C.S. Pacat (deutsche Übersetzung - 25.07.2015)

Interview mit C.S. Pacat

cs pacatLiteratopia: Hallo, Cat! Kürzlich ist bei uns Dein Debütroman „Der verschollene Prince“ erschienen. Kannst Du für unsere Leser kurz umreißen, was sie erwartet?

C.S. Pacat: „Der verschollene Prinz“ ist ein Fantasyabenteuer mit einer langsam entflammenden Liebesgeschichte zwischen Feinden. Der Roman erzählt die Geschichte von Damen, einem Kriegerprinz, der von seinem Halbbruder verraten wird und ins Königreich Vere verschenkt wird – einem Land, wo die Kenntnis seiner wahren Identität seinen sofortigen Tod bedeuten würde. Sein Besitzer, Print Laurent, ist wunderschön, erbarmungslos und hinterhältig, aber im Labyrinth aus Intrigen an dessen Hof realisiert Damen, dass eine Allianz mit Laurent seine einzige Hoffnung auf darstellt, zu überleben.

Literatopia: Was ist Dein Protagonist Damen für ein Typ? Und wie geht er mit seiner Versklavung um?

C.S. Pacat: Damen ist ein starker, nobler und heldenhafter Charakter, quasi der „Held eines Helden“. Er ist sehr aufrichtig und ehrenhaft – und er hat eine direkte Vorgehensweise bei Problemen, ähnlich wie Alexander der Große, der den gordischen Knoten durchschlug. 

Als Schriftsteller wollte ich diese Art von traditionellem Heldentum erforschen und feiern, und sie dann ebenso kritisieren. Ich glaube auch, es ist faszinierend so jemanden wie Damen mit seinem Gegenteil gepaart zu sehen, in diesem Fall mit Laurent, dem eisigen Machiavel.

In der Sklaverei verliert Damen niemals seine vornehme Art, aber er ist gezwungen, die Dinge aus einer anderen Perspektive zu betrachten.

Literatopia: Laurent wirkt zu Beginn verwöhnt, arrogant und grausam. Woher kommt seine eiskalte Fassade? Und was lauert dahinter?

C.S. Pacat: Laurent ist ein komplexer Charakter. Als wir ihn das erste Mal treffen, sehen wir ihn nur aus Damens Perspektive, insofern sehen wir nur ein Teil von ihm und kennen nicht seine ganze Geschichte. Er hat tatsächlich eine eiskalte Fassade. Mich faszinieren Charaktere, die ihren Verletzungen als Stärke tragen, und ich wollte das in diesem Buch untersuchen. Mehr werde ich nicht verraten!

Literatopia: In Deiner Fantasywelt ist es etwas ganz Normales für wohlhabende Männer, männliche Lustsklaven zu besitzen.  Hast Du Dich dabei etwas am antiken Griechenland orientiert? Woher kommt dieser offene Umgang mit Homosexualität in Vere?

C.S. Pacat: Die mittelalterliche Fantasy, die auf Tolkiens Werken basiert, ist oftmals eine Fantasy der Nostalgie, die den Leser dazu einlädt, in eine aufregende oder beruhigende Vergangenheit zu fliehen. Dennoch kann diese „Nostalgie“ auch ein Ausschlusskriterium sein, zum Beispiel für Minderheiten, für die das Leben in der Vergangenheit weniger Rechte erlaubt hätte und die sich nicht vorstellen können dort ohne Einschränkungen zu leben. Somit kann der Leser nur in eine solche Vergangenheit reisen, wenn  er ein fiktives Selbst übernimmt, welches bestimmte Voraussetzungen, die Rasse, Sexualität oder Geschlechterrollen beinhalten, erfüllt.

