Interview mit V.S. Gerling
Literatopia: Hallo, Volker! Schön, dass Du Dir Zeit für unsere Fragen nimmst. „Das Programm“ ist der Auftakt zu Deiner aktuellen Thrillerreihe um die Kommissare Eichborn & Wagner. Erzähl uns doch zuerst etwas über die beiden?
V.S. Gerling: Eichborn ist ein Rebell. Er weiß zwar, dass es Dienstvorschriften gibt, hat sie aber verlegt. Er ist sarkastisch und ab und zu auch zynisch. Aber er hat auch einen ausgeprägten Gerechtigkeitssinn. Durch sein oftmals undiplomatisches Verhalten steht er sich häufig selbst im Weg und er macht sich auch viele Feinde. Helen wiederum ist eher ein Kopfmensch. Sie hat stark ausgeprägte analytische Fähigkeiten und sie ist es, die Nicolas erdet. Trotz allem ist sie auch emotional.
Literatopia: Wie viel Volker steckt in Eichborn?
V.S. Gerling: Ha, diese Frage! Sie sollte besser von jemanden beantwortet werden, der mich und meine Bücher kennt. Allerdings glaube ich, dass irgendwie in jedem Roman ein Stück des Autors steckt. Menschen, die ihm im Laufe seines Lebens begegneten, Situationen, die er erlebt hat. Und ja, der Protagonist verhält sich wahrscheinlich häufig so, wie der Autor sich in der Situation gerne verhalten würde.
Literatopia: In „Das Programm“ steht das Unternehmen New Horizon, das einer Sekte gleicht, im Vordergrund. Gibt es da Parallelen zu Scientology? Auf welche Weise manipuliert New Horizon seine Mitglieder?
V.S. Gerling: Als ich für „Das Programm“ recherchierte, hatte ich zu keinem Zeitpunkt Scientology auf dem Schirm. Die versprechen zwar auch, einen leistungsstärkeren Menschen zu machen, dienten mir aber nicht als Vorlage. New Horizon benutzt für ihre Behandlung ein Programm, das aus vier Phasen besteht. Es funktioniert ähnlich, wie das Plattmachen und Neuformatieren einer Festplatte.
Literatopia: Nach zwei erfolgreichen Politthrillern hast Du nun richtige Thriller geschrieben. Wie kam es zu dem Wechsel? Eigentlich wolltest Du nichts über Serienmörder schreiben …
V.S. Gerling: Ich erinnere mich vage daran, etwas Ähnliches einmal gesagt zu haben … Und dann habe ich mir im Fernsehen die unglaublich gute Serie Luther angeschaut. In der ersten Staffel wird Luther mit einer sehr ungewöhnlichen Mörderin konfrontiert, die auf gewisse Weise sogar nett ist. Und es entsteht eine Art Freundschaft zwischen den beiden.
Diesen Ansatz fand ich total interessant und ich habe versucht, ihn in „Das Programm“ umzusetzen. Entstanden ist eine Killerin, die man trotz ihrer Taten irgendwie mag …
Das war eine Herausforderung, die mich sehr reizte. Ich wollte nicht noch einen Politthriller schreiben, da ich nicht in einer bestimmten Schublade landen wollte. Ich wollte aber auch keinen 08/15 Serienkiller-Roman schreiben.
Literatopia: In „Das Programm“ gibt es einen sehr ambivalenten Täter, als Leser weiß man nicht so recht, wie man ihm gegenüber empfinden soll. Welche Reaktionen hast Du von deinen Lesern bekommen? Wie wurden die Motive aufgefasst?
V.S. Gerling: Die Reaktionen waren erstaunlich eindeutig: 90% der Leser (die sich in welcher Weise auch immer geäußert haben) fanden es gut, dass sie davongekommen ist. Dieses Ergebnis hat mich ehrlich gesagt selbst überrascht. Aber was mich noch mehr überraschte, war die Tatsache, dass die meisten Leser den Humor klasse fanden. Da war ich mir nämlich sehr unsicher.
Literatopia: „Pakt des Bösen“ ist in Zeiten des Islamischen Staates brandaktuell. Wie hast Du dafür recherchiert?
V.S. Gerling: Ich habe mich viel mit Leuten unterhalten, die sich mit dem Islam auskennen. Auch den Koran habe ich gelesen – nicht in Gänze, aber immerhin. Darüber hinaus war ich einige Jahre bei der Bundeswehr und kenne noch ein paar, die lebenslänglich bekommen haben. Die Politik der USA interessiert mich schon seit langem und alles andere hat mir das Internet verraten.
