Das Seelenhaus (Hannah Kent)

Kent Hannah-Das Seelenhaus

Droemer-Knaur Verlag, 1. Auflage August 2014
Gebundene Ausgabe, 384 Seiten,
OT: Burial Rites
aus dem australischen Englisch von Leonie Reppert-Bismark
19,99 Euro [D] | € 9,30 [A] | CHF 13,50*
ISBN-13: 978-3-426-19978-7
Genre: Historienroman


Klappentext

„Sie sagen, ich soll sterben. Sie sagen, ich hätte Männern den Atem gestohlen und jetzt müssten sie mir den meinen stehlen.“

Island 1828. Agnes ist eine selbstbewusste und verschlossene Frau. Sie wird als hart arbeitende Magd respektiert, was sie denkt und fühlt, behält sie für sich. Als sie des Mordes an zwei Männern angeklagt wird, ist sie allein. Die Zeit bis zur Hinrichtung soll sie auf dem Hof eines Beamten verbringen. Die Familie ist außer sich, eine Mörderin beherbergen zu müssen – bis Agnes Stück um Stück die Geschichte ihres Lebens preisgibt.


Die Autorin

Hannah Kent, geboren 1985 in Adelaide, Australien, hat zum ersten Mal während eines Schüleraustausches in Island die Geschichte von Agnes Magnúsdóttir gehört. Sie ist die Mitbegründerin und Herausgeberin der Literaturzeitschrift Kill zur Darlings. 2011 erhielt sie den Writing Australia Unpublished Manuscript Award für Das Seelenhaus. Ihr Roman ist mittlerweile in zwanzig Länder verkauft. In ihrer Heimat Australien und in Englang stürmte sie die Bestsellerlisten.


Rezension

Im Jahr 1828 wurden in Island auf einem Bauernhof zwei Männer grausam ermordet und anschließend verbrannt. Die angeblichen Täter, die Magd Agnes Magnúsdóttir und ein junges Paar, Fridrik Sigurdssón und Sigrídur Gudmundsdóttir, wurden zum Tode verurteilt. Da Island zu dieser Zeit unter der Regentschaft Dänemarks stand, muss das Urteil vom König Dänemarks geprüft und unterschrieben werden. Während der Landrat auf die Bestätigung der Urteile wartet, lässt er die Verurteilten in Ermangelung eines Gefängnisses auf den Höfen verschiedener Beamten unterbringen. Agnes Magnúsdóttir wird auf den Kornsáhof verbracht. Die ansässige Familie ist nicht begeistert, vor allem die Hausherrin Margrét ist schockiert und fürchtet um das Leben ihrer zwei Töchter. In ihren Augen kann ein Mensch, der einen Menschen tötet, nur ein Monster sein. Als sie Agnes dann das erste Mal sieht, ist sie geschockt. Die Magd ist dürr vor Hunger, starrt vor Dreck und trägt Spuren von Gewalt. Trotz aller Vorbehalte nimmt sich Margrét der Mörderin an. In den folgenden Monaten arbeiten sie Hand in Hand, und jedes Mitglied der Familie beginnt sich an die stille, arbeitsame Magd zu gewöhnen, ja, sie sogar zu schätzen. Nach und nach öffnet sich Agnes. Zusammen mit dem Vikar erfährt die Familie mehr über Agnes leben und auch was in jener Nacht wirklich geschah.

Hannah Kent widmet ihren Debütroman der bewegenden Geschichte Agnes Magnúsdóttirs. Agnes ist die letzte Person, die auf Island zu Tode verurteilt wurde. Auf den ersten Blick ist sie so still, schroff und kalt wie Island selbst. Scheinbar ungerührt akzeptiert sie ihr Urteil. Auch auf der beschwerlichen Reise zum Kornsáhof spricht sie kein Wort, weder Beschwerden über den rauen Umgang noch ein einziger Schmerzenslaut kommen ihre Lippen, obwohl sie zahlreiche Wunden trägt. Stumm erträgt sie ihr Leid. Doch wie die raue Insel entfaltet sie besondere Schönheit, sei es in ihren privaten Erinnerungen oder in den Erzählungen, die sie mit Margrét und ihrer Familie oder dem Vikar teilt. Um diesen diffizilen Charakter etabliert Kent eine atmosphärisch dichte Geschichte in einer der entlegensten Gegenden der Welt. Während eisiger Wind durch die Ritzen des runtergekommenen Torfhauses kriecht, und es beharrlich dunkel scheint, wirkt Kent eine Geschichte über das, was vor dem Mord, und während des Aufenthalts auf dem Kornsáhof geschah. Obwohl das Ende bekannt ist, gelingt es Kent, Spannung darum aufzubauen, was in der Mordnacht wirklich geschah.

Es ist keine reine Geschichte über Schuld und Sühne. Kent adressiert Vorurteile, Neid, Eifersucht, aber auch Liebe. Es ist die Geschichte über eine Frau, die als Kind von ihrer Mutter verlassen wurde und ihr Leben damit verbrachte, von Hof zu Hof zu ziehen. Agnes besitzt zwar keine Schulbildung, aber sie intelligent und zielstrebig. Beharrlich arbeitet sie an einer Verbesserung ihrer Situation, bis sie einen Mann kennenlernt und sich verliebt. Sie folgt der Liebe, gibt sich in ihrer Sehnsucht nach Zugehörigkeit hin und verliert alles. Während sie auf dem Hof arbeitet, gelingt es ihr den Schmerz über den Verlust des Geliebten Natan zumindest zeitweise zu vergessen. Doch am Abend holen sie die Gefühle und die Angst vor dem bevorstehenden Tod wieder ein. Vikar „Toti“, der sie auf den Tod vorbereiten soll, leistet ihr in dieser Zeit Gesellschaft, obwohl er selbst noch sehr jung ist und keine Erfahrung in solchen Belangen hat. Er ist der Erste, der ahnt, dass etwas nicht stimmt. Als er beim Landrat vorspricht, muss er am eigenen Leib erfahren, dass diesem nicht an die Wahrheit gelegen ist. Heute wie damals geht es um Macht und darum, diese zu erhalten. Ein Täter muss her und da die anderen beiden Täter noch sehr jung sind, kann nur Agnes die Anstifterin sein.

Hannah Kent hat jahrelang Aufzeichnungen und Bücher studiert, um die Geschichte Anges Magnúsdóttirs würdig darstellen zu können. Lücken hat sie behutsam und organisch gefüllt. So ergibt sich ein authentisch scheinender Roman, der mit Agnes als äußerst lebendigen Charakter und durch die schroffe Umgebung Islands besticht. In einer schnörkellosen Sprache fängt sie Emotionen ein und beschreibt poetisch die Schönheit des Landes ein. In diesem Fokus kommen die anderen Figuren, sei es der Vikar, die Hausherrin Margrét oder deren Töchter, die durchaus reizvolle Ansätze zeigen, allerdings kaum zum Scheinen.


Fazit

In der unwirtlichen Landschaft Islands kreiert Hannah Kent eine düstere Geschichte, um die Magd Agnes, die 1828 des Mordes an zwei Männern für schuldig befunden wurde. In einer lyrischen Sprache entsteht ein atmosphärischer Historienroman darum, was vor dem Mord und in den Monaten bis zur Hinrichtung geschah. Kents Roman Das Seelenhaus um Schuld und Sühne besticht durch eine vielschichtige Protagonistin, die sich nach und nach dem Leser öffnet und so ihr Schicksal offenbart.


Pro/Contra

+ Agnes
+ Islands Landschaft
+ Kents poetischer Schreibstil

o Ende ist vorgegeben
o viele Rückblenden/ Erinnerungen

- die andere Charaktere werden kaum entwickelt

Bewertung: sterne3.5

Charaktere: 3,5/5
Handlung: 3,5/5
Lesespaß: 3,5/5
Preis/Leistung: 3/5