Mit der „Captive Prince“-Trilogie wollte ich eine heldenhafte, realitätsferne Geschichte schreiben, die in einer vielfältigen Fantasywelt spielt,  die die Annahme „genau so war es“ in Frage stellt. Neben heldenhaften Archetypen und gerne-spezifischen Elementen konstruierte ich eine Welt, in der Homosexualität normal ist und wo die Konstrukte der sexuellen Identität anders sind als unsere. Ich habe mich bei der Recherche für den Roman auf die alten griechischen Kulturen konzentriert und mich auf Mythen und Literatur aus dieser Zeit gestützt, um zu betonen, dass auch in unserer Welt Konstrukte der sexuellen Identität nicht kultur- und geschichtsübergreifend ist.

Literatopia: Die Sklaven unterlaufen eine mehrjährige Ausbildung – wie sieht diese genau aus? Und ist dabei „Sklave“ überhaupt das richtige Wort?

C.S. Pacat: In Akielos werden Palastsklaven mehrere Jahre in verschiedenen Bereichen wie dem Spielen der Kithara (ein Musikinstrument) und dem Rezitieren von Poesie oder auch Massagen, der Hofetikette und Sprachen ausgebildet – und natürlich werden ihnen auch erotischen Fähigkeiten beigebracht.

In Vere ist das System ein bisschen anders. Die veretanischen „Haustiere“ sind keine Slaven, sie sind eher Kurtisanen, die für ihre Dienste bezahlt werden. Es steht ihnen frei, den Preis im Austausch für ihre Dienste an einem Hofadligen zu verhandeln. Es gibt kein offizielles Lehrprogramm für sie, wobei natürlich gilt: je mehr Fähigkeiten sie haben, umso höher können sie in der Gunst des Hofes aufsteigen. 

Literatopia: Was reizt Dich persönlich an (erotischen) Liebesgeschichten zwischen Männern? War von Anfang an klar, dass in Deinem Buch zwei Prinzen die Hauptrollen spielen?

C.S. Pacat: Ich wusste von Anfang an, dass „Der verschollene Prinz“ eine Liebesgeschichte zwischen zwei Prinzen wird und dass es die Form einer Romanze haben wird, in der aus Feinden Liebende werden. Ich habe mich schon immer für Homoerotik interessiert - als eine Form von sexuellem Ausdruck, der nicht häufig in Mainstream-Romanen, vor allem nicht in den kommerziell erfolgreichen, thematisiert wird. Ich denke, dass für mich zumindest ein Teil auch die Vorstellung ausmacht, dass man als homosexuelle Person gerne eine Darstellung des eigenen Ichs sehen möchte – und zwar nicht nur eine realistische Darstellung, sondern auch eine heldenhafte und idealisierte.

Literatopia: In Deutschland wird gerade viel darüber diskutiert, ob homosexuelle Ehepaare die gleichen Rechte wie heterosexuelle Ehepaare erhalten sollen. Wie sieht das bei Euch in Australien aus?

C.S. Pacat: Australien hängt immer noch vielen Ländern hinterher, wenn es um die zivilen Rechte von Menschen geht, die sich als LGBTQI (Lesbian, Gay, Bisexual, Transgender, Queer, Questioning and Intersex) bezeichnen. Es gibt eine starke Bewegung in Australien, die für die Gleichberechtigung der Ehe für schwule und lesbische Paare eintritt, und tatsächlich unterstützt auch der Großteil der Bevölkerung diese Idee, aber unsere aktuelle Regierung ist konservativ und Veränderungen passieren unglücklicherweise langsam. Ich bin optimistisch, dass diese Änderungen in den nächsten Jahren kommen werden, obwohl es vielleicht einen Regierungswechsel dazu braucht.

Literatopia: Im Nachwort schreibst Du, „Der verschollene Prince“ wäre während mehreren Telefonaten entstanden. Wie können wir uns das vorstellen?

