Interview mit Ulrike Schweikert
Literatopia: Hallo, Ulrike! Schön, dass Du Dir Zeit für unsere Fragen nimmst. Kürzlich ist der zweite Band von „Nachtmahr“ erschienen – erzähl uns doch zuerst, was die Leser in dieser Reihe erwartet?
Ulrike Schweikert: Lorena ist eine junge Frau, die in London lebt. Sie hat ein dunkles Geheimnis, mit dem sie hadert. Jede Nacht verwandelt sie sich in einen Nachtmahr, ein wunderschönes, geflügeltes Wesen, dem die Männer nicht widerstehen können, das aber auch von seiner Natur her egoistisch und zerstörerisch ist. Lorena versucht verzweifelt ein normales Leben zu führen, vor allem, da sie gerade ihre Jugendliebe Jason wiedergefunden hat, doch das ist nicht einfach. Außerdem versucht sie, ihre eigene Vergangenheit zu ergründen und die Lücken zu schließen, die in ihren Erinnerungen klaffen. Es sind schreckliche Dinge passiert, an denen sie Schuld trägt? Sie findet heraus, dass es noch andere Nachtmahre gibt und dass ihr eine große Aufgabe zugedacht ist.
Literatopia: Wie sieht Lorenas Leben als Nachtmahr aus? Und was ist das Zerstörerische an ihr?
Ulrike Schweikert: Als Nachmahr ist Lorena wunderschön und sehr sexy mit tollen blonden Locken, schönen Brüsten und langen Beinen, eben der Männertraum schlechthin, aber sie verliert ihr liebenswürdiges Wesen, wird egoistisch und nimmt sich, was sie will, um die Männer dann wieder fallen zu lassen. Es ist wie ein Gift, das die Männer selbst zerstört und böse werden lässt.
Literatopia: Kann Lorena Magie ausüben oder bezirzt sie die Männer einzig mit ihrem Aussehen und ihrer Ausstrahlung?
Ulrike Schweikert: Es ist schon eine Art Magie, mit der sie die Herrschaft über die Männer erlangen kann, doch Lorena versucht, diese nicht einzusetzen. Nachtmahr Raika hat dagegen keine Skrupel.
Literatopia: Was fasziniert Lorena an Jason? Ist es sofort die große Liebe oder müssen sie erst zueinander finden? Und was ist Jason eigentlich für ein Typ?
Ulrike Schweikert: Jason ist der smarte, gutaussehende, sportliche Typ, in den sie sich in der Highschool verliebt hat. Außerdem ist er ein begabter Musiker, der sie mit seinem Cello und dem Saxophon verzaubert. Er ist sehr vielseitig, spielt einerseits im Orchester und dann abends Jazz mit seinen Kumpels in einer Bar. Lorena hat schon in der Schule für ihn geschwärmt und ihn dann aus den Augen verloren, doch als sie ihn unerwartet wiedertrifft, kommen die alten Gefühle zurück und die beiden verlieben sich sofort ineinander.
Literatopia: Meist sind die Männer die düsteren Wesen, während Menschenfrauen ihnen verfallen. Bei Dir ist der Nachtmahr eine Frau – stand das von Anfang an fest? Inwiefern unterscheidet sich Lorena von den typischen Romantasy-Helden?
Ulrike Schweikert: Ja, ich wollte bewusst einen Gegentyp zu meinen Vampiren erfinden, die doch sehr männlich geprägt sind. Warum nicht andersherum? Warum nicht der Frau die Initiative überlassen und auch mal das Böse. Allerdings ist Lorena gespalten, sie will das Wilde in sich nicht akzeptieren und verleugnet lange diesen Teil in sich. Erst durch ihre Begegnung mit den anderen Mahren lernt sie auch diesen Teil anzunehmen und ihn zu beherrschen. Sie macht also eine grundlegenge Wandlung durch – nicht nur zwischen Tag und Nacht.
Literatopia: Neben phantastischen Romanen widmest Du Dich auch der Historik. Welches Zeitalter fasziniert Dich am meisten? Und warum?
Ulrike Schweikert: Ich mag alle Umbruchzeiten, in denen sich etwas mit der Menschheit getan hab und sich neue Erkenntnisse und Wünsche durchsetzen, es einen Kampf zwischen dem Alten und dem Neuen gibt. Viele Bücher spielen in solchen Zeiten – an der Wende vom Mittelalter zur Neuzeit, in den Zeiten der Reformation oder dann am Übergang zur Moderne im 19. Jahrhundert.
Literatopia: In „Das Vermächtnis von Granada“ landet Isaura in der Vergangenheit – und zwar im Spanien des 15. Jahrhunderts. Was erwartet sie dort?
Ulrike Schweikert: Isaura kommt als Hofdame zu Königin Isabel von Kastilien – auch hier der Umbruch zu einer neuen Zeit und jede Menge große Konflikte – die Reconquista, die Vertreibung der Juden aus Spanien, die Inquisition, aber auch mit Kolumbus und seiner Entdeckung der Beginn einer neuen Epoche. Sie ist fasziniert von der fremden Welt aber auch entsetzt von den Grausamkeiten der Kriege und der Inquisition. Sie findet aber auch Freunde – ihre „Cousine“ Jimena und in einem maurischen Arzt eine neue Liebe.
Literatopia: Wie findet sich Isaura in der Vergangenheit zurecht?
Ulrike Schweikert: Es ist zuerst schwierig und verwirrend. Allein der Alltag, die Kleider, das andere Essen, die Umgangsformen, ja, die fehlende Hygiene, das gemeinsame Bett mit ihrer Cousine und dann die einzige Möglichkeit auf dem Pferderücken zu einem anderen Ort zu gelangen. Doch in ihrem neuen Körper wohnt auch noch immer Teresa, die aus dieser Zeit stammt und ihr dabei hilft.
