Fronleichnamsmord (Bea Rauenthal)

Fronleichnamsmord

Verlag List, Dezember 2014
3. Fall mit Jo Weber und Lutz Jäger
TB, 342 Seiten, € 9,99
ISBN 978-3548611846

Genre: Krimi


Klappentext

Kommissarin Jo Weber ist entsetzt, dass ihr neuester Fall sie diesmal ins Jahr 1974 verschlägt. Die Kollegen sind spießige Machos und der Polizeimethoden eher gestrig. Ihr mitgereister Kollege Lutz Jäger dagegen ist überglücklich. Er lebt in einer Kiffer Kommune und außerdem ist Fußball WM. Aber der neue Fall wird immer schwieriger - ein Kaufhausbrand mit Todesfolge, der die beiden zerstrittenen Kommissare mitten in die Kämpfe zwischen linken Revoluzzern und konservativen Sturköpfen führt. Schnell stoßen Lutz und Jo aber auch auf private Hintergründe der Tat, und nutzen die Zeit des Endspiels Deutschland gegen Holland, als das ganze Land wie ausgestorben ist, um auf höchst ungewöhnliche Art den Fall zu lösen...


Die Autorin

Bea Rauenthal ist das Pseudonym der Bestseller Autorin Beate Sauer, die mit ihren historischen Romanen große Erfolge feiert. Sie lebt in Bonn.


Rezension

Zeitreisen in die Vergangenheit - immer wieder ein beliebtes Thema. Nostalgie weckt lang versteckte Gefühle und oft entdeckt man wieder völlig neue Gefühle oder Aspekte an einem Lebensgefühl, welches lange hinter uns liegt oder sogar noch etwas völlig Neues ist. In diesem dritten Fall der beiden Zeitreisepolizisten geht es diesmal in das Jahr 1974, zurück zu den Hippies und vor allem, zurück zur Fußballweltmeisterschaft in eigenem Lande, welche durch einige denkwürdige Spiele durchaus in die Annalen der Fußballchroniken einging. Zugleich stellt sich aber auch die Frage, ob wirklich Ereignisse verhindert werden können und inwiefern sich die verhinderten Ereignisse dann verändern - möglicherweise finden sie dann doch statt, nur auf eine andere Art.

Für Lutz und Jo geht es diesmal um einen Kaufhausbrand, bei dem der Besitzer ums Leben kommt. Als viele Jahre später sich Studenten den Leichnam noch einmal vornehmen, beziehungsweise die Bilder von ihm, stellen sie anhand neuer Techniken fest, dass der Mann schon vorher tot war - ermordet. Beim Betrachten des Bildes wird Jo in den bekannten Strudel hineingezogen und findet sich als Polizistin wieder, die ihren ersten Tag auf der Wache hat, frisch von der Akademie. Im Gegensatz zu heute wurden Frauen damals aber eher als exotische Wesen in Männerberufen betrachtet und vor allem nicht ernst genommen. Sie durften Kaffee kochen und Protokolle auf vorsintflutlichen Schreibmaschinen tippen - aber auf gar keinen Fall eigenständig denken oder ermitteln. Wieder einmal bekommt Jo es mit einem herrschsüchtigen, chauvinistischen Chef zu tun, dessen Charakter wohl in jedem Jahrzehnt sein Unwesen treibt. Lutz hingegen darf sich einmal die andere Seite anschauen, er findet sich in einer Kommune wieder, in der sich die Mitbewohner gegen die Staatsgewalt und Zwänge aussprechen und versuchen, möglichst ohne Regeln zu leben. Probleme sind dabei schon vorprogrammiert, denn in seinem Herzen ist Lutz immer noch Polizist und er weiß genau, dass er zu einem bestimmten Zweck hierhin entsandt wurde. Weitere schon bekannte Charaktere sind Jos Pensionswirtin und der diensteifrige, junge Polizist, der Jo trotz des Widerstandes ihres Chefs hilft. Diese beiden Charaktere gibt es in jedem der Zeitreisekrimis, allerdings angepasst an ihre jeweilige Zeit.

Können sie die Vergangenheit ändern? Denn für Jo gibt es diesmal eine richtige Zwickmühle und eine Herzensangelegenheit, denn sie steht auf einmal tatsächlich ihren Eltern gegenüber. Ihren Eltern - für sie ein absoluter Schockmoment, denn ihren Vater hat sie nie kennen gelernt. Und beide sind noch nicht zusammen - und stehen auch noch auf verschiedenen Seiten. Der Vater ist Staatsanwalt, die Mutter lebt in der Kommune. Sofort fühlt man sich Zurück in die Zukunft versetzt - und man ist gespannt ob sie ähnlich einfallsreich werden muss wie Marty McFly in dem bekannten Film. Man gönnt es Jo von Herzen, Zeit mit ihrem Vater verbringen zu können, dies bringt eine besonders pikante Note in die Geschichte.

Eine weitere pikante Note ist eindeutig die Fußballweltmeisterschaft, die 1974 bekanntlich in Deutschland stattfand. Immer wieder werden die Spiele thematisiert, es gelingt der Autorin hervorragend, den Werdegang der deutschen Mannschaft und die Spannung der einzelnen Begegnungen zu beschreiben und vor allem dem Leser nahe zu bringen. Wer es damals schon miterlebt hat, kann genüsslich in Erinnerungen schwelgen und die Sternstunden noch einmal erleben. Und vor allem mit Lutz staunen, als er wieder in der Gegenwart atmet und meint, in einem Paralleluniversum gelandet zu sein, denn Deutschland führt gegen Brasilien mit einem unglaublichen Torreigen. Aber nicht nur Fußball lädt zu Erinnerungen ein, genauso ergeht es mit dem damaligen Lebensgefühl, den Autos, der Lebensweise und den Klamotten.


Fazit

Faszinierend hat Bea Rauenthal in Fronleichnamslord die 70er Jahre wieder auferstehen lassen. Besonders gelungen sind ihr die Appetithäppchen mit der Weltmeisterschaft und dem Lebensgefühl. Atmosphärisch dicht ist dieser Krimi, wobei der eigentliche Fall schon fast zur Nebensache wird, soviel anderes hat die Autorin in dieses Buch gepackt.


Pro und Contra

+ spannend
+ viele bekannte und reale Ereignisse
+ authentische und bekannte Charaktere
+ gelungenes Nebeneinander von Ermittlung und Privatleben
+ 70er Jahre Atmosphäre
+ Situationskomik

- manchmal geht es nicht wirklich weiter
- Jo teilweise sehr zickig

Wertung sterne4

Handlung: 4,5/5
Charaktere: 4/5
Lesespaß: 4,5/5
Preis/Leistung: 4/5