Das Graveyard Buch (Neil Gaiman)

Arena (März 2009)
Gebundene Ausgabe: 310 Seiten
ISBN-13: 978-3401064635
Preis: (D) 14,95 €


Klappentext

Nobody Owens ist ein eher unauffälliger Junge. Er lebt auf dem Friedhof, liebevoll erzogen und behütet von den Geistern und Untoten, die dort zu Hause sind.
Doch der tödliche Feind, vor dem Nobody als kleines Kind einst auf den Friedhof floh, ruht nicht. Er wartet auf den Tag, an dem der Junge sein Zuhause verlassen wird, um zurückzukehren in die Welt der Lebenden. Wer wird Nobody dann noch beschützen?


Rezension

Ein Mann, bewaffnet mit einem Messer, schleicht durch ein Haus und tötet alle, die sich dort aufhalten. Aber seine abscheuliche Tat ist noch nicht vollendet. Ein Baby in seinem Bettchen atmet noch. Doch der Mann, der sich Jack nennt, kann seinen Auftrag nicht abschließen.
Denn das Kind hat sich zuvor aus seinem Kinderbett befreit und ist den Hügel zum Friedhof hinaufgetapst.
Der Friedhof ist schon lange geschlossen, lebendige Besucher kommen nicht mehr, aber er ist nicht unbewohnt.
Geister und Untote nehmen sich des kleinen Kerls an und beschützen ihn vor dem Mann, der sich Jack nennt.

Wohlbehütet lernt Nobody Owens, kurz Bod genannt, die Geheimnisse der Toten und des Friedhofs. Soweit es eben für einen Lebenden möglich ist. Aber mit dem Alter möchte Bod das normale Leben kennen lernen, endlich mehr sehen als die alten, verwitterten Grabsteine, sein Zuhause verlassen. Doch der Mann, der sich Jack nennt, hat nie aufgehört zu warten.

Rattle his bones
Over the stones
It’s only a pauper
Who nobody owns
(Alter Kinderreim – Das Graveyard Buch)


Es beginnt bedrückend düster. Ohne wirklich auszusprechen, was passiert, und dennoch glasklar, sind die Morde zu Beginn, wirklich nichts, was man seinem Kind zu lesen geben möchte. Es ist wie der Anfang eines Thrillers.
Doch im weiteren Verlauf entwickelt sich Das Graveyard Buch zu einem wahren Abenteuer.

Als Inspirationquelle diente Neil Gaiman Das Dschungelbuch von Rudyard Kipling. Schon der Titel spiegelt das wider. In Das Graveyard Buch geht es nämlich nicht um ein mysteriöses Buch, wie man vermuten könnte.

Nobody Owens Lebensgeschichte weist unverkennbar einige Ähnlichkeiten mit der von Mogli auf. Die Eltern von einem Feind getötet, überleben beide Findelkinder durch die Hilfe von ungewöhnlichen Rettern. Statt von Wölfen wird Bod von Geistern aufgezogen und in ihre Welt und deren Fähigkeiten eingeführt. Statt eines Bären zum Freund, übernimmt ein Vampir die Patenschaft und beschützt den Jungen. Und beide müssen irgendwann ihren sicheren Unterschlupf verlassen, um sich der Gefahr zu stellen.

Wenn Neil Gaiman in seiner Danksagung (nur im engl. Original) nicht darauf aufmerksam gemacht hätte, dass er seine Inspiration bei dem Klassiker gefunden hat, würde man es als Leser womöglich gar nicht bemerken. Keinesfalls ist Das Graveyard Buch also ein billiger Abklatsch.

Wieder einmal beweist Gaiman, dass er sich darin versteht, spannende, einfallsreiche und aussagekräftige Geschichten für Jugendliche zu schreiben. Letztendlich ist Das Graveyard Buch eine Geschichte über das Erwachsenwerden und das Abnabeln von seiner Familie. Besonders interessant ist die Tatsache, dass Bod keine Angst vor dem Sterben hat, da er schließlich mit Toten aufwuchs.
Grund genug, das Werk mit der Newberry Medal 2009 auszuzeichnen – der höchsten amerikanischen Auszeichnung für Kinder- und Jugendromane.

Mit einfachem Schreibstil, schönen Beschreibungen und netten Details wird ein fantastisches Märchen voller Fabelwesen und mysteriösen Orten erzählt.
Während im Original jedes Wort von Gaiman voller Magie steckt, so ist die Übersetzung sprachlich eher fad geraten.

Leider überzeugt das Buch nicht zur Gänze. Manche Geschichtsstränge werden sehr kurz abgehandelt und hinterlassen das Gefühl, nicht vollständig abgeschlossen zu sein. Die Auflösung ist zwar nicht schlecht, kommt aber so unvermittelt und ohne irgendwelche Hinweise, dass sie eher verwundert als überzeugt.
Außerdem ist die Art, wie Bod seinen Feind besiegt, sehr schnell offensichtlich – zumindest für ältere Leser.

Das größte Manko ist und bleibt – wie schon bei Neil Gaimans Coraline –, dass es die Illustrationen von Dave McKean nicht in die deutsche Fassung schaffen. Aus welchem Grund das letztendlich sein mag, die Illustrationen sind einfach beeindruckend und vermitteln eine noch bessere Atmosphäre. So werden sie schmerzlich vermisst.
Kleines Trostpflaster ist, dass in Deutschland Das Graveyard Buch als stabiles Hardcover erschienen ist, dessen Coverbild ebenfalls gelungen ist. Zudem kommt die 2. Auflage sehr einfallsreich in einer Metalldose im Grabsteindesign.


Fazit

Wieder schafft es Neil Gaiman, mit Das Graveyard Buch einen tollen Jugendroman abzuliefern, der in keinem Bücherregal fehlen darf. Wie immer ist seine Arbeit überdurchschnittlich.
Sowohl die deutsche Fassung als auch die englische, haben jede für sich einiges zu bieten und erschweren die Entscheidung.


Pro und Kontra

+ ein echter Gaiman
+ erfrischend neu trotz Parallelen zum Dschungelbuch
+ wertvolle Literatur für Kinder

o für eine junge Leserschaft

- manche Passagen hätten ausführlicher sein können
- deutsche Übersetzung verliert an Magie
- fehlende Illustrationen

Beurteilung:

Handlung 4,5/5
Charaktere: 4/5
Lesespaß: 4/5
Preis/Leistung: 4,5/5


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