Literatopia: In Deiner Jugendbuchreihe „Die Erben der Nacht“ spielen Vampire die Hauptrolle. Was reizt Dich persönlich an diesen dunklen Wesen? Und was unterscheidet Deine Vampire von den gängigen Klischees?
Ulrike Schweikert: Bei mir gibt es nicht den allmächtigen Vampir, der die junge Unschuld verführt. Bei den Erben der Nacht sind die Hauptfiguren junge Vampire aus verschiedenen Clans, die zusammen eine Akademie besuchen und die ihre Vorurteile gegen die anderen überwinden müssen, ehe sie Freundschaften schließen. Sie sind nicht viel anders als junge Menschen mit ihren Vorlieben und Abneigungen. Sie streiten sich und verlieben sich, sind eifersüchtig und entwickeln sich so mit jedem Band weiter. Und das vor der Geschichte Europas des 19. Jahrhunderts.
Literatopia: Was lernen die jungen Vampire an der Akademie?
Ulrike Schweikert: Die Clans haben sich verschiedene Fähigkeiten angeeignet und diese perfektioniert. So sind die Nosferas in Rom immun gegen Kreuze und Weihwasser, die Lycana in Irland können sich in Tiere verwandeln, die Vamalia fließende Gewässer auch außerhalb des Gezeitenwechsels überqueren. Auch macht ihnen Knoblauch nichts aus. Die Dracas sind dagegen Meister der Geisteskraft, können Gedanken lesen und den Geist von Menschen beeinflussen.
Bei den Vyrad schließlich lernen sie, gegen den Todesschlaf anzugehen, in den jeder Vampir bei Sonnenaufgang fällt, und sie lernen sich in Nebel zu verwandeln. Das alles stärkt die jungen Vampire.
Literatopia: Du schreibst sowohl für Jugendliche als auch für Erwachsene. Worauf achtest Du, wenn Du für jüngere Leser schreibst? Und hast Du schon mal die eine oder andere Szene „entschärft“, weil sie Dir nicht jugendgerecht erschien?
Ulrike Schweikert: Junge Leser stellen die gleichen Ansprüche an gute Bücher wie Erwachsene. Vielleicht muss man den Spanungsbogen noch ein wenig straffer anlegen und nicht ganz so viele historische Hintergründe einbauen. Was die Krimianteile angeht, gibt es keine Unterschiede. Die Jugendlichen sind da leider schon viel gewohnt. Nur bei den Liebesszenen bremst mich der Verlag ab und zu ein, wobei ich diese als Gegengewicht zu den Grausamkeiten sehe. Aber da darf ich nicht zu deutlich werden.
Literatopia: Wie bist Du nach Banklehre und Geologie-Studium zum Schreiben gekommen?
Ulrike Schweikert: Ich wollte schon immer Geologie studieren, aber meine Eltern waren nicht dafür. Sie wollten, dass ich erst eine solide Ausbildung mache, ehe ich brotlose Kunst studiere. Das Schreiben hat sich dann zufällig entwickelt, nachdem ich mir fur Fantasyrollenspiele in unserer Studentengruppe immer die Geschichten ausgedacht habe. Ich begann, sie aufzuschreiben und an Verlage zu schicken, doch erst mit „Der Tochter des Salzsieders“ konnte ich einen Verlag finden.
Literatopia: Wie bist Du mit den anfänglichen Absagen umgegangen? Und wie hat es letztlich mit dem Verlag geklappt?
Ulrike Schweikert: Ich war natürlich immer sehr enttäuscht, doch mein Mann hat mich jedes Mal angespornt, weiterzumachen. Nachdem ich das Manuskript für „Die Tochter des Salzsieders“ fertig hatte, habe ich zufällig einen Artikel über die Arbeit eines Literaturagenten gelesen. Ich habe ihn angeschrieben, er wollte das Manuskript sehen und hat mich drei Tage später unter Vertrag genommen. Innerhalb weniger Wochen hatte ich einen Vertrag mit Droemer Knaur über dieses Buch und noch zwei Verträge für weitere historische Romane. Thomas Montasser ist auch heute noch mein Agent.
Literatopia: Was liest Du gerne? Die Genres, die Du selbst schreibst oder querbeet alles, was vielversprechend erscheint? Und hast Du einen Lieblingsautor?
Ulrike Schweikert: Ich lese gern, komme aber während der Schreibphase nicht dazu. Wenn, dann lese ich gerne Krimis, Thriller und Fantasy aber auch andere Bücher.
Historische Romane nur, wenn sie in einem anderen Umfeld oder einer anderen Zeit spielen, wie ich sie bearbeite. Zum Beispiel die Bücher von Rebecca Gablé. Ansonsten mag ich Tess Gerritsen oder Jussi Adler Olsen.
Literatopia: Kannst Du uns einen kleinen Ausblick auf zukünftige Projekte geben? Wird es einen dritten Band zu „Nachtmahr“ geben? Und in welche Zeit entführt uns Dein nächster Historikroman?
Ulrike Schweikert: Es wird einen dritten Band geben. Gerade arbeite ich an einem weiteren historischen Roman, der in der Zeit des Dreißigjährigen Krieges spielt.
Literatopia: Herzlichen Dank für das Interview, Ulrike!
Autorenfoto: Copyright by Gabi Geier
Autorenhomepage: www.ulrike-schweikert.de
Rezension zu "Das Herz der Nacht"
Dieses Interview wurd evon Judith Madera für Literatopia geführt. Alle Rechte vorbehalten.