Don Quixote (Rob Davis)

davis quixote

Köln 2015, Egmont
Originaltitel: The Complete Don Quixote (2012)
Übersetzung von Jan Dinter
Gebunden, 296 Seiten
€ 24,99 [D] | € 25,70 [A] | 35,90 CHF
ISBN: 978-3-7704-5518-8

Genre: Graphic Novel, Comic


Inhalt

Don Quixote erzählt in zwei Teilen die Geschichte eines Edelmannes aus La Mancha, der Alonso Quexana heißen könnte, an dessen Namen sich zu erinnern der Erzähler jedoch keine Lust hat. Die Intensivlektüre von Ritterromanen führt dazu, dass der Edelmann sich den Namen Don Quixote von La Mancha gibt, einen alten Gaul zum edlen Ross Rosinante stilisiert, das Bauernmädchen Aldona Lorenzo, das ihn vielleicht einmal angesehen hat, zur Herrin seines schmachtenden Herzens Dulcinea del Toboso verklärt und zu großen Abenteuern aufbricht.

Bei seiner ersten Unternehmung sieht er in einem Wirtshaus eine Burg, in zwei Prostituierten erhabene Jungfrauen und in einem Eseltreiber einen zu bekämpfenden Halunken. Nachdem er zu Hause wieder zu Kräften gelangt ist, macht er den arglosen Einfaltspinsel Sancho Pansa zu seinem Knappen. Gemeinsam bestehen sie eine Abfolge von Abenteuern, beziehen dabei regelmäßig Prügel, werden schließlich zur Belustigung eines aragonischen Herzogspaares aufgenommen und kehren irgendwann in ihr Dorf zurück.


Rezension

Cervantes’ vierhundert Jahre alter Roman Don Quixote von La Mancha ist bei Egmont als 300 Seiten starke Graphic Novel Don Quixote von Rob Davis erschienen. Das Buch ist in einen grünen festen Einband gebunden, eine Grafik auf der Vorderseite zeigt den „Ritter von der traurigen Gestalt“ – wie er in der Übersetzung Ludwig Tiecks und bei Davis genannt wird - beim Kampf gegen eine Windmühle, während auf der Rückseite die Hinteransicht der beiden Hauptfiguren auf ihren Reittieren abgebildet ist. Weiter gehören zur Ausstattung rotes Vorsatzpapier und Fadenbindung. Als Autoren auf dem Cover sind Cervantes und Davis angegeben. Man muss dieser Autorenzuweisung nicht zustimmen, aber in einer Zeit, in der Jane Austen auch feist als Ko-Autorin eines Zombieromans genannt wird, lässt sich vielleicht darüber hinwegsehen.

Die Graphic Novel ist szenisch aufbereitet. Jede Szene hat ihre eigene Farbgebung, die nicht nur dadurch bestimmt ist, dass gerade ein sonniger Tag ist oder Abend, Figuren am nächtlichen Lagerfeuer sitzen, sich in geschlossenen Räumen oder in freier Natur aufhalten. Die zumeist düster anmutende Farbgebung kontrastiert die Dialoge und einzelne Elemente einer Handlung, die komischer inszeniert ist als in der Romanvorlage. Szenen verwenden nur wenige Farben, diese jedoch in Abstufungen. Manche Binnengeschichten sind gar in nur einer Farbe wiedergegeben. Die Panelgestaltung ist recht variabel in Größe, Anzahl und Anordnung auf der Seite. Die Ränder sind meist ausgefranst, wie in einem Buch, dessen Seiten vor der Lektüre aufgeschnitten werden müssen. Wenige Panel sind gerahmt.

Stärker noch als bei Cervantes wirken in der Graphic Novel die Einbeziehung der Leser und Leserinnen (über Ansprache im Text) sowie die Integration von Kommentaren und Reflexionen des Erzählers in die Handlung. Zu Beginn wird eine Herausgeberfiktion etabliert, der Erzähler gibt nicht wie im Roman vor, allein auf das Manuskript von Cide Hamete Benengeli zurückzugreifen. Vielmehr konkurrieren Cervantes, der aus dem Gefängnis heraus sich zu Wort meldet, und der Text des (fiktionalen) arabischen Autors um den Wahrheitsgehalt der Geschichte.

Don Quixotes Phantasie wird so sehr angeregt, dass er selbst Schaden nimmt, zwischen Fiktion und Wirklichkeit nicht mehr unterscheiden kann. Nach seinem ersten Abenteuer liegt er zuhause im Bett, der Barbier und der Pfarrer verbrennen den Großteil seiner Bibliothek und mauern diese anschließend zu. Die beiden Hauptfiguren bekommen es mit einer Vielzahl eingebildeter und tatsächlicher Herausforderungen zu tun, darunter die bekannten Windmühlen und Riesen und feindlichen Soldaten. Der Kampf gegen die Windmühlen, der im Roman wenig Platz beansprucht, ist in bearbeiteten Fassungen aller Medien zentral.

Davis erzählt in seine Haupthandlung eingestreut Binnenhandlungen in Form kurzer Comic Strips, die stilistisch, vor allem in der jeweiligen Farbgebung und in der Typographie, von der Haupthandlung abgesetzt sind. Die Binnenhandlungen geben zumeist Erinnerungen wieder, aber auch Kurzepisoden (Zusammenfassungen) aus anderen Handlungszusammenhängen. Davis bedient sich gelegentlich des Mittels der Farce oder des Schwanks, verortet eine Binnenerzählung im Puppentheater.

Wer für die Binnengeschichten nun tatsächlich als Erzähler in Frage kommt, ist nicht immer auszumachen: ist es die Figur, die in diesem Kontext als Erzähler erkennbar wird, auch wenn eine Geschichte linear erzählt wird, aber mit Unterbrechung und Fortsetzung durch eine andere Figur? Oder wird die Binnengeschichte vom Erzähler der Haupthandlung wiedergegeben? Im Puppentheater wird einmal in nuce ein Strang der Haupthandlung aufgegriffen, wenn der tapfere Ritter Gaiferos seine Gattin Melisandre rettet. Dabei ist der Puppenspieler Pedro derjenige, der mit seinen Puppen die Handlung inszeniert und eine bestimmte Perspektive einnimmt.

Denkt man an die vielen Bearbeitungen einschließlich Kürzungen, Weglassungen, durch die der Roman von Cervantes einen höheren Bekanntheitsgrad erlangt haben dürfte, fällt auf, dass Davis sein Original The Complete Don Quixote nennt. Dadurch erweckt er den Eindruck, er habe zumindest die Haupthandlung und die Struktur der Vorlage vollständig in das Medium der Graphic Novel transformiert, vielleicht auch den, dass die Leser den ganzen Quixote kennen, wenn sie seine Fassung ausgelesen haben, was bei anderen nicht zwingend der Fall sein muss.

Davis kontrastiert seine Figuren sprachlich. Während Don Quixote (vermutlich) zeitgemäß spricht (“Es wird mir eine Ehre sein, unerwiderter Liebe Respekt zu zollen.”), sprechen die anderen Figuren modern bis hin zur heutigen Umgangssprache („Wenn du mich fragst, ist an der Birne von dem Alten was faul.“). Das mögen manche Leserinnen und Leser bemängeln. Aber Davis entzieht Quixote so der Realität der Erzählung und verortet ihn stärker in der Fiktion, wodurch er für die anderen Figuren ein wenig obskur wird. Don Quixote wirkt in seinem Umfeld wie ein Mensch in einer Gegenwart, die für Ritterlichkeit, Anständigkeit und Romantik nicht mehr viel übrig hat.


Fazit
Rob Davis hält sich in seiner Graphic Novel an Geist und Struktur der Romanvorlage, konstruiert dabei im Detail Abweichungen, verbindet sprachlich Vergangenheit und Gegenwart, wobei er verdeutlicht, dass Don Quijote auch heute noch etwas zu sagen hat.


Pro und Kontra

+ einfallsreiche und in der Gestaltung ansprechende Adaption des Romanstoffes
+ Davis arbeitet als metafiktionaler Fallensteller
+ sprachlich geschickte Verbindung von gestern und heute

Wertung:sterne5

Inhalt: 5/5
Charaktere: 5/5
Lesespaß: 5/5
Preis/Leistung: 4/5