Arrow Books 2014
TB 290 S., ₤ 8,99
ISBN 978-0-09-959129-0
Rezension der englischen Originalausgabe
Die deutsche Fassung „Tod zwischen den Zeilen“ erscheint am 20. Mai 2015
Genre: Kriminalroman
Inhalt
Aus der angesehenen Biblioteca Merula im Stadtteil Dorsoduro werden mehrere wertvolle Bücher gestohlen und andere durch das Entfernen einzelner Seiten vandalisiert. Bemerkt wird der Diebstahl vom Bibliotheksmitarbeiter Piero Sartor. Die Bibliotheksleiterin Dottoressa Patrizia Fabbiani und das Personal verdächtigen Joseph Nickerson, einen Wissenschaftler aus Kansas, der sich mit einem Empfehlungsschreiben seiner Universität Zugang zur ansonsten Venezianern vorbehaltenen Bibliothek verschafft hat und nun verschwunden ist. Eines der gestohlenen Bücher war ein Geschenk der verwitweten Contessa Morosini-Albani, einer Patronin der Bibliothek. Brunetti ist sie als eine alte Schulfreundin seiner Schwiegermutter persönlich bekannt. Von der Contessa erfährt er einiges über die dunklen Geheimnisse des Schwarzmarktes für antiquarische Bücher, über den „venezianischen akquisitorischen Impuls“, Sammler und Wert. Zum Schaden ihrer Stiefkinder will sie ihren wertvollen Buchbestand der Bibliothek vererben.
Die Sicherheitsvorkehrungen laden förmlich zum Diebstahl ein: das Personal kontrolliert allenfalls die Taschen der Besucher beim Verlassen der Bibliothek. Ein elektronisches Sicherheitssystem wird voraussichtlich erst in einigen Monaten installiert werden. Brunetti vermutet ein Trojanisches Pferd in der Bibliothek. Er erhofft sich Informationen von dem ehemaligen Priester „Tertullian“, der Theologielehrer an einer Privatschule für Jungen in Vicenza war und gefeuert wurde. „Tertullian“ liest seit drei Jahren fast täglich in der Bibliothek die alten Kirchenväter und wird von den Bibliotheksangestellten schon fast als Inventar oder Kollege betrachtet. Mit richtigem Namen heißt er Aldo Franchini. Sein Arbeitsplatz liegt bei dem von Nickerson. Als Brunetti ihn in seinem Haus in Castello befragen will, reagiert niemand auf sein Klingeln.
Rezension
By Its Cover ist Donna Leons 23. Roman um Commissario Guido Brunetti aus Venedig, der zunächst in einer harmlosen Angelegenheit ermittelt, bis mit einem blutigen Mord der Fall eine unvorhergesehene schaurige Wendung nimmt. Über die verschlungenen Kanäle der Informationsbeschaffung taucht Brunetti in die Geheimnisse des Schwarzmarktes für antiquarische Bücher und das verborgene Leben der Verdächtigen ein. Er erfährt, was den Wert alter Bücher ausmacht, dass die Diebe Profis sind und oft auf Bestellung arbeiten, im Auftrag meist männlicher Kunden, die vor ihren Freunden angeben wollen: Einen Ferrari kann sich jeder kaufen, aber einen Galilei Kodex oder eine Erstausgabe aus dem sechzehnten Jahrhundert nicht. Ein solches Buch ist Investment und Prestigeobjekt in einem. Bücherdiebstahl ist ein lukratives Geschäft und ein großes Problem für die Polizei, denn oft machen Bibliotheksmitarbeiter gemeinsame Sache mit den Dieben. Der Fall der Girolami Bibliothek in Neapel, wo der Direktor selbst die Bestände geplündert hat, ist Brunetti noch frisch im Gedächtnis.
Bei seinen Recherchen inspiziert er den Tatort und informiert sich über die Abläufe in der Bibliothek, die in das Geschehen involvierten Personen. Immer wieder sucht er das direkte Gespräch, den Dialog mit Zeugen, Verdächtigen, Mitarbeitern. Dabei erweist sich Brunetti als ein Beobachter, der auch kleinste Details wahrnimmt und memoriert. Diese Stärke bringt ihn auf die Spur eines kleinen schmutzigen Mörders, der Mitleid und Abscheu erregt und ihn lange Zeit an der Nase herumführt. Brunetti lässt sich nicht nur etwas vormachen, er führt sich auch selbst durch ein Vorurteil in die Irre. In By Its Cover lernt er, niemals ein Buch nach seinem Umschlag und Menschen nach ihrem Äußeren zu beurteilen.
Auch die negativen Veränderungen in der Stadt werden von ihm registriert. Während er durch die Straßen und Gassen geht, stellt er Überlegungen zu dem MOSE-Projekt und den Kreuzfahrtschiffen an, beides im Kontext von Korruption und Stadtzerstörung, der zunehmenden Touristenzahl und der abnehmenden Einwohnerzahl; und er erfährt durch seine Frau Paola von einer möglichen Erpressung eines Hoteliers durch einen Finanzbeamten. Diese kritische Betrachtung der Stadtentwicklung ist typisch für die Brunetti-Romane.
Fazit
Wie immer ist es ein Vergnügen, als Leser dem Commissario Guido Brunetti wie ein Schatten durch die calle und Kanäle Venedigs und seinen Gedankengängen über Philosophie, Kultur, die Architektur der Stadt und das Verhalten seiner Bewohner zu folgen.
Pro und Kontra
+ subtiler und eleganter Mystery über das Verschwinden alter Bücher und damit das Verschwinden der Erinnerung an Kultur, Ideen etc.
+ lädt zum Miträtseln ein
+ glaubwürdige Psychologisierung der Figuren
+ ausgefeilte Dialoge mit literarischen Verweisen und Ironie
+ der Leser erhält einen Einblick in die höhere venezianische Gesellschaft und die Probleme der Stadt
Wertung:
Handlung 5/5
Charaktere 5/5
Lesespaß 5/5
Preis/Leistung: 5/5
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