Geister der Toten (Edgar A. Poe, Richard Corben)

Verlag: Splitter-Verlag; (Mai 2015)
Gebundene Ausgabe: 216 Seiten; 29,80 €
ISBN-13: 978-3958391451

Genre: Horror/ Mystery/ Krimi


Klappentext

„Geister der Toten“
enthält vierzehn von Poes besten Erzählungen

u.a. „Der Untergang des Hauses Usher“
„Der Doppelmord in der Rue Morgue“
„Morella“
„Die Maske des roten Todes“ und
„Lebendig begraben“

die Corben zwischen 2012 und 2014 adaptiert hat,
jede von ihnen ist eine deutsche Erstveröffentlichung.

Auf über 200 Seiten zeigt Corben, warum Poe bis heute zu den Größen der Horror- und Kriminalliteratur zählt. Und drückt dabei jeder der Geschichten seinen eigenen, unverwechselbaren Stempel auf.


Rezension

Edgar Allan Poe ist heute noch einer der einflussreichsten Autoren im Bereich des Horrors und des Krimis. Von ihm stammen solche Geschichten wie Der Untergang des Hauses Usher, Der Rabe oder auch Der Doppelmord in der Rue Morgue. Gerade letztere war für das Krimigenre extrem wichtig. In ihr tauchte der Detektiv Auguste Dupin zum ersten Mal auf und damit ebenfalls zum ersten Mal die Methode der Deduktion. Ein Vorgehen, welches ein gewisser Sir Arthur Conan Doyle aufgriff und damit den vielleicht berühmtesten Detektiv der Literaturgeschichte erschuf. Sherlock Holmes hätte es ohne Edgar Allan Poe vermutlich nie gegeben. Poes eigene Werke liefern weiterhin die Grundlage für die verschiedensten medialen Bearbeitungen. Filme, Hörspiele, Hörbücher, Bücher und Comics, all diese Formen gibt es.
Eine davon liegt nun in einem dicken Hardcoverband von Splitter vor. Richard Corben hat sich Poes Geschichten und Gedichten gewidmet und sie in Comicform in seinem ureigenen Stil umgesetzt. Alle sind zwischen 2012 und 2014 erschienen, teilweise sind es Neubearbeitungen von Geschichten, die Richard Corben schon weit früher umgesetzt hatte und bei denen er nun neue Akzente setzt. Unter ihnen sind so bekannte wie Der Rabe und Der Fall des Hauses Usher, aber auch unbekannteres wie Lebendig begraben, Morella, Die Schlafende oder auch Eroberer Wurm.
Dem titelgebenden Gedicht Geister der Toten hat er nur einen gezeichneten Rahmen verpasst, alle anderen wurden von Corben illustriert.

Um einen inneren Zusammenhalt zu schaffen, lässt Richard Corben eine alte, einäugige Erzählerin die Geschichten kommentieren. Dies geschieht natürlich auf eine durchaus sarkastische Art und Weise, die dem Geschehen eine zusätzliche makabere Seite verleiht. Die Geschichten an sich sind unbestritten über jeden Zweifel erhaben. Poes Erzählungen besitzen eine ungeheure Kraft und lassen den Leser einen Blick tief in menschliche Abgründe werfen. Das Böse lauert bei ihm unter der scheinbar heilen Oberfläche und entfaltet sich langsam zu einer ungeheuren Wucht, die den Leser hinwegspülen kann. Zartbesaitete sollten seine Geschichten mit Sicherheit nicht vor dem Einschlafen lesen. Die Frage ist also nur, konnte Richard Corben, die Essenz von Poes Werk einfangen und komprimiert in seinen Bildern darstellen.

Richard Corben schafft dies ohne Probleme. Er wählt die Momente in Poes Erzählungen aus, die den größtmöglichen Effekt auf den Leser haben und lässt sie zu neuer Frische kommen. Dabei versucht er nicht, sie auf Teufel komm raus zu modernisieren, sondern belässt sie in der Zeit ihrer Entstehung. Dadurch entsteht eine klassische Gruselatmosphäre, die Schauer über den Rücken jagen kann. Seine Texte sind im Ausdruck gut gewählt und er spielt gekonnt mit dem Tempo. Sofort ist klar: Hier ist jemand, der weiß, wie man Gruseliges erzählt.

Die Zeichnungen eines Richard Corbens sind dann allerdings deutlich Geschmackssache. Wer keine große Nasen, groteske Gesichter und große Brüste mag, wird mit ihm nicht viel anfangen können. Alle anderen bekommen einen atmosphärisch stimmig präsentierten Band von Poes Erzählungen, die mit entsprechenden Bildern versehen sind. Denn Richard Corben ist ein Meister seines Faches und weiß, wie graphisch erzählt werden muss, um die größtmögliche Wirkung zu erzielen. Seine Auswahl der Motive, die Anordnung und Größe der Panels und seine Perspektiven erzeugen einen Lesefluss, in den man hineingezogen wird. Nahezu traumwandlerisch bewegt man sich durch die Seiten, bis am Ende das Böse wartet. Mit Sicherheit eine von Corbens besten Arbeiten.

Splitter hat dieser Sammlung eine Covergalerie angehängt, die die Motive der US-Ausgaben zeigt.


Fazit

Edgar Allan Poe und Richard Corben treffen in diesem Sammelband aufeinander und bescheren dem Leser einen wohligen Schauer. Richard Corben gelingt es Poes Erzählungen in seiner Interpretation zu verdichten und Neu- und Altlesern zu erschließen.


Pro & Contra

+ 14 Geschichten, die einem das Gruseln lehren
+ wunderbarer Erzähl- und Lesefluss

0 Richard Corbens Zeichenstil ist eindeutig Geschmackssache

Bewertung:

Handlung: 5/5
Charaktere: 5/5
Zeichnungen: 4/5
Lesespaß: 5/5
Preis/Leistung: 4,5/5