Flavia de Luce - Tote Vögel singen nicht (Alan Bradley)

Penhaligon (Oktober 2014)
Broschiert, 320 Seiten
ISBN 978-3-7645-3100-3
€ 19,99 [D]

Genre: Krimi


Klappentext

Wenn Flavia ermittelt, müssen Mörder Federn lassen!

Es ist ein Frühlingsmorgen im Jahr 1951. Flavia de Luce hat sich mit ihrer Familie am Bahnhof von Bishop’s Lacey eingefunden, um die Heimkehr ihrer beim Bergsteigen in Tibet verschollenen Mutter Harriet zu erwarten. Als der Zug einfährt, nähert sich ein großer Fremder der elfjährigen Hobbydetektivin und flüstert ihr eine kryptische Botschaft zu. Einen Augenblick später ist der Mann tot – jemand aus der Menschenmenge hat ihn offenbar vor den Zug gestoßen. Ein neuer Fall für Flavia de Luce, die sich dieses Mal sogar in die Lüfte schwingt, um einen Killer zur Strecke zu bringen, und die endlich die Wahrheit über die Vergangenheit ihrer Mutter erfährt …


Rezension

Harriet de Luce kehrt heim. Zehn Jahre war Flavias Mutter in Tibet verschollen, doch nun wurde sie gefunden, allerdings nicht lebendig. Ihre Überreste werden mit der Lokomotive und großem Gefolge von wichtigen Amtspersonen nach Bishop‘s Lacey zurückgebracht. Selbst Winston Churchill erscheint und überbringt seine Beileidsbekundungen persönlich vorbei. Während Flavia den verdächtigen Aufmarsch beobachtet, steht plötzlich ein riesiger Mann neben ihr, der eine Nachricht für ihren Vater hat. Wenige Augenblicke später ist der Unbekannte tot. Überfahren vom Zug und irgendjemand will beobachtet haben, dass es kein Unfall war. Jedoch hat die kleine Schnüfflerin keinen Kopf dafür, einen weiteren Mord aufzuklären. Immerhin ist ihre Mutter nun unwiederbringlich tot. Oder etwa nicht? Immerhin ist sie Flavie de Luce und hat einige Trümpfe im Ärmel. Die Umsetzung ihres Plans ist jedoch zeitlich sehr heikel und Bedarf viel Ruhe, die ihr all die erwünschten und unerwünschten Familienmitglieder, die das Haus bis an die Decke füllen, nicht wirklich geben.

Die Flavia-Romane sind schon lange keine einfachen Kriminalgeschichten mehr. Die ersten drei Teile waren recht klassisch aufgebaut, wenn man von der jungen Protagonistin einmal absieht. Eine Leiche gleich zu Beginn, dann die Ermittlungen und letztlich die Auflösung. Dabei blieben die Fälle immer auf einem Niveau, das ein elfjähriges Mädchen darin auch realistisch bleibt. Mit Band 4 und 5 wurden die Geschichten persönlicher und die darin enthaltenen, immer wiederkehrenden Figuren, rückten immer weiter ins Zentrum. Der Name „de Luce“ erscheint immer geheimnisvoller. Irgendetwas Gewaltiges verbirgt sich in den Schatten der Familiengeschichte und übersteigen immer mehr Flavias Auffassungsvermögen. „Tote Vögel singen nicht“ ist der sechste Band und auch wenn es – natürlich – einen weiteren Toten gibt, rückt dessen Ableben fast vollständig in den Hintergrund. Zum einen ist Harriets Tod viel wichtiger für Flavia und zum anderen geschieht so viel, was sie nicht richtig einordnen kann, dass man es fast vergisst. Gut so, kann man da nur sagen, denn als Leser hat man sich durchaus schon gefragt, wie viele Morde in weniger als zwei Jahren, soll es noch geben in diesem kleinen Dorf, bevor es wirklich lächerlich wird? Es scheint, als hätte sich Alan Bradley dieselbe Frage gestellt, denn der Verlauf des Romans ist so unvorhersehbar und das Ende stellt einen enormen Meilenstein in der Reihe dar. Es kommt sehr viel Licht ins Dunkel. Vieles was man als Gegeben hingenommen hat, wie Flavias ungestörte Arbeiten im Chemielabor, machen plötzlich viel mehr Sinn. Und mit einem Mal ist kaum etwas Zufall und kaum ein Charakter war einfach nur eine Randfigur mit schrulligen Eigenheiten.

Flavias kindlich verschleierter Blick auf die Welt, bekommt langsam Risse und mit ihm schwindet auch die Einfachheit der Figuren immer mehr zu Gunsten einer ausgeprägten Charaktertiefe. Dodger, der schon immer ein liebenswerter Gesprächspartner Flavias war, ließ schon immer vermuten, dass er mehr ist, als nur der Mann fürs Grobe in Buckshaw. Es gab auch keinen Zweifel daran, dass seine Vergangenheit besonders hart gewesen sein muss, wie hart erfährt man nun endlich und warum er trotz seiner Probleme so hoch in der Gunst von Flavias Vater steht. Warum ihr Vater eine so stille Person ist und kaum Emotionen zeigt, wird ebenfalls offenbart und die tragische Last, die er auf den Schultern trägt, bricht einem förmlich das Herz. Trotzdem ist es Flavias Tante, Felicity, die schließlich das größte Geheimnis lüftet. Es ist schwer zu sagen, ob Alan Bradley, das von Anfang an so geplant hat. Versucht man zwischen den Zeilen der Danksagung zu lesen, liegt die Vermutung nahe, dass dem nicht so ist und die entscheidende Idee erst zum letzten Band gekommen ist. So oder so ist es ihm sehr gut gelungen, alles Geschehene zu einem überraschenden Ende konvergieren zu lassen. Wie es mit Flavia nun weiter geht, steht in den Sternen und auch, ob es sich überhaupt noch um einen Krimi handeln wird.


Fazit

Tote Vögel singen nicht“ ist Flavias persönlichster und emotionalster Fall und das Ende kommt mit einem Paukenschlag daher, dass einem Hören und Sehen vergeht. Niemand hätte ahnen können, was sich hinter dem Namen „de Luce“ verbirgt, welche wichtigen Rollen die einstigen Nebenfiguren einnehmen würden und mit welchen Offenbarungen sich Flavia konfrontiert wiederfinden würde. Adam Bradley hat es tatsächlich geschafft, der Reihe nach sechs Bänden eine komplett neue Richtung zu geben und eine Menge neuen Lebens einzuhauchen.


Pro und Kontra

+ Flavia de Luce
+ fabelhafte Sprache
+ persönlichster Fall
+ tolles grandioses Cover
+ Flavias Zukunft ist gesichert

Beurteilung:

Handlung: 5/5
Charaktere: 5/5
Lesespaß: 5/5
Preis/Leistung: 4,5/5


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