Interview mit Akram El-Bahay
Literatopia: Hallo, Akram! Kürzlich ist der zweite Band von „Flammenwüste“ erschienen. Könntest Du für die Leser, die die Geschichte um den Geschichtenerzähler Anûr noch nicht kennen, kurz umreißen, wie alles begann?
Akram El-Bahay: In FLAMMENWÜSTE geht es um einen Jungen namens Anûr, der unverhofft in ein gewaltiges Abenteuer gerät. Anûr lebt in einer alten orientalischen Welt, in der Drachen und Dschinnen nur Märchenfiguren sind. Oder etwa nicht? Anûrs Gewissheit gerät ins Wanken, als ein Drache die Wüstenstadt Nabija angreift. Anûr wird vom Sultan persönlich als Chronist auf Drachenjagd geschickt. Und findet heraus, dass in der Tiefen Wüste seit Jahrhunderten eine Aufgabe auf ihn wartet: das erste aller Worte, das einst die Welt selbst erschaffen hat, vor einem dunklen Magier zu schützen. Anûr trifft auf menschenfressende Ghoulas, Schatten und einen Ifriten. Und natürlich auf Drachen.
Literatopia: Was ist Anûr für ein Mensch? Und wer hilft ihm auf seinem schwierigen Weg?
Akram El-Bahay: Anûr ist ein junger und sehr talentierter Geschichtenerzähler. Er geht bei seinem Großvater in die Lehre, der ihn allerdings nur selten alleine erzählen lässt. Anûr wäre gerne längst weiter in seiner Ausbildung. Und er träumt davon, eines Tages selbst Teil einer Geschichte zu sein. Natürlich wäre er gerne der Held. Als er tatsächlich in ein Abenteuer hineinstolpert, erfährt er Unterstützung von dem einzigen Magier der Wüste. Ein ziemlich vorlauter und von sich selbst überzeugter Junge namens Fis. Das Wüstenmädchen Shalia, die im Glauben groß geworden ist, immer stark sein zu müssen und natürlich Meno, ein schwarzer Drache, zu dem Anûr eine einzigartige Verbindung knüpft, begleiten ihn ebenfalls.
Literatopia: Was kannst Du uns über das Wüstenreich Nabija erzählen? Wie ist es entstanden? Und wie arrangieren sich die Menschen mit der Wüste?
Akram El-Bahay: Entstanden ist Nabija aus der Idee, wie das historische Kairo in einer Fabelwelt aussehen würde. Vermutlich bunt, laut und voll von fremden Düften. Für die Menschen aus Nabija ist die Wüste eine natürliche Grenze ihrer Welt. Keiner weiß so genau, wie es dort aussieht. Und deshalb ist sie die Leinwand, auf die sie ihre Märchen und Sagen projizieren. Umso überraschter ist Anûr, als er feststellt, dass die Wüste tatsächlich voll von den Wesen ist, über die er bislang nur erzählt hat.
Literatopia: Die geheimnisvollen Nori in „Flammenwüste“ erinnern ein wenig an eine dunkle Version von Tolkiens Elben – ist dieser Eindruck richtig?
Akram El-Bahay: Ja, die Elben waren tatsächlich ein Vorbild für die Nori. Beide Völker sind ziemlich erhaben und halten sich für moralisch unantastbar. Und gerade diese beiden Völker haben dem Bösen einen unfreiwilligen Dienst erwiesen. Die Elben, indem sie Sauron gezeigt haben, wie er Ringe der Macht anfertigen kann. Und die Nori, indem sie einen Krieg für Nyan geführt haben, an dessen Ende dieser das erste aller Worte, den Ursprung aller Magie, in die Hände bekommen hat. Was die Eigennamen angeht, standen allerdings mehrere Völker Pate. Natürlich die Zwerge aus dem HOBBIT, die alten Ägypter und auch die Erbauer der jordanischen Felsenstadt Petra.
Literatopia: Zu "Flammenwüste" gibt es ein Prequel als eBook: „Das Geheimnis der goldenen Stadt“ – worum geht es in dieser Vorgeschichte? Und warum ist sie nur als eBook erschienen?
Akram El-Bahay: Das Prequel führt Anûr in einer Nebenrolle in die Welt von FLAMMENWÜSTE ein. Im Vordergrund steht allerdings Sarraka, der ein Diener des dunklen Magiers Nyan ist. Er sucht einen Weg, um seinem Herrn aus der geheimnisvollen Stadt Iram einen mächtigen Zauber zu bringen. Iram ist eine Art orientalisches Atlantis. Eine versunkene Stadt, die in den ERZÄHLUNGEN AUS 1001 NACHT vorkommt. In Iram trifft Sarraka auf eine Gruppe mächtiger und tödlicher Geister.
DAS GEHEIMNIS DER GOLDENEN STADT ist deshalb ausschließlich als ebook erschienen, weil die Geschichte einen einfachen und kostengünstigen Einstieg in die FLAMMENWÜSTE darstellen soll. Der Kurzroman kostet nur 1,49 Euro und ist knapp 100 Seiten lang. Wem die GOLDENE STADT gefällt, kann dann guten Gewissens die Romane lesen. Ich denke, das ist eine sehr faire Variante bei einem noch unbekannten Autor.
Literatopia: Was bevorzugst Du persönlich: eBooks, die man zu hunderten mit sich herumtragen kann, oder gedruckte Bücher, die Deine Regale zieren?
Akram El-Bahay: Ich weiß um die Vorteile eines ebooks, aber mein Herz schlägt für gedruckte Bücher. Ich liebe den Duft von Papier und das Gefühl, ein Buch zum ersten Mal aufzuschlagen. Oder auch zum wiederholten Male – und mich daran zu erinnern, wie ich mich beim Lesen des Buchs gefühlt habe. Alleine schon das Wort „aufschlagen“ trägt Geschichte in sich. Früher waren Bücher mit Metallspangen verschlossen, die durch das Schlagen auf den Buchdeckel geöffnet wurden. Das klingt doch netter als „anschalten“, oder?
Literatopia: Gibt es eigentlich Drachen in der orientalischen Mythologie? Oder hast Du sie als klassisches Fantasyelement übernommen?
Akram El-Bahay: Ganz klar: Ja, es gibt Drachen im Orient. Nicht in den ERZÄHLUNGEN AUS 1001 NACHT, aber in den verwandten ERZÄHLUNGEN AUS 101 NACHT, also der kleinen Schwester der berühmten Schachtelgeschichten. Die ältesten Drachen-Darstellungen im Orient finden sich übrigens in Bildern aus dem alten Sumer, die weiter als 2500 v. Chr. zurückliegen. Ich würde sogar sagen, eine Wiege der Drachen liegt im Orient. Für FLAMMENWÜSTE allerdings geht der Ansatz eher auf den HOBBIT zurück. Die Vorstellung von Drachen in der Wüste hatte ich, seit ich das erste Mal von Bilbo Beutlins voreiligem Versprechen gelesen habe, er werde „mit den Lindwürmern in der letzten Wüste kämpfen“. In FLAMMENWÜSTE wollte ich herausfinden, wie sich Drachen in eine orientalische Märchenwelt einfügen.
Literatopia: Du bist mit den Märchen und Geschichten zweier Kulturkreise aufgewachsen. Welche Geschichten haben Deine Kindheit geprägt?
Akram El-Bahay: Ich bin tatsächlich mit arabischen Fabeln, orientalischen Sagen und den Märchen der Gebrüder Grimm aufgewachsen. Für mich waren beide Welten immer gleichberechtigt. So gesehen waren Dschinnen und böse Hexen immer schon in meinem Kopf. Geprägt haben mich sicher „Der Fischer und der Ifrit“ aus 1001 NACHT und Schneewichten, Rapunzel sowie Hänsel & Gretel.
Literatopia: In Disneys Aladdin gibt es einen Flaschengeist, der drei Wünsche erfüllt. Ist dieser Dschinni in irgendeiner Form authentisch? Gibt es in der orientalischen Mythologie Wesen, die Wünsche erfüllen?
Akram El-Bahay: Weder die Disney-Version noch die literarische Fassung von Aladin haben etwas mit 1001 NACHT zu tun und leider gibt es keine Wesen im Orient, die Wünsche erfüllen. Die Idee des Wunscherfüllers allerdings ist sehr schön und märchenhaft. Aladin entstammt höchstwahrscheinlich der Feder des Übersetzers, der 1001 NACHT erstmals nach Frankreich geholt hat. Die drei Wünsche wiederum gehen auf die Filmadaption der Geschichte vom Fischer und dem Ifriten zurück, die in der Tat ein echtes Märchen aus 1001 NACHT ist. Dieser Ifrit, ein tödlicher Rachegeist, erfüllt in dem Film DER DIEB VON BAGDAD seinem Finder drei Wünsche. In der Original-Geschichte hingegen werden gar keine Wünsche erfüllt und der Ifrit im Meer versenkt. Übrigens: Genau dieser Rachegeist taucht auch in einer Nebenrolle in FLAMMENWÜSTE – DE GEFÄHRTE DES DRACHEN auf.
Literatopia: Welchen Stellenwert hat die Phantastik in Ägypten? Gibt es dort überhaupt Fantasyromane?
Akram El-Bahay: Ägypten war das Land der Märchenerzähler, die auf Plätzen ihre Geschichten erzählt haben. Heute wird es leider vom Fernsehen dominiert. Soaps haben 1001 NACHT verdrängt. Fantasy-Literatur ist ebenso wenig gefragt wie Literatur im Allgemeinen, auch wenn mit Nagib Mahfuz, ein waschechter Nobelpreisträger für Literatur, dem Land am Nil entstammt. Zu den Gründen für den geringen Stellenwert von gedruckten Büchern gehören wohl unter anderem die leider immer noch hohe Rate an Analphabeten und der rasante Sprung vom erzählten zum gefilmten Wort. Eine Buchkultur hat sich in der arabischen Welt nie entwickelt. Dafür hat es eine im wahrsten Sinne des Wortes fantastische Erzählkultur gegeben.
Literatopia: Wann hast Du das erste Mal zur Schreibfeder gegriffen und warum?
Akram El-Bahay: Meine ersten Schreibversuche reichen bis in die Grundschulzeit zurück und sind glücklicherweise vergessen. Mein erster wirklich ernsthafter Schreibversuch heißt FLAMMENWÜSTE. Den Anstoß zum Schreiben hat mir meine Frau gegeben, indem sie meinte, ich solle es einfach mal versuchen, da ich gerne für Zeitungen geschrieben habe. Also habe ich es versucht …
Literatopia: Was liest Du persönlich gerne? Und hast Du ein Lieblingsbuch oder einen Lieblingsautor, von dem Du uns erzählen magst?
Akram El-Bahay: Im Grunde lese ich gerne, was ich schreibe. DER HERR DER RINGE ist mein Lieblingsbuch. Meine Helden sind J.R.R. Tolkien und Cornelia Funke. Daneben bewundere ich Astrid Lindgren, Terry Pratchett und Jules Vernes. Außerhalb von Fantasy-Geschichten lese ich nur selten Bücher. Zu meinen liebsten Nicht-Fantasy-Autoren gehört der Nahost-Korrespondent Karim El-Gawhary und seine Berichte aus der arabischen Welt.
Literatopia: Wie war bisher die Resonanz auf „Flammenwüste“? Und wie gestaltet sich eigentlich der Kontakt zu Deinen Lesern?
Akram El-Bahay: Nach nun insgesamt einem Jahr auf dem Markt kann ich sagen, dass FLAMMENWÜSTE gut aufgenommen worden ist. Das orientalische Setting kommt definitiv an. Irgendwie kennt ja jeder Dschinnen, aber danach endet bei vielen die orientalische Sagenwelt. Und in diese Lücke stößt FLAMMENWÜSTE. Die Figuren und Schauplätze sind keine Kulissen, sondern Teil einer „echten“ Welt. Was den Kontakt zu Lesern angeht, setze ich auf Lesungen und die Internet-Plattform Lovelybooks.de. Dort erfährt man immer das Neueste über meine Romane.
Literatopia: Kannst Du uns zum Schluss einen kleinen Ausblick auf den zweiten Band, „Der Gefährte des Drachen“, geben?
Akram El-Bahay: Klar. Nachdem der junge Geschichtenerzähler Anûr ed-Din im ersten Band die Aufgabe übertragen bekommen hat, das erste aller Worte, den Ursprung aller Magie, vor einem dunklen Magier zu schützen, rückt nun seine Entwicklung und die Verbindung zu dem Drachen Meno in den Fokus. Anûr wird langsam zu dem Helden, der er immer schon sein wollte. Er trifft dabei auf Geschöpfe, von denen er bislang allenfalls als Erzähler berichtet hat. Sein Weg führt ihn und seine Freunde an bislang unbekannte Orte. Oder wie Du es in Deiner Besprechung zu FLAMMENWÜSTE hier auf Literatopia.de geschrieben hast: Die jungen Helden waren noch nicht im Süden. Anûr muss sich in einem heraufziehenden Konflikt beweisen. Und seine Aufgabe meistern. Sie besteht natürlich in nichts Geringerem, als die Welt zu retten. Vor dem ersten aller Worte. Was sonst könnte in einer Wüstenwelt voller Stille gefährlicher sein?
Literatopia: Herzlichen Dank für das schöne Interview!
Akram El-Bahay: Vielen Dank für die Möglichkeit, FLAMMENWÜSTE vorstellen zu können.
Autorenfoto: Copyright by Akram El-Bahay
Rezension zu "Flammenwüste" (Band 1)
Rezension zu "Flammenwüste - Der Gefährte des Drachen" (Band 2)
Rezension zu "Flammenwüste - Der feuerlose Drache" (Band 3)
Dieses Interview wurde von Judith Madera für Literatopia geführt. Alle Rechte vorbehalten.