Scotland Yard (Dobbs, Stéphane Perger)

Verlag: Splitter-Verlag; (Dezember 2014)
Gebundene Ausgabe: 96 Seiten; 19,80 €
ISBN-13: 978-3958390331

Genre: Krimi/ Thriller


Klappentext

Dezember 1889

Inspektor Gregson gehört zum bedeutendsten Nachwuchs von Scotland Yard. Dennoch könnte seine Karriere noch weiter vorangetrieben werden, wenn er nicht der Prügelknabe seines Vorgesetzten Lestrade wäre.
Als ein Gefangenentransport aus Newgate nicht nach Plan verläuft, findet sich der Inspektor deshalb auf einer niederen Position wieder, im Keller des Schwarzen Museums von Scotland Yard. Eine Strafe, die sich schnell als Gelegenheit erweist, um Commissioner Fix, dem Vorgesetzten der Vorgesetzten, Gregsons wahren Wert zu zeigen.
Als Kopf einer ungewöhnlichen Mannschaft, bestehend aus einem Straßenjungen sowie einem Psychiater und einer Assistentin, wird Gregson ein Bündnis mit dem Teufel eingehen. Er wird mit der Londoner Unterwelt zusammenarbeiten, um zwei gefährliche Geisteskranke zu verfolgen, die das Fiasko während des Transports genutzt haben und verschwunden sind. Zwei Geistesgestörte, die der Londoner Bevölkerung zeigen werden, was der Begriff Terror wirklich bedeutet...


Rezension

Dezember 1889 ein Jahr nach den Ripper-Morden in London wird Inspektor Gregson beauftragt einen Gefangenentransport zu überwachen. Aber etwas ist seltsam an dieser Fahrt. Murdstone, der beste Fälscher Londons wird ebenfalls verlegt, zusammen mit zwei geisteskranken Häftlingen, deren Namen Carfax und Renfield sind und die in die Obhut Dr. Sewards gegeben werden sollen. Auf der Fahrt erklärt sich dieser Umstand recht schnell. Der Wagen wird angegriffen. Bradstreet, enger Mitarbeiter von Gregson, stirbt auf tragische Weise und die Gefangenen können fliehen. Für Murdstone eine kurze Flucht, wird er wenig später ermordet aufgefunden. Die beiden anderen Insassen sind verschwunden und überziehen London fortan mit einer Mordserie, wobei Renfield der schlimmere und gewalttätigere der Beiden ist.
Inspektor Gregson hingegen wird von Lestrade der Rücktritt nahegelegt, aber Comissioner Fix glaubt an ihn und seine Fähigkeiten und so findet sich Gregson im Schwarzen Museum im Keller wieder. Er soll von da aus Jagd auf Renfield und Carfax machen. Dabei unterstützen ihn Dr. Seward und Miss Clerval. Trotzdem muss er ebenso zu den äußersten Mitteln greifen. Er sucht Hilfe bei Colonel Moran, rechte Hand von Professor Moriarty. Carfax ist recht schnell gefasst, aber Renfield ist ein ganz anderes Kaliber. Und da ist noch ein gewisser Bram Stoker, der bei Fix auftaucht und ihn bittet ihm bei seinen Recherchen zu helfen.

