Interview mit Tommy Krappweis
zur Verfilmung von "Mara und der Feuerbringer"
Literatopia: Hallo, Tommy! Deine Jugendbuch-Trilogie „Mara und der Feuerbringer“ hat es in die deutschen Kinos geschafft. Wie hast Du die Premiere erlebt? Und wie waren die Reaktionen des Publikums?
Tommy Krappweis: Die Premiere war einfach unglaublich – im positiven Sinne. Man kennt das ja von „Hobbit“ und Co dass manche Leute in Gewandung kommen. Die dürfen aber dann oft nur am roten Teppich hinter den Absperrungen stehen und das wollte ich auf gar keinen Fall.
Also haben wir einen Aufruf unter den Conventiongängern, Mittelalter/Reenactment- und auch den Schandmaul-Fans gestartet: Wer in Gewandung kommt und sich per Mail anmeldet, bevor das Kontingent an Karten zur Neige geht, läuft zusammen mit den Hauptdarstellern über den roten Teppich ins Kino ein und wir schauen den Film alle zusammen. Es hat reibungslos geklappt und war wirklich für alle eine einzigartige Sache.
Während des Films gab es Szenenapplaus und am Ende Standing Ovations. Das gibt es bei Filmpremieren verdammt selten, ich hab es noch nie erlebt und auch die Leute vom Verleih waren beeindruckt.
Literatopia: Wann war für Dich klar, dass „Mara und der Feuerbringer“ filmisch umgesetzt werden muss? Hast Du bereits beim ersten Roman daran gedacht oder ergab sich das erst später?
Tommy Krappweis: Ich hab schon beim Schreiben Bilder im Kopf gehabt, ebenso Wunschbesetzungen wie zum Beispiel Christoph Maria Herbst als Loki. Entsprechend hatte ich ihm schon vor fünf Jahren den ersten Band der Trilogie geschickt und dann die anderen beiden hinterher, die er dann tatsächlich auch alle gelesen hat. So dauerte seine Entscheidung nach Erhalt des Drehbuchs nur zwei Tage und dann hat Christoph ja auch das Hörbuch (vor-)gelesen.
Literatopia: Wie schwierig war es, „Mara“ filmisch umzusetzen? Man denke an Drehgenehmigungen, Schauspieler, Werbung, Special Effects und natürlich das liebe Geld …
Tommy Krappweis: Ein Fantasyfilm in Hollywood kostet gerne zwischen 100 und 200 Millionen Dollar. Wir hatten 6,5 Millionen, was viel Geld ist, aber für so ein Unterfangen ein Fliegenschiss. Insofern mussten wir uns sehr genau überlegen, was wir dringend brauchen und was man vielleicht auch weglassen oder anders erzählen kann. Das bin ich aber vom Fernsehen gewöhnt. Im Endeffekt war die Produktion dieses Filmes für mich deutlich entspannter als sonst. Denn Du hast für einen Kinofilm mehr Zeit am Set, mehr Vorbereitungszeit, mehr Schnittzeit und so weiter. So konnten wir den Dreh auch mit nur einer Handvoll Überstunden abschließen. Im Endeffekt war es viel Arbeit, aber als „schwierig“ würde ich es nicht bezeichnen. Dafür hat es einfach zu viel Freude gemacht.
Literatopia: Ursprünglich sollte Mara von Maja Probst gespielt werden – warum ist es letztlich Lilian Prent geworden? Und wie gut hat sie Mara umgesetzt?
Tommy Krappweis: Maja wurde im Lauf der Zeit die es braucht, um einen Film auf die Beine zu stellen, zu „erwachsen“. Als wir Testaufnahmen mit Jan Josef Liefers als Professor Weissinger machten, wirkten die beiden eher wie ein etwas ungleiches Liebespaar und das ging leider gar nicht. Maja selbst erkannte ebenso, dass das nicht mehr passte. Also gingen wir mit wachsender Hektik auf die Suche – kurz vor Drehbeginn!