C.S. Pacat: Ich mache mit meinen Schriftsellerfreunden oft „brainstorming sessions“ – Ich finde, das ist ein sehr wertvoller Teil des kreativen Prozesses. Normalerweise verbringen wir eine halbe Stunde mit dem Brainstorming von Ideen für eines unserer Bücher, danach tauschen wir. Eine Sache, die ich daran mag, ist dass es einem hilft, Klischees – welche oft die „einfachen“ Ideen, die zuerst kommen, darstellen – auf ein aufregenderes und originelles Terrain zu übertragen.

„Der verschollene Prinz“ ist aus solchen Sessions entstanden. Ich habe zu dieser Zeit in Tokyo gelebt und meine Freundin Kate und ich haben uns jeden Montagabend zusammentelefoniert, um die Woche nachzuholen und zu brainstormen. Tatsächlich war es zu teuer, uns mit Handys anzurufen, also habe ich das große, klobige Plastik-Festnetztelefon im Wohnzimmer benutzt.  

Literatopia: Auf Deiner Twitter-Seite finden sich auch Fanarts von Damen und Laurent. Kommen diese nah an Deine Vorstellung heran? Und hast Du viel Kontakt mit Deinen Fans?

C.S. Pacat: Ich liebe die Fanarts zu „Der verschollene Prinz“, die Künstler sind alle so talentiert und sie haben wirklich atemberaubende Werke geschaffen. Ich bin glücklich, dass ich mit meinen Fans recht häufig über Twitter und Facebook oder auch meinem Blog interagieren kann. So bekomme ich eine Menge Artworks zu sehen.

Noch nie hat jemand die Charaktere exakt so eingefangen, wie ich sie mir vorstelle, aber ich glaube, die Versionen der Leser sind genauso wichtig wie des Autors – sogar wichtiger. Die Vorstellung des Lesers ist der Ort, an dem sich die Geschichte entfaltet.

Literatopia: Ist „Der verschollene Prinz“ tatsächlich Dein erster Roman oder einfach der erste, den Du veröffentlichen konntest? Wie bist Du überhaupt zum Schreiben gekommen?

C.S. Pacat: „Der verschollene Prinz“ ist mein erster Roman. Ich wollte ein Buch schreiben, das ich selbst auch lesen wollte. Ich liebe hoch-dynamischen Eskapismus, Abenteuer, Schwertkämpfe, Verfolgungen, Flucht, wahre Liebe, Intrigen, hohe Einsätze – und Homoerotik, Themen des Geschlechtsidentität, Macht und der Sexualität.

Und ich liebe Prinzen – nicht im Sinne eines Prince Charming, sondern weil sie sich in einem Schwellenzustand befinden. Sie stehen davor, etwas zu werden und sie müssen jemand anderen ablösen, um ihr Versprechen zu erfüllen und König zu werden. Diese Ablösung ist ein starkes Thema für mich. Ich war sofort von der Idee gefangen, dass ein Prinz zu einem Sklaven wird.

Literatopia: Was liest Du persönlich gerne? Vorzugsweise phantastische Liebesgeschichten? Oder darf es auch ein Thriller oder Science Fiction sein?

C.S. Pacat: Ich lese vieles verschiedenes, aber ich liebe Fantasy und Young Adult, ich glaube, wegen der Art der Geschichten, die in diesen Genres erzählt werden. Als Leser und als Autor interessiere ich mich dafür, extreme Situationen zu erforschen. Ich denke, dass Extreme das sind, was die Fantasy am besten rüberbringt – oftmals besser als realistische Romane. Realismus ist eine gute Technik, um Aktionen und Verhalten innerhalb  einer bestimmten Bandbreite zu schildern, aber extreme Handlungen und Situationen können so phantastisch erscheinen, dass sie die Glaubwürdigkeit sprengen, selbst wenn sie wahr sind, weil sie in einem ungünstigen realistischen Setting stattfinden. In einem Fantasy-Setting wird hingegen angenommen, dass das Extreme und Phantastische plausibel ist, und so kann es tiefer erforscht werden.

