. Gleichgeschlechtliche Beziehungen werden von der Regierung gefördert, weil sie das Problem der Überbevölkerung entschärfen. Die Erde ist verelendet, von neun Milliarden Menschen sind sechs Milliarden arbeitslos, Gewalt beherrscht den Alltag, Eugenik ist ein etabliertes Verfahren. Alte Menschen werden in drei Gruppen eingeteilt, mit verschiedenen Implikationen für die Krankenversicherung.
Mandella kehrt zum Militär zurück, bleibt dort mehrere Jahre. Unterdessen vergehen auf der Erde hunderte Jahre. Er kämpft gegen einen Feind, den die Menschen nie verstanden haben und gegen den er nichts hat. In konkreten Gefechtssituationen hingegen hasst er die Taurier, bedingt durch die Konditionierung und die Drogen, die enthemmend wirken. Wenn Mandella aus einer Schlacht auf die Erde zurückkehrt, findet er jeweils eine ihm fremder gewordene Menschheit und einen ihm unbekannten kulturellen Raum vor. Er ist einer mehrfachen Dislozierung ausgesetzt. Das, wofür er angeblich kämpft, gibt es bei seiner Rückkehr nicht mehr.
Stilistisch ist Der ewige Krieg orientiert an der Erzählweise der schwarzen Serie, dem Hardboiled-Kriminalroman eines Dashiell Hammett oder Raymond Chandler. Während jedoch deren Detektive ihren eigenen Vorstellungen von Recht und Moral in einer moralisch versumpften Gesellschaft folgen, ist der Ich-Erzähler bei Haldeman zwar ebenfalls ein moralischer Mensch, hält sich aber an die Systemregeln. Die zynische Perspektive auf die Welt ist beiden Figurentypen gemeinsam, nur hält Mandella sich zurück, versucht, emotionslos zu erzählen, was ihm nicht immer gelingt. Er versucht, Gefühle wie Elemente einer Buchhaltung zu behandeln und allenfalls ihr Aufscheinen oder Vorhandensein zu vermerken. Haldemans knapper Jargon ist ideal für das Thema. Er erzeugt eine seltsame Verbindung aus kontrollierter Erzählung und exzessiver Gewalt, taktischen und psychologischen Gedanken, in den stilistisch und inhaltlich sehr gelungenen Kriegsbeschreibungen.
Soldaten bei Haldeman sind Zählkandidaten oder Futter für die Kriegsmaschine. Mandella ist kein Held, er trifft Entscheidungen, die sein Überleben und, als er Vorgesetzter ist, das vieler seiner Kameraden sicherstellen. Befördert wird er nicht aufgrund herausragender Leistungen, sondern dadurch, dass er überlebt - in etwa eine Orientierung am Dienstalter. Die Begründung für den Krieg ist universell und zeitlos: „lächerlich dünn“ ist das vorgelegte Beweismaterial, die wenigen Menschen, die darauf hinweisen, finden kein Gehör, Krieg ist ein wichtiger Wirtschaftsfaktor. Am Ende hat der Krieg 1143 Jahre gedauert und war unter falschen Voraussetzungen angefangen worden.
Fazit
Joe Haldemans Der ewige Krieg ist ein Meilenstein der Military Science Fiction, basierend auf Vietnam-Erfahrungen des Verfassers. Das Buch als Anti-Kriegsroman zu etikettieren, greift etwas kurz. Die Haltung des Autors zu Militär und Krieg ist nur ein Element dieses vielschichtigen Werkes. Der ewige Krieg ist eine stark geerdete Mischung aus Science Fiction und politischem Statement mit pointiert vorgetragenen Gedanken über den Krieg als Bestandteil des Menschseins.
Pro und Kontra
+ ein Klassiker der Science Fiction
+ viele Gedanken kommen heutigen Lesern aus aktuellen Kriegen und medialer Berichterstattung bekannt vor
Wertung:
Inhalt: 5/5
Charaktere: 5/5
Lesespaß: 5/5
Preis/Leistung: 5/5