Erst ziemlich am Ende brachte ich die Tochter meines Stiefbruders, Lilian Prent, ins Spiel. Sie hatte gerade einen knochenharten Job in ihrem Debutfilm „Jeder Tag zählt“ hinter sich gebracht, da ging es um das volle Programm: Krebserkrankung, Krankenhausszenen, zitternd nackt in der Dusche kauern und viele viele Schauspieltränen. Nachdem wir aus dieser Produktion erste Szenen gesehen hatten, war klar, dass Lili unsere Mara spielen kann. Und während Maja äußerlich nah an Mara dran war, musste Lili nun eine Perücke und Kontaktlinsen tragen und ihr quirliges Wesen komplett eindampfen auf dieses stille, unsichere und unwillige Wesen, das ich in meine Bücher getippt hatte: Eine gigantische Schauspielleistung.Hinzu kam, dass ich alles dran setzen wollte, um das typische „Schauspiel-Hochdeutsch“ zu vermeiden. Ich wollte Denkpausen, nach-worten-suchen, eine durchgängig überforderte Haltung und dazu auch mal eine pubertäre Grimasse. Kein einfacher Job.
Literatopia: Du warst selbst Regisseur beim Film. Ist es ein Vorteil, wenn man für die Verfilmung seines eigenen Romans Regie führt? Oder war es auch manchmal hinderlich, weil es Dir beispielsweise schwer fiel, etwas fürs Kino zu kürzen?
Tommy Krappweis: Ich kann hier nicht für andere sprechen, für mich war es auf jeden Fall völlig okay. Ich kann mich an keine Sache erinnern, die mir wirklich wichtig war, die dann nicht auch im Film landete. Alle Dinge, die es nicht in den Film geschafft haben, sind im Buch trotzdem gut aufgehoben.
Literatopia: Wie stark hält sich der Film an die Buchvorlage? Gab es beispielsweise Szenen aus dem Buch, die im Film nicht umgesetzt werden konnten und geändert / weggelassen wurden?
Tommy Krappweis: Die einzige Sache, die mir wirklich Sorgen bereitete, war die Attacke des Lindwurms auf der Ludwigsbrücke vor dem Deutschen Museum. Die Drehgenehmigung hätten wir zwar bekommen, aber nur mit der irrwitzigen Auflage, dass die Radfahrer und die Trambahn durchgehend fahren dürften. Das war natürlich völlig illusorisch. Letztendlich sorgte das aber dafür, dass wir eine so tolle Idee als Ersatz hatten, dass ich das so am liebsten rückwirkend im Roman geändert hätte.
Und natürlich hätte ich gerne Maras Ritt auf der Midgardschlange umgesetzt, aber leider gelten für einen Film andere Gesetze. Alles, was nicht direkt mit der Weiterentwicklung der Handlung zu tun hat, wird in einem Film als störend empfunden. Also mussten alle Visionen von Mara so umgesetzt werden, dass sie mit dem Rätsel rund um Loki zu tun haben. Diese für Mara und auch den Leser ganz bewusst verwirrenden Reisen in diverse Situationen der germanischen Mythologie wie im Buch wären für einen Film nicht passend.
Literatopia: Was hat Dir während dem Dreh am meisten Freude bereitet? Und gab es auch richtig frustrierende Momente?
Tommy Krappweis: Es war jedes Mal eine Freude, wenn die Schauspieler ans Set kamen und zum ersten Mal den Text durchspielten. Dieser Moment, wenn etwas das man vor sechs Jahren begonnen hat, plötzlich vor Deinen Augen zum Leben erwacht, ist immer und immer wieder einzigartig.
Ich kann mich an nichts erinnern, was frustrierend oder nervig gewesen ist. Außer dem üblichen Mist wie „Sonne geht unter!“ oder „Schauspieler müssen in 30 Minuten zum Flughafen“. Aber das ist wie es ist.