Literatopia: „Das Kanzlerspiel hat“ für Furore gesorgt, es war unglaublich realitätsnah. Steckt dort viel Wahrheit drin oder mehr Wunschdenken? Und gäbe es heutzutage einen passenden Kandidaten?
V.S. Gerling: Ein Typ wie Jan Philip Gerling würde es niemals in die höchsten Kreise einer Partei schaffen. Ich habe diesen Typen bewusst überspitzt positiv dargestellt, da die Realität uns jeden Tag das Gegenteil präsentiert.
Literatopia: Kannst Du Dir Deine Thriller auch verfilmt vorstellen?
V.S. Gerling: Die Eichborn/Wagner Serie auf jeden Fall. Vor drei Jahren oder so habe ich mal Dieter Wedel angeschrieben und gefragt, ob er vielleicht auf der Suche nach neuem Stoff für eine Serie wäre. Er hat mir tatsächlich geantwortet und wir vereinbarten ein Treffen, zu dem es aber nie kam.
Literatopia: Auch Dir wurde bereits von unseriösen Verlagen angeboten, Dein Buch gegen eine hohe Summe zu verlegen. Was hältst Du von solchen Methoden? Und welcher Typ Autor fällt auf so eine Masche rein?
V.S. Gerling: Manchmal habe ich das Gefühl, das bei vielen Menschen die Eitelkeit den Verstand besiegt. Anders kann ich es mir nicht erklären, dass es Menschen gibt, die bis zu 20.000 Euro ausgeben, damit ihr Buch gedruckt wird. Eigentlich müssten mittlerweile alle wissen, dass sie über den Tisch gezogen werden, aber das Geschäft der DKZV scheint immer noch zu funktionieren …
Literatopia: Das eBook ist weiterhin auf dem Vormarsch. Was bevorzugst Du persönlich? Gedruckte Bücher, die sich im Regal gut machen, oder eBooks, von denen man tausende gleichzeitig mitnehmen kann?
V.S. Gerling: Eindeutig das gedruckte Buch. Ich besitze nicht ein einziges eBook. Würde auch nichts bringen, da ich keinen Reader habe. Heißt das Teil so?
Literatopia: Wie bist Du eigentlich zum Schreiben gekommen? Und warum hast Du Dich ausgerechnet für Thriller entschieden?
V.S. Gerling: Das Kanzlerspiel entstand aus einer Laune heraus. Ich war politikverdrossen und dachte mir, das geht doch alles besser. Also habe ich mir einen Kanzler ausgedacht, der so war, wie ich ihn mir wünschte.
Und dann gibt es ja diese eine Regel, die besagt, man sollte nur das schreiben, was man selbst gern lesen würde.
Literatopia: Was liest Du persönlich gerne? Bevorzugt Krimi und Thriller oder darf es auch mal Fantasy oder Horror sein?
V.S. Gerling: Ich bevorzuge Thriller und Krimis, wobei sich mir der Unterschied nicht wirklich erschließt.
Literatopia: Auf Deiner Homepage schreibst Du, Du reist sehr gerne. Wo hat es Dir bisher am besten gefallen?
V.S. Gerling: Jedes Ziel hatte seine besonderen Reize, aber Afrika, Mexiko und die Malediven haben bei mir einen bleibenden Eindruck hinterlassen.
Literatopia: Kannst Du uns einen kleinen Ausblick auf zukünftige Projekte geben? Und können wir vielleicht einen Genrewechsel von Dir erwarten? Vielleicht etwas Humorvolles?
V.S. Gerling: Die nächsten beiden Eichborn/Wagner Bücher sind fertig. „Sieben Gräber“ wird in 2016 erscheinen, „Die Farm“ wohl ein Jahr später (leider). Zur Zeit schreibe ich an einem neuen Projekt. Das Genre lässt sich wohl am ehesten mit Mystic-Thriller beschreiben. Dann habe ich noch die Idee zum fünften Eichborn und eine Dystopie im Kopf.
Literatopia: Herzlichen Dank für das Interview!
Autorenfotos: Copyright by V.S. Gerling
Rezension zu "Das Kanzlerspiel"
Dieses Interview wurde von Patricia Twellmann und Judith Madera für Literatopia.de geführt. Alle Rechte vorbehalten.