Der verschollene Prinz (C.S. Pacat)

Heyne (Juni 2015)
Originaltitel: The Captive Prince Book 1
Aus dem Amerikanischen von Viola Siegemund
Klappenbroschur, 320 Seiten, 12,99 EUR
ISBN: 978-3-453-31608-9

Genre: homoerotische Fantasy


Klappentext

Damen, der Kronprinz von Akielos, verliert durch ein Komplott seines Halbbruders den Thron und wird in die Sklaverei verkauft – ausgerechnet an Laurent, den Prinzen des verfeindeten Königsreichs Vere. Laurent – eitel, arrogant und grausam – steht für alles, was Damen hasst. Doch noch während er Fluchtpläne schmiedet, entdeckt Damen eine andere Seite von Laurent, und schon bald weiß er nicht mehr, was wichtiger für ihn ist: seine Freiheit oder Laurent …


Rezension

Kronprinz Damen wird von seinem Bruder verraten und als Sklave in das verfeindete Reich Vere gebracht – als Geschenk für den Thronerben Laurent. Denn Damen soll sich nicht etwa zu Tode arbeiten, sondern dem Prinzen zu Gefallen sein. Glücklicherweise hat der jüngere Laurent ihn noch nie gesehen und erkennt damit nicht, dass Damen ein Prinz von Akielos und damit der Todfeind ist. Sonst würde man ihn wohl töten lassen. Doch auch wenn Damen ein luxuriöses Gemach erhält, ist und bleibt er ein Gefangener, der den Launen seines Herrn ausgesetzt ist. Laurent benutzt ihn zwar nicht wie vorgesehen als Bettsklaven, doch er hat Freude daran, Damen zu quälen und ihn für seine Intrigen zu benutzen. Damen hasst den arroganten und grausamen Prinzen – bis er einen Blick hinter dessen eiskalte Fassade erhascht …

Die Welt in „Der verschollene Prinz“  erinnert an eine Mischung aus europäischer Antike und Orient, insbesondere das Königreich Vere, in dessen Palast der Reichtum überzuquellen scheint. Aufwändige, geometrische Muster verzieren Wände und Böden, die Gemächer sind von seidigen Vorhängen verhüllt und mit zahlreichen Kissen ausstaffiert. Und es stehen jederzeit warme Bäder zur Verfügung, um sich zu reinigen oder sich mit seinen Lustsklaven zu vergnügen. In Vere sind homosexuelle Praktiken etwas völlig Normales, denn nichts gilt als schlimmer, als einen Bastard zu zeugen. Um dieses Problem zu umgehen, vergnügen sich die Männer mit Lustknaben und Frauen haben Gespielinnen. Sklaven werden eigens zu diesem Zweck ausgebildet. Sie werden von ihren Herren geschmückt und verwöhnt, doch viele Sklaven müssen auch Übergriffe und Vergewaltigungen erdulden. Vor allem die höheren Lustsklaven können aber auch ganz schön biestig sein.  

Auch Damen hatte bereits sexuellen Kontakt zu Männern. Für ihn ist es ganz selbstverständlich, sich mit jedem zu vergnügen, der ihm gefällt. Allerdings fühlt er sich mehr zu Frauen hingezogen und der Gedanke, einem verfeindeten Prinzen als Lustobjekt zu dienen, widert ihn an. Überraschenderweise hat Laurent diesbezüglich gar kein Interesse an ihm – überhaupt scheint der arrogante Prinz niemanden in sein Bett zu lassen. Trotzdem behält er Damen und führt ihn am Hofe vor. Eiskalt benutzt Laurent ihn für seine Intrigen und dazu, seinem Onkel, der Vere stellvertretend bis zu Laurents Volljährigkeit regiert, eins auszuwischen. Aus Damens Sicht ist der Prinz wunderschön, doch sein attraktives Äußeres kann nicht über seinen miesen Charakter hinwegtäuschen.

Laurent gibt sich stets distanziert und überheblich und erscheint Damen wie ein verwöhnter Sadist. Doch nach und nach erkennt er, dass Laurent ganz genau weiß, was er tut und wie er sich geben muss, um seinen Willen durchzusetzen. Der Hof von Vere stinkt geradezu vor Falschheit und Lügen. Laurent bewegt sich stets auf dünnem Eis und hat eigentlich niemanden, dem er voll und ganz vertrauen kann. Die Prinzengarde steht zwar hinter ihm, doch sie kann einen echten Freund nicht ersetzen. Obwohl Damen von Laurent anfangs misshandelt wird, entwickelt er Interesse für den grausamen Prinzen. Die im Klappentext angedeutete Liebesgeschichte bleibt im ersten Band ein kleines Strohfeuer – doch man ahnt bereits, wie tief diese Beziehung einmal gehen könnte.

Spannung zieht „Der verschollene Prinz“ vor allem aus Verrat und Intrigen – und natürlich dem schwierigen Verhältnis von Damen und Laurent. Dass letzterer nicht ahnt, wer Damen wirklich ist, macht die Situation besonders prekär. Die knapp 300 Seiten fliegen nur so dahin, da man unbedingt wissen will, ob Damen und Laurent sich näherkommen und vor allem, wie Laurent ohne seine Maske aus Gleichgültigkeit und Arroganz ist. Er ist ein wahnsinnig interessanter Charakter, der Damen wie auch den Leser fasziniert. Die wenigen wirklich erotischen Szenen beschreibt die Autorin stets niveauvoll, wobei die Sprache der Charaktere recht vulgär ist. Der Umgang mit Sexualität ist in dieser Welt eben sehr offen und unverblümt – und bei den Männern geht es teilweise erstaunlich zickig zu.  

Im Anschluss an den Roman findet sich eine Kurzgeschichte, in der das Schicksal eines Lustsklaven, mit dem Damen in Vere Freundschaft schließt, umrissen wird. Dabei erhält man auch Einblick in die Ausbildung der Sklaven, die noch vor Eintritt in die Pubertät auf ihre Aufgabe vorbereitet werden. Der Sklave Erasmus wurde zu absoluter Unterwerfung erzogen und als Erwachsener wünscht er sich nichts mehr, als von einem gütigen Herrn dominiert zu werden. Er ist dabei ziemlich naiv und muss schmerzlich erkennen, dass auch Freunde zu Verrat fähig sind.


Fazit

„Der verschollene Prinz“ ist erotisch angehauchte Fantasy der etwas anderen Art: Der Kronprinz Damen wird als Lustsklave verschenkt und findet sich in einem Spiel aus Intrigen wider. Er ist der Gnade des kaltblütigen Prinzen Laurent ausgesetzt, hinter dessen grausamer Fassade ein sehr faszinierender und verletzlicher Charakter lauert. Im Detail holpert die Geschichte noch etwas, wartet dafür aber mit herber Romantik zwischen interessanten Männern auf. 


Pro & Contra

+ Damen ist ein sehr starker Charakter
+ Laurent fasziniert ungemein
+ Intrigenspiel am königlichen Hof
+ antike / orientalische Atmosphäre
+ niveauvolle (Homo-)Erotik
+ interessante Nebencharaktere

- Handlung bisher zu seicht

Wertung: sterne4

Handlung: 3,5/5
Charaktere: 4,5/5
Lesespaß: 5/5
Preis/Leistung: 4/5


Interview mit C.S. Pacat (Juli 2015)

englisches Originalinterview (Juli 2015)

Tags: queere Figuren, Enemies to Lovers