Verlag: Heyne (27.Juli 2015)
Broschiert 320 Seiten, € 12,99
Sprache: Deutsch
Originaltitel: The 100
ISBN-13: 978-3453269491
Genre: Science-Fiction
Klappentext
Seit einem vernichtenden Atomkrieg lebt die Menschheit auf Raumschiffen. 300 Jahre lang hat niemand mehr die Erde betreten. Doch nun sollen 100 jugendliche Straftäter das Unmögliche wagen: zurückkehren und herausfinden, ob ein Leben auf dem blauen Planeten wieder möglich ist. Doch was die idealistische Clarke, der geheimnisvolle Bellamy und die anderen Verurteilten nach ihrer Ankunft vorfinden, raubt ihnen den Atem. Ein tödliches Abenteuer beginnt, auf das sie kein Training der Welt hätte vorbereiten können ...
Rezension
Nach einem weltweiten Atomkrieg haben sich die letzten Überlebenden der Menschheit auf eine aus mehreren Schiffen bestehende Raumstation geflüchtet, welche die verseuchte Erde umkreist. Das liegt nun 300 Jahre zurück und in dieser Zeit hat sich auf der Station eine straffe Gesellschaftsform mit stark faschistoiden Zügen entwickelt. Das Leben ist streng reglementiert und jeder Verstoß wird mit drakonischen Strafen geahndet, immer häufiger sogar mit dem Tod.
Eine Gruppe von einhundert verurteilten Jugendlichen bekommt erstmalig die Chance, anstelle einer Exekution hinunter auf die Erde gebracht zu werden, um herauszufinden, ob dort unten mittlerweile wieder Leben möglich ist. Ein Abenteuer, auf das sie in keiner Weise vorbereitet wurden und welches unzählige Gefahren birgt ...
Die Grundidee der Story schwimmt voll auf der Welle der momentan sehr beliebten Jugend-Dystopien und ist demnach nicht neu, klingt aber für Genrefans durchaus interessant und ausbaufähig. Die Umsetzung bleibt allerdings meilenweit hinter allen Erwartungen zurück.
Erzählt wird die Geschichte aus der Sicht vier verschiedener Personen, die sich in rascher Folge und relativ kurz gehaltenen Kapiteln abwechseln. Darin erfährt man in der Hauptsache, aus welchen Gründen die Protagonisten in ihre Lage geraten sind, zum anderen, wie sich die Situation weiter entwickelt. Die ständigen, sprunghaften Wechsel fungieren als zuverlässige Killer der sowieso schon sehr dünn ausgefallenen Spannung und machen es außerdem schwierig, zu der jeweiligen Figur eine Beziehung aufzubauen. Die Geschehnisse prasseln auf den Leser ein, und bevor man auch nur Luft holen kann, ist man schon wieder beim nächsten angelangt. Zumindest hätte diese Art der Erzählweise eine regelrechte Steilvorlage für eine fundierte Charaktererstellung geboten, was leider nicht funktioniert hat. Die Figuren agieren flach und zweidimensional, sie haben keinen Tiefgang, benehmen sich oft unlogisch und übertrieben und sind Stereotypen wie aus dem Lehrbuch. Vom Äußeren her gehören sie alle der weißen Rasse an und sind durchwegs gut aussehend bis wunderschön. Eine Klischee - Schlacht ohnegleichen, die die Assoziation einer Handvoll Robinson spielender Barbie- und Ken - Klone aufkommen lässt.
Ein Großteil der Story nimmt das Thema Liebe ein, doch sämtliche diesbezügliche Schilderungen fallen eher bieder und absolut keimfrei aus. Der Roman wurde von einer Amerikanerin für ein amerikanisches Publikum verfasst, das ist überdeutlich zu merken. Dafür wird in epischer Breite ausgewalzt, wer warum in wen verliebt und mit wem zusammen ist und mit welchen Komplikationen zu kämpfen hat. Dem berühmten ‚gebrochenen Herzen‘ begegnet man ständig und fragt sich jedes Mal, ob die Kids denn keine ernsteren Probleme haben. Aber was bedeutet schon die Möglichkeit, zum ersten Mal nach 300 Jahren die Erde wieder neu zu entdecken angesichts der Sorge, ob die Herzallerliebste gerade mit dem Erzrivalen zum Wasserholen gegangen ist oder nicht.
Auch wenn man bei Kass Morgans hormonverseuchten Teenagern offensichtlich einige Abstriche bezüglich Vernunft, Prioritäten und logischem Denken machen muss, ihre Figuren handeln stellenweise derart haarsträubend dämlich, dass es einfach nicht mehr glaubwürdig ist. Sehr störend fällt zudem ins Gewicht, dass praktisch keine Nebencharaktere vorkommen. Gelegentlich wird eine Randfigur namentlich genannt und hat einen Zwei-Sätze-Auftritt, mehr ist es nicht.
Wenn man all das zusammennimmt, entsteht ein magerer, vorhersehbarer und schlecht ausbalancierter Plot, der substanzlos vor sich hin blubbert, jeglichen Unterhaltungswert eingebüßt hat und rasch zu langweilen beginnt.
Die Logik folgt nicht nur einmal ihren eigenen Gesetzen. So fragt man sich schon etwas, warum die Erbauer einer Raumstation nicht für unbemannte Aufklärungsdrohnen gesorgt haben, mit denen man problemlos in Erfahrung bringen könnte, ab wann die Erde wieder bewohnbar wäre. Stattdessen schickt man einen Trupp jugendlicher Sträflinge, die vom Überleben in der Wildnis keine Ahnung haben, damit diese die für die Menschen auf der Station lebensnotwendigen Informationen sammeln.
Nur um zwei Beispiele zu nennen.
Der Schreibstil liest sich sehr einfach und auch leicht unausgereift, zudem werden gerne Namen durcheinandergebracht. Egal ob das jetzt der Autorin, dem Lektor oder dem Übersetzer zuzuschreiben ist, das Endergebnis, welches beim Leser ankommt, wirkt nicht sehr professionell und liegt weit unter dem Durchschnitt.
Buch und Serie lassen sich übrigens nur schlecht miteinander vergleichen, weil einige Figuren aus dem Buch nicht im Film vorkommen und umgekehrt, einige Schicksale anders verlaufen und auch einige Charaktereigenschaften und Wesenszüge anders ausfallen.
Fazit
"Die 100" von Kass Morgan wird gerne mit ‚eine packende Mischung aus Der Herr der Fliegen und Die Tribute von Panem‘ beworben. Bei genauerem Hinsehen entpuppt sich der Roman eher als eine spannungsarme und ziemlich uninteressant geratene Mixtur aus Lost und Kampfstern Galactica, gewürzt mit einer mehr als großzügig bemessenen Portion Rosamunde Pilcher. Sehr schade, hier hätte man so viel mehr draus machen können!
Pro & Kontra
+ interessante Idee
+ gute Ansätze
- zu vorhersehbar
- kaum Spannung
- Logiklöcher
- Plot mager und schlecht ausbalanciert
- deshalb über weite Strecken langweilig
- flache, stereotype Charaktere
- praktisch keine Nebenfiguren
- stark Lovestory-lastig
- keinerlei Tiefgang
- schwacher Schreibstil
- vertauschte Namen
- ständiger Perspektivenwechsel
Wertung:
Handlung:1,5/5
Charaktere:1/5
Lesespaß:1/5
Preis/Leistung:2/5