Melanie Vogltanz (27.10.2015)

Interview mit Melanie Vogltanz

melanie vogltanz2015Literatopia: Hallo, Melanie! Erzähl uns doch zuerst einmal etwas über Dich – wer bist Du und was schreibst Du?

Melanie Vogltanz: Hallo, und danke für die Einladung zum Interview! Ich bin 1992 geboren und studiere Deutsch, Anglistik und LehrerInnenbildung an der Uni Wien. Seit einigen Jahren spinne ich mir Geschichten zusammen, die sich wahrscheinlich am besten im Phantastik-Genre ansiedeln lassen: Dark Fantasy, Horror, aber auch Science Fiction; im Grunde einfach alles, was mir Spaß macht.

Literatopia: Ende 2015 geht beim Papierverzierer-Verlag Deine Reihe „Schwarzes Blut“ weiter – kannst Du uns schon etwas darüber verraten?

Melanie Vogltanz: Band 2 von „Schwarzes Blut“ ist über 200 Jahre nach Band 1 angesiedelt, und in dieser Zeit hat Elyssandria eine Menge durchgemacht. Was genau das ist, erfährt der Leser erst nach und nach, aber es hat sie grundlegend verändert. Unglücklicherweise hat sie sich auch Feinde gemacht, die ihr bei einem heimtückischen Giftanschlag die Unsterblichkeit stehlen. Dadurch altert sie unnatürlich schnell und muss in einem Wettlauf gegen die Zeit den Giftmischer aufspüren, um ihr Leben zu retten. Natürlich wird das nicht einfach – und wieder ziemlich blutig.

Literatopia: In Deiner Dystopie „Ararat“ ist die Welt sprichwörtlich ertrunken.  Wie haben sich die Überlebenden organisiert?

Melanie Vogltanz: In „Ararat“, der Welt nach der Flut, gibt es einen einzelnen, gottgleichen Herrscher namens Mordum, der sich die Technologie aus unserer Zeit zunutze gemacht hat, um die restliche Weltbevölkerung zu knechten. Er wird von den Menschen, die in mittelalterlichen Verhältnissen leben, zugleich verehrt und gefürchtet, letzteres ganz klar zu Recht.

Literatopia: Welche Technologien setzt Mordum dabei ein?

Melanie Vogltanz: Seine Armee, die sogenannten Wächter, nutzen Schusswaffen, Jeeps und Helikopter, außerdem ein weltumspannendes Netz aus Überwachungskameras, denen kaum eine Bewegung entgeht.

Literatopia: Inwiefern gelangt Dein Protagonist Alan Derstan durch „seltsame Umstände“ in diese postapokalytpische Welt?

araratMelanie Vogltanz: Wie genau Alan in die Zukunft gelangen konnte, weiß er anfangs selbst nicht. Leider hat er dadurch auch keine Ahnung, wie er wieder in seine Zeit zurückkommen könnte, was seine erste Priorität ist – denn die Zukunft und ihr absurdes Regime schmecken ihm ganz und gar nicht.

Literatopia: Was ist Alan für ein Typ? Und wie reagiert auf die Ungerechtigkeit in der Zukunft?

Melanie Vogltanz: Alan ist definitiv kein Protagonist, der Sympathiegefühle weckt. Von mehreren Lesern wurde mir bereits gesagt, Alan sei schlicht und ergreifend ein Arsch – und ich denke, das trifft es ziemlich gut. Er ist ein typisches Kind unserer Zeit, ein Egomane, der sich kein bisschen um das Schicksal anderer schert. Darum hat er auch keinerlei Interesse daran, die unterdrückten Menschen in „Ararat“ in die Freiheit zu führen oder ihnen einen besseren Weg zu weisen. Er will hauptsächlich seinen eigenen Hals retten und so schnell wie möglich die Kurve kratzen. Unglücklicherweise ist das nicht so einfach, und er verändert die Welt, durch die er stolpert, ohne es selbst zu wollen.

Literatopia: Kürzlich ist Deine Kurzgeschichtensammlung „Auf dunklen Schwingen“ erschienen. Was erwartet die Leser unter anderem?

Melanie Vogltanz: „Auf dunklen Schwingen“ hat den Anspruch, so etwas wie meine literarische Visitenkarte sein zu wollen: Sie enthält Dark Fantasy, Horror und dystopische Geschichten, also von allem etwas. Obwohl das Spektrum an Storys breit gefächert ist, haben sie eine Gemeinsamkeit: den Schatten des Unheilvollen, der über ihnen liegt – es geht um Krankheