Spirou und Fantasio: Gesamtausgabe Bd.1 – Die Anfänge eines Zeichners (André Franquin)

Verlag: Carlsen (September 2014)
Gebundene Ausgabe: 208 Seiten; 29,90 €
ISBN-13: 978-3551716217

Genre: Humor/ Abenteuer


Klappentext

1946 – 1950

Die Gesamtausgabe eines der großen Werke des frankobelgischen Comics.

Die gesammelten Abenteuer von Spirou und Fantasio aus der Feder von André Franquin, zum ersten Mal in der Reihenfolge ihres Entstehens abgedruckt, mit zusätzlichen redaktionellen Seiten und unveröffentlichten Bildern.


Rezension

Neben Asterix, Lucky Luke, Gaston und Tim und Struppi gibt es einen weiteren Klassiker des franko-belgischen Comics, dem in Deutschland durchaus Erfolg beschieden war, wenn vielleicht auch nicht ein ganz so großer, wie die zuvor genannten: Spirou und Fantasio.
Erfunden wurde Spirou von Rob Vel 1938, anfangs als reiner Hotelpage, verließ Spirou bald die engen Räumlichkeiten und begann seine Abenteuer außerhalb des Hotels zu erleben und übte seinen eigentlichen Beruf nicht mehr aus. Er musste allerdings bis 1943 warten, bis Jijé ihm eine weitere Figur zur Seite stellte: Fantasio. Beide bildeten fortan ein Team. 1946 übernahm dann André Franquin die Reihe und gilt als eigentlicher Vater von Spirou und Fantasio. Er erweiterte ihr Universum und führte viele Personen und Orte ein, die selbst heutzutage ein wichtige Rolle im Leben der Beiden spielen. Unter anderem fügte er der Reihe das Marsupilami hinzu, welches zwischenzeitlich seine eigene Serie bekommen hat und mit dem Abschied Franquins vom Verlag Dupuis aus Spirou und Fantasio verschwand, da die Rechte bei Franquin lagen. Mittlerweile ist aber eine Rückkehr des Marsupilamis in seine Ursprungsreihe nicht mehr ausgeschlossen, da Marsu Productions von Dupuis aufgekauft wurde.

Der erste Band der Gesamtausgabe beschäftigt sich mit den Anfangsjahren Franquins als Spirou und Fantasio-Zeichner/ Autor. Er kam sehr kurzfristig dazu und ersetzte Jijé, der das Interesse an der Vorzeigeserie verloren hatte. Die erste Geschichte, die Franquin zeichnete und verfasste, und zwar noch bevor er zum offiziellen Zeichner Spirous wurde, hieß Der Tank. Sie war merklich von der Befreiung und der Nachkriegszeit beeinflusst und Franquins Zeichnungen sind längst nicht so ausgereift, wie sie es ein Mal sein sollten. Die Geschichte ist auch recht unstrukturiert, da er sie so niederschrieb, wie sie ihm gerade einfiel. Dann aber kam mit Das Fertighaus der Moment als Franquin Spirou komplett übernahm. Dabei musste er das Kunststück hinbekommen, dass der mitten in der Geschichte stattfindende Zeichnerwechsel nicht auffiel. Ein Szenario existierte praktisch nicht und er musste sich dem Zeichenstil Jijés anpassen. Es gelang und so blieb er bei der Serie über den Hotelpagen und seinem Freund. Die Geschichte selbst war immer noch nicht wirklich vorher ausgearbeitet und so ist schön zu erkennen, wie sich die spontanen Einfälle Franquins entfalten. Die Pointen sitzen zwar nicht immer, aber für Fans ein netter Blick zurück.
Ansonsten besteht der Band aus vielen Einseitern und kurzen Episoden, die so zum Teil in Alben in Deutschland veröffentlicht wurden. Besonders erwähnenswert ist hierbei Spirou bei den Pygmäen, bei dieser wurden zwei Seiten eingefügt, die Franquin für das Magazin Spirou anlässlich Weihnachtens verfasst hatte und nahtlos in die Geschichte eingefügt werden können und wurden.
Nach dieser sind zwei abschließende längere Episoden enthalten, Spirou im Wilden Westen und Schmuggel. Beiden ist die Entwicklung Franquins anzumerken. Im Gegensatz zu früheren Geschichten, sind sie viel strukturierter, die Pointen sitzen und die Zeichnungen sind um ein vielfaches besser als in den Anfangstagen von Der Tank und Das Fertighaus.

