Haus der Geister (John Boyne)

Piper Verlag (Oktober 2014)
Klappenbroschur, 336 Seiten, € 16,99
ISBN: 978-3-492-06004-2

Gerne: Horror, Mystery, Historik, Geistergeschichte


Inhalt

England 1867. Die junge Eliza Caine fährt in die englische Grafschaft Norfolk, um eine Stellung als Gouvernante anzutreten. Als sie an einem nebeligen Novemberabend müde und durchgefroren die Empfangshalle von Gaudlin Hall betritt, wird sie von ihren beiden Schützlingen Isabella und Eustace freudig begrüßt. Zu ihrer Überraschung stellt sie fest, dass außer den beiden Kindern niemand in dem alten viktorianischen Anwesen lebt – bis sie erkennen muss, dass sie dennoch nicht alleine sind. Etwas verfolgt sie und trachtet ihnen nach dem Leben. Eliza muss längst begrabene, tödliche Geheimnisse enträtseln, wenn sie nicht selbst den düsteren Mauern von Gaudlin Hall zum Opfer fallen will.


Rezension

Nicht zum ersten Mal bietet das viktorianische England die ideale Kulisse für eine stimmungsvolle Gruselgeschichte - „Haus der Geister“ bleibt dabei allerdings so konventionell wie es der Titel vermuten lässt.
Nach dem Tod ihres Vaters hält die junge Lehrerin Eliza Caine nichts mehr im lauten und schmutzigen London; kurzerhand tritt sie die Stelle als Gouvernante in einem eleganten Herrenhaus auf dem Land an. Doch schon kurz nach ihrer Ankunft häufen sich rätselhafte, merkwürdige und unheimliche Ereignisse. Was nun folgt, scheint beinahe eins zu eins aus dem Lehrbuch für Grusel- und Geistergeschichten entnommen zu sein. Stimmen, die nur die Protagonistin zu hören und merkwürdige Gestalten, die nur sie zu sehen scheint. Und die Menschen im nahe gelegenen Dorf scheinen nichts von alledem hören zu wollen und reagieren verschlossen und zurückweisend.

Doch auch, wenn all dies nichts wirklich Neues zu bieten hat, so versteht Boyne es immerhin, seine Geschichte ansprechend und atmosphärisch zu präsentieren. Schon von der ersten Seite an schlägt er den Leser in seinen Bann und holt ihn direkt ins nebelverhangene London. Und auch seine anderen Schauplätze zeichnet er mit Liebe zum Detail, sodass der Leser keinerlei Probleme damit hat, diese vor seinem inneren Auge zum Leben zu erwecken. Hierbei hilft auch Boyne’s routiniert-eleganter Schreibstil, der sich angenehm flüssig liest und Diese Sorgfalt lässt sich auch bei der Ausgestaltung der Charaktere beobachten; auch sie können größtenteils überzeugen - viele von ihnen sind dabei allerdings etwas überspitzt dargestellt. Besonders bei Eliza, die sichtlich an ihren Herausforderungen wächst und die immer mehr zur taffen Powerfrau wird, ist dies sicherlich gewollt. Und diese Entwicklung ist immerhin nachvollziehbar.

Erstaunlicherweise kommt jedoch zu keinem Moment der Lektüre - trotz ansprechender und passender Atmosphäre - richtiger Grusel oder gar echte Angst beim Leser auf. Auf den prickelnden Schauer der Gänsehaut wartet der Horrorfan die gesamte Länge des Romans über vergeblich. Das liegt natürlich zum einen an den abgenutzten Horromotiven, die zum Einsatz kommen: Einen alteingesessenen Fan des Genres können plötzliche Windstöße oder sich merkwürdig benehmende, blasse Kinder kaum das Fürchten lehren. Auf der anderen Seite trägt auch die extrem lineare und vorhersehbare Handlung nicht gerade zur Spannung bei. So aber passt die - zweifellos vorhandene - Atmosphäre eher zu einem historischen Familienroman. Und als solcher hätte die Geschichte - mit einer Portion unterschwelligem anstelle von aufgesetztem Grusel - vielleicht sogar besser funktioniert.


Fazit

Man muss das Rad nicht jedes Mal neu erfinden - Boyne hingegen wandelt auf gänzlich ausgetretenen Pfaden, sodass „Haus der Geister“ nicht auf ganzer Linie überzeugen kann. Denn auch wenn Boyne sich keine handwerklichen Fehler erlaubt, fehlt dieser Geistergeschichte doch das gewisse Etwas.


Wertung:

Handlung: 3/5
Charaktere: 3,5/5
Lesespaß: 3,5/5
Preis/Leistung: 3/5