Literatopia: „Mara und der Feuerbringer“ hast Du damals zuerst Testlesern aus dem Fantasy-Forum präsentiert. Was sagen die User zum Mara-Film?
Tommy Krappweis: Einer der Testleser war sogar am Set! Ich hatte ja damals schon gesagt: „Wenn wir das drehen, kommt bitte ans Set!“Letztlich hat es dann nur bei „Simon The Sorcerer“ geklappt, aber der durfte dann auch gleich mit unserem Cameo Billy Boyd gemeinsam in einer Szene in einem Linienbus sitzen. Alle, die den Film gesehen haben, sind schwer begeistert. Simon hat nicht nur einen tollen Drehbericht von seinem Tag am Set sondern auch eine ganz wunderbare Filmkritik im Forum gepostet: klick
Literatopia: Leider hat sich „Mara und der Feuerbringer“ an den Kinokassen nicht wirklich gut geschlagen – einen zweiten Teil wird es wohl nicht geben? Was meinst Du, woran lag es? Die Kritiken waren ja durchaus positiv …
Tommy Krappweis: Was ich zunächst völlig unterschätzt hatte, ist die enervierende Einordnung in die Schubladen, die das deutsche Kino offensichtlich dringend braucht. Mein Film ist eigentlich für alle, ebenso wie ich bei den Büchern niemand ausschließen will.
Aber „für alle“ ist wohl keine Zielgruppendefinition, mit der man in Deutschland arbeiten kann. Also entschloss sich der Verleih für die Sparte „Family Entertainment“ und ich konnte das aus deren Warte nachvollziehen. Im Nachhinein betrachtet war das wohl ein Fehler, denn dieser Film ist zwar auch Family Entertainment, aber eben nicht nur. Und er ist ganz sicher kein typischer „Kinderfilm“. Als ein solcher wurde er aber aufgrund der Spielzeiten, der Präsentation und der Trailer vom Publikum eingeordnet. Und das wird dem Film in keinster Weise gerecht. Die Menschen, die in den Film gehen sind eigentlich die gleichen, die auch Harry Potter, Herr der Ringe, Hobbit und Co anschauen und dazu kommen eben noch die Familien mit Kindern ab sagen wir mal acht Jahren. Die FSK6 sagt ja nur, dass es verboten ist mit Kindern unter 6 ins Kino zu gehen. Es geht um Jugendschutz, nicht um eine Altersempfehlung. Trotzdem bekamen wir das Prädikat „Wertvoll“ plus eine Empfehlung der Jugendjury und dann noch supertolle Kritiken quer durch die Bank von BILD, über GameStar, Süddeutsche Zeitung, DPA… Natürlich gabs auch Verrisse, aber nur vereinzelt. 90% aller Kritiken waren und sind rundum positiv.
Als der Film dann so furchtbar schlecht startete, war ich gerade auf der HobbitCon und da stand ich nun auf der Opening Ceremony vor den Leuten, für die ich den Film gedreht hatte und zu diesem Zeitpunkt wäre es einfach armselig und gelogen gewesen, das alles gespielt happy weg zu witzeln oder gar zu verschweigen, was gerade passierte. Ein Satz daraus ist nach wie vor zitierfähig: „Wir haben die Muggels nicht gekriegt.“ Denn genau das ist es. Die meisten, die via Conventions oder Facebook mehr oder weniger direkt von mir selbst mitbekommen hatten, dass der Film jetzt läuft, waren auch gewillt ihm eine Chance zu geben. Das war dann aber auch schon wieder.