Spirou im Wilden Westen ist in ihrem Kern eine Westernparodie. Im Auftrag des Magazins Spirou reisen die beiden Protagonisten nach Amerika und sollen darüber berichten. Durch „Zufall“ landen sie in einer waschechten Westernstadt, die es eigentlich so in den 50ern nicht mehr geben sollte. Der Sheriff stellt sich nicht als der Mutigste heraus und so dürfen Spirou und Fantasio seine Aufgaben übernehmen und sich den größten Gangstern stellen. Die Schlusspointe mit der alles aufgelöst wird, ist zwar nicht gerade unerwartet, aber gut und passend.
Bei Schmuggel erhält der Leser einen waschechten Krimiplot mit einer wirklich pfiffigen Idee für Schmuggel. Natürlich schaffen es Spirou und Fantasio die Verbrecher zur Strecke zu bringen und den etwas mürrischen Polizeibeamten von der Echtheit ihrer Beobachtungen zu überzeugen. Auf dem Weg dorthin, kommen sie in so manch witzige Situation. Wie schon erwähnt, in diesen beiden Geschichten begegnet man Spirou und Fantasio so wie gewohnt. Eine gute Geschichte gepaart mit Humor und guten Einfällen. Somit heben sie sich deutlich vom Großteil des Restes der enthaltenen Geschichten ab.

Für Fans ist Franquins Entwicklung bei den Zeichnungen  besonders interessant. Anfangs noch ohne klar erkennbaren persönlichen Stils, schafft er es innerhalb der vier, hier überblickten, Jahre sich rasant zu entwickeln. Anfangs sind Spirou und Fantasio etwas seltsam anzuschauen und nur durch Pagenuniform und Frisur eindeutig erkennbar. Am Ende hat Franquin aber zu seinem Stil gefunden. Spirou und Fantasio haben ihre endgültige Form, alle Figuren haben die gleiche Karikaturhaftigkeit und die Hintergründe sind einheitlich gestaltet. Dazu hat Franquin, die für ihn passenden Perspektiven und Bildausschnitte gefunden. Alles fügt sich nahtloser zusammen. Es ist sehr interessant zu sehen, welche Entwicklung er genommen hat.

Abgerundet wird diese wirklich gelungene, gebundene Ausgabe durch einen sehr informativen redaktionellen Teil, in dem viel über den Zeichner und Autoren und ebenso über die Figuren erzählt wird. Manche Artikel stehen direkt bei der entsprechenden Geschichte und werten diese Ausgabe direkt auf. Eine wirklich gelungene, runde Sache.


Fazit

Wer nicht nur an den wirklich großen, unvergänglichen Spirou und Fantasio-Geschichten interessiert ist, sondern auch neugierig auf die Anfänge Franquins ist, kann bedenkenlos zu greifen. Der vorliegende erste Band der Gesamtausgabe ist sehr informativ und führt gut in die Welt von Spirou und Fantasio ein. Wer lieber albenlange Geschichten liest, sollte lieber zum zweiten Band der Gesamtausgabe greifen, die drei der Art enthält, verpasst aber einen interessanten Einblick in die Anfänge. Lohnenswert ist der auf jeden Fall.


Pro & Contra

+ Franquins Entwicklung ist nachvollziehbar
+ redaktioneller Teil
+ Spirou im Wilden Westen und Schmuggel erfüllen die Erwartungen

0 die meisten Geschichten hangeln sich von Gag zu Gag, deren Pointen nicht immer sitzen

Bewertung:

Handlung: 3/5
Charaktere: 3,5/5
Zeichnungen: 3/5
Lesespaß: 4/5
Preis/Leistung: 4,5/5


Literatopia-Links zu weiteren Titeln von André Franquin:
 
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Rezension zu Spirou und Fantasio – Gesamtausgabe Bd.3
Rezension zu Spirou und Fantasio – Gesamtausgabe Bd.10
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