Ich mag Thriller, aber ich lese sie eher, um das Handwerk zu studieren, weniger, um die Geschichte zu lesen. Thriller sind sehr gut im Plotten und haben eine große „erzählerischen Zugkraft“, welche die fesselnden Eigenschaften meint , die den Leser durch das Buch führen. Science-Fiction lese ich weniger, aber ich habe gerade „Ancillary Sword“ von Ann Leckie gelesen und geliebt. Es ist wahrscheinlich eines meiner Lieblingsbücher der letzten Jahre.

Literatopia: Auf Deiner Homepage schreibst Du, dass Du Antihelden magst – welche Antihelden aus Büchern oder Filmen gefallen Dir denn besonders gut?

C.S. Pacat: Mein Lieblings-Antiheld ist Lymond aus der Dorothy Dunett-Reihe, „The Lymond Chronicles“. Was mich an Antihelden fasziniert ist, dass während der Held vom Text aufgewertet wird, der Antiheld oftmals keine solche Bewertung für seine oder ihre Handlungen erhält – nicht von denen, die ihn umgeben und meist nicht einmal durch den Text. Ich finde, dass das eine sehr interessante Spannung zwischen heldenhaften Handlungen und  der Wahrnehmung des Antihelden erzeugt. Ich denke, dass Heldentum für mich immer interessanter ist, wenn es von Charakteren kommt, von denen man es nicht erwartet hat, oder sich in nicht-traditioneller Weise zeigt.

Literatopia: Du hast bereits in verschiedenen Ländern gelebt – wo hat es Dir am besten gefallen? Und fließen die Erfahrungen im Ausland in Deine Geschichten ein?

C.S. Pacat: Ich habe in Australien, Italien, Japan und kurz in China gelebt. Es ist unmöglich, einen Favoriten auszuwählen, weil diese Länder alle so verschieden sind. Aber ich denke, wenn man in verschiedenen Ländern lebt, verändert einen das sehr. Man sagt, wenn man eine andere Sprache lernt oder Teil einer anderen Kultur wird, gewinnt man ein neues Selbst. Aber das ist ein Selbst, welches man nicht unbedingt mit seinen Liebsten teilen kann, wenn man zurück ist, insofern werden diese Erfahrungen manchmal zu einem einsamen Teil von dir.

kings risingIch denke, das Reisen hat mein Interesse für Charaktere geweckt, die neue Welten betreten – einen Ort, zu dem sie niemals wirklich gehören, aber der sie so stark verändert, dass sie auch nicht mehr ganz nach Hause gehen können.

Literatopia: Kannst Du uns einen Ausblick geben, was die Leser im zweiten Band („Das Duell der Prinzen“, erscheint in Deutschland Anfang 2016) erwartet?

C.S. Pacat: In „Das Duell der Prinzen“ wird der Rahmen der Geschichte erweitert und sie bewegt sich von den Intrigen am Hof weg hin zu einem Schlachtfeld, während Laurent und Damen zur Grenze reiten, um einen tödlichen Anschlag abzuwenden. Es gibt Verfolgung, Flucht, Schwertkämpfe, Anschläge …

Der zweite Band konzentriert sich mehr auf das Abenteuer als „Der verschollene Prinz“ - und auch ein bisschen mehr auf die Liebesgeschichte. Während das Vertrauen zwischen den beiden Protagonisten tiefer wird, entwickelt sich ihre Beziehung über die Feindschaft hinaus zu der ungleicher Kameraden und zu etwas „mehr“.

Literatopia: Herzlichen Dank für das schöne Interview, Cat!


Autorenfoto: Copyright by Alise Black

Autorenhomepage: http://cspacat.com

englisches Originalinterview

Rezension zu "Der verschollene Prinz"


Dieses Interview wurde von Judith Madera für Literatopia geführt und übersetzt. Alle Rechte vorbehalten.