Mit Scotland Yard legen Dobbs und Stéphane Perger ein Werk vor, das gespickt ist mit literarischen Anspielungen auf so gut wie jeder Seite. Jede Figur, die ihre Heimat im London der Zeit hat, scheint einen kleinen Auftritt in Person oder als Erwähnung zu haben. Dies beginnt bei so offensichtlichen Namen, wie Renfield, Carfax oder Colonel Moran und Lestrade und endet bei Comissioner Fix und dem bekannten Weltreisenden Phileas Fogg. Alle sind auf ihre Weise mal mehr oder weniger stark mit der Geschichte verbunden. Was somit leicht, zu viel und übertrieben hätte werden können, und die Gefahr birgt wenig Wert auf die Geschichte gelegt zu haben. Glücklicherweise nutzt Dobbs seine Charaktere, um eine spannende Handlung rund um die Entstehung von Bram Stokers Dracula zu entwickeln. Der Autor selbst tritt dabei nur ganz am Anfang und am Ende in Erscheinung, wenn er die Ermittlungsakten erhält. Dazwischen liegt ein Serienmörderthriller auf sehr hohem Niveau, der beständig die Spannungsschraube anzieht und seinen Charakteren genug Raum gibt, sich zu entwickeln. Stereotypen sind auf diesen Seiten nicht zu finden. Renfield bekommt Beweggründe für sein Handeln und die altbekannten Figuren bleiben sich treu, in Bezug auf ihren Charaktere, wenn sie auch eine realistische Neuinterpretation erfahren. Dobbs widersteht zudem der Versuchung seine Geschichte mit übernatürlichen Elementen anzureichern, wie es so häufig geschieht, sondern bleibt geerdet und somit durchaus realistisch. So ergibt sich aus der Vielzahl der Zutaten ein homogenes Ganzes, in der die großen literarischen Figuren nebeneinander bestehen können und doch die Handlung im Mittelpunkt steht. Scotland Yard ist extrem gut geschrieben und mit den Auftritten Stokers perfekt abgerundet und man könnte fast der Meinung sein, dass sich die Ereignisse so abgespielt haben, die Bram Stoker dann abgewandelt für seinen Roman genutzt hat. Allein von dieser Warte ist Scotland Yard als Höhepunkt des Comic-Jahres zu bezeichnen.

Stéphane Perger rundet Scotland Yard dann mit seinen Zeichnungen endgültig ab. Der Zeichner von Sequana, welches ebenfalls erst vor kurzem bei Splitter erschien, zeigt erneut, wie grandios Comics gezeichnet werden können und warum sie auch als Neunte Kunst bezeichnet werden. In seinen Bildern fängt er die Stimmungen der Situationen und Ereignisse ein, greift auf unkonventionelle Anordnungen der Panels zurück und verleiht jeder Figur, jedem Ort die richtige Ausstrahlung. Auch hier sind seine besten Bilder nicht unbedingt die, die die Handlung vorantreiben, sondern Dinge abseits des Geschehens zeigen und doch zentral für Stimmung und Atmosphäre sind. Perger ist mit Sicherheit zur Zeit einer der besten Zeichner, der es bestens versteht Farben, Zeichnungen, Blickwinkel und Stimmungen aufeinander abzustimmen. Dazu kommt, dass er mit Aquarellen arbeitet, die den Leser sofort in eine andere, vergangene Zeit zu entführen vermögen.

Scotland Yard ist ein Splitter Double, was bedeutet, dass beide Bände enthalten sind, dazu kommt leider kein Bonusmaterial, denn gerade bei einem Zeichner wie Stéphane Perger wäre ein Blick ins Skizzenbuch lohnenswert gewesen.


Fazit

Scotland Yard vereint eine spannende Krimi-/Thrillerhandlung mit unzähligen Literaturverweisen, die homogen ineinandergreifen. Stéphane Pergers Zeichnungen veredeln Dobbs Handlung und sind ein weiteres Mal mehr als genug Grund zu einem Comic/ einer Graphic Novel zu greifen.


Pro & Contra

+ viele literarische Figuren treffen aufeinander
+ Stéphane Pergers Zeichnungen sind erneut Spitzenklasse
+ hochspannend
+ neuer Blick auf alte Figuren

Bewertung:

Handlung: 4,5/5
Charaktere: 4,5/5
Zeichnungen: 5/5
Lesespaß: 5/5
Preis/Leistung: 5/5


Literatopia-Links zu weiteren Titeln von Stéphane Perger:

Rezension zu Sequana

Literatopia-Links zu weiteren Titeln von Dobbs:

Rezension zu Die Zeitmaschine
Rezension zu Der Krieg der Welten Bd.1
Rezension zu Die Insel des Dr. Moreau