Nachruf auf Christopher Lee

christopher leeAm Sonntag, den 7. Juni 2015, starb Christopher Lee. Einer der größten Schauspieler, die es je gegeben hat. Ein Gentleman und, so fern man es beurteilen kann, ohne ihn zu kennen, ein sehr angenehmer, vornehmer Mann, der sehr gebildet war. Die Journalisten machen es wie immer und zählen die großen Filme auf, in denen er mitgespielt hat und dann ist gleich wieder vergessen, wer da eigentlich gestorben ist. Im Prinzip bekommt man nur Fakten von ihnen. Dabei war er viel mehr als Dracula, Count Dooku, Dr. Fu Man Chu, Scaramanga und Saruman.

Er war ein Mensch, der sehr viel in seinem Leben gesehen und erlebt hat. Gutes und Schlechtes. Was zum Beispiel häufig vergessen wird zu erwähnen, ist seine Teilnahme am Zweiten Weltkrieg unter anderem auch bei einer nachrichtendienstlichen Spezialeinheit. Christopher Lee hat also in seinem Leben mehr als nur einmal das Böse, welches er so gut verkörpern konnte, gesehen. Und obwohl er sehr häufig den Gegner des Helden spielte, gelangte er zu ungeheurer Popularität und Beliebtheit. Denn er war niemals der tumbe Bösewicht, sondern strahlte immer das gewisse Etwas aus, eine Aura, die ihn überlegen wirken ließ, leicht aristokratisch, mit dem Hinweis darauf, dass unter der Oberfläche der Figur, die er spielte, die Finsternis lauerte.

So schaffte er es, ein ums andere Mal einen Film allein durch sein Auftreten zu retten. James Bond – Der Mann mit dem goldenen Colt wäre heutzutage ohne sein Zutun in Vergessenheit geraten und die neuen Star Wars Episoden 2 und 3 wären seelenlose Spektakel, wenn, ja wenn nicht ausgerechnet Christopher Lee Count Dooku gespielt hätte. Seine Präsenz, seine Ausstrahlung, seine Würde und auch Intelligenz in dieser Rolle zeigen, was alles in diesen ansonsten schlechten Filmen möglich gewesen wäre und ließ einen Jar Jar Binks vergessen. Die anderen Schauspieler dieser Filme hatten praktisch keine Chance einen bleibenden Eindruck zu hinterlassen. Würde man einen Star Wars Fan fragen, was an den Episoden 1 bis 3 gut sein soll, die Antwort wäre Count Dooku.

Darüber hinaus war Christopher Lee äußerst belesen und widmete sich jedes Jahr dem Herrn der Ringe. Mit seiner Erfahrung und seiner Begeisterung für Tolkiens Werk, den er einmal persönlich traf, war er somit die logische Wahl für Saruman. Als ich damals hörte, er sei für diese Rolle besetzt worden, dachte ich mir, wird schon passen, mehr nicht. Denn wie der Großteil der Journalisten und der restlichen Menschen war mir sein Name zwar ein Begriff, er hatte immerhin Dracula gespielt, aber wirklich bewusst wahrgenommen hatte ich ihn zuvor nicht. Dabei muss ich zu meiner Schande gestehen, spielte er in einem meiner absoluten Lieblingsfilme mit und ohne es zu wissen, verehrte ich seine Arbeit seit Kindesbeinen an. Die Rede ist von Das letzte Einhorn. Dort spricht er sowohl auf Englisch als auch auf Deutsch den finsteren König Haggard, mit einer Eindrücklichkeit, die nur er zu schaffen vermochte. Ich erinnere mich den Film als Kind gesehen zu haben und zwar insgesamt dem Einhorn die Daumen gedrückt zu haben, wobei der Rote Stier schon irgendwie cooler war, aber König Haggard nahm mich sofort gefangen. Wenn er sprach, hang ich an seinen Lippen und ein Schauer lief mir über den Rücken. Er war ganz der Bösewicht, von der Art, die ich am Liebsten mag. Hart, bedrohlich, unnachgiebig und doch mit einem gewissen Ehrgefühl und einer Ausstrahlung, die ihn weit über den üblichem Kanonenfutter für den Helden erscheinen ließ. Er brauchte keine Waffen oder tausend Gefolgsleute, um einem Angst einzujagen, er allein reichte.

Rückblickend muss ich sagen, dass gerade dieser Film, Das letzte Einhorn, zusammen mit Astrid Lindgrens Brüder Löwenherz und Ottfried Preußlers Kleiner Hexe dafür verantwortlich ist, dass ich auch heute noch liebend gerne in Fantasy-Welten abtauche. Die Existenz eines solchen Genres war mir damals nicht bewusst, aber ich wusste eins: Ich wollte mehr solcher Geschichten lesen, sehen und hören. Ich will nicht sagen, Christopher Lee wäre der einzige Grund, warum ich diesen Film heute noch gerne sehe und er allein für die Wirkung auf mich verantwortlich ist, aber seine Stimme hat einen großen Anteil daran und ein letztes Einhorn ohne ihn ist für mich undenkbar.

Als mir all dies bewusst wurde, war ich von der Wahl, ihn zum Saruman zu machen, begeistert. Wer einen König Haggard eine Stimme geben konnte, der musste einfach auch diesen verschlagenen und gefallenen Zauberer perfekt spielen und so war es auch. Das das Synchronstudio sein Angebot sich selbst zu synchronisieren ausschlug, mit der Begründung sie wollten eine Sprechprobe von ihm, machte mich etwas wütend, schließlich hat er sich auch schon zuvor selbst synchronisiert und wäre damit die bessere Synchronversion gewesen. Wie dem aber auch sei, für mich wird Christopher Lee immer König Haggard bleiben, der oben auf einer der Zinnen seines brüchigen Schlosses neben Lady Amalthea steht und sehnsüchtig aufs Meer hinausschaut. Dorthin, wo ein Schiff in den Westen aufbricht und an einem Gestade anlandet, an das Saruman nie gelangen wird, aber ein Christopher Lee hingehört. In ein Land der Legenden und wirklich großen Menschen.

Mára mesta

König Haggard, Saruman, Dracula, Dr. Fu Man Chu und Scaramanga

Cuio vae, Christopher Lee.

- Markus Drevermann

 

Bildquelle: Christopher Lee auf der Berlinale 2013, Avda, CC BY-SA 3.0