Die Muggels wussten entweder nix von dem Film oder straften ihn mit Nichtbeachtung. Und womit allerdings niemand wirklich gerechnet hatte, war der regelrechte Hass, der dem Film im Web entgegenschlug, nur weil wir es „wagen“ einen deutschen Fantasyfilm rauszubringen. Was ich bei der Trailerveröffentlichung auf YouTube an Beschimpfungen und unfairen Vorverurteilungen lesen musste, spottete jeder Beschreibung. „Ey, lasst es ma lieber bleiben, die Deutschen hams halt ned drauf.“ Oder „Wenn ich schon die Besetzung seh‘…“ und das alles deutlich unflätiger, als ich das jetzt hier wiedergeben will. Doch dann passierte etwas Tolles: Es war nämlich unglaublich, was ich täglich an wunderbaren Nachrichten bekam und nach wie vor bekomme! Von Menschen, die den Film trotz der schwierigen Spielzeiten gesehen haben und dann zwei, drei oder gar zehnmal reingehen.
Dazu kommt die Unterstützung aus den verschiedenen Szenen, Fandoms und Communities – bei manchen hatte es auch schon den gegenteiligen Effekt, weil man sich regelrecht genötigt sah, dem Film eine Chance zu geben. Das ist natürlich auch nicht Sinn der Sache, denn ich will nicht dass mein Film candycrushisiert wird. Aber nicht „nur“ die großen Conventions haben per Mailing und Postings aufgerufen, dem Film eine Chance zu geben, auch auf Startrek.de war ein Aufruf zu lesen, bei der deutschen 501 Garrison der Star Wars Fans, im Science Fiction Club Deutschland, in diversen Mittelalter- und Reenactment-Foren, bei Clockworker.de und auf vielen, vielen anderen Blogs.
Und als jetzt bekannt wurde, dass der neue Avengers-Film aufgrund der Verleihpolitik von Disney von diversen Kinos boykottiert wurde, durfte ich im Focus von einer Dame lesen, die vorschlug stattdessen „den Film von Tommy Krappweis“ zu zeigen, denn der „soll richtig gut sein“. Phantanews.de veröffentlichte einen regelrechten Rant zum Thema und blies ins gleiche Horn. Außerdem formierten sich in mehreren Städten Gruppen in Gewandung, die dann gemeinsam weithin sichtbar (dank Feuerschlucker) und auch hörbar (dank Dudelsack) in die Mara-Vorstellungen einzogen. Einige Fotos davon findet man auf der Facebook Page des Films, ich bin jedes Mal total begeistert. Aber leider reicht all das nicht aus, um Deutschlandweit die kritische Masse zu bewegen, die es braucht um den berühmten Schneeballeffekt zu erreichen. Dazu hätten wir wohl deutlich mehr klassisches Marketing gebraucht.
Allerdings sieht es jetzt im Moment so aus, als würde der Film ein unerwartetes zweites Leben eingehaucht bekommen, denn einige Kinos haben wohl Gefallen an MARA gefunden und spielen ihn immer noch. Außerdem habe ich mehrere Einladungen bekommen, meinen Film in diversen Kinos zu präsentieren. Gerade am Freitag war ich zusammen mit Lilian Prent in Bad Reichenhall und es war eine richtig tolle Veranstaltung. Im Moment sieht es ziemlich danach aus, als wäre MARA UND DER FEUERBRINGER ein deutlich längeres Leben beschert, als man nach den ersten Wochen vielleicht angenommen hätte. Und das freut alle, die an dem Film gearbeitet und ihr Herzblut hineingepumpt haben und natürlich auch all diejenigen, die auf eine Verfilmung der zwei weiteren Bände hoffen. Mich eingeschlossen.
Literatopia: Herzlichen Dank für das Interview, Tommy!
Autorenfoto und Filmausschnitte: © 2015 Constantin Film Verleih GmbH
Mehr über Mara auf www.maraundderfeuerbringer.de
Mara-Special mit Tommy Krappweis (Januar 2011)
ausführliches Interview mit Tommy Krappweis (November 2009)
Rezension zu "Mara und der Feuerbringer" (Band 1)
Rezension zu "Mara und der Feuerbringer - Das Todesmal" (Band 2)
Rezension zu "Mara und der Feuerbringer - Götterdämmerung" (Band 3)
Dieses Interview wurde von Judith Gor für Literatopia.de geführt. Alle Rechte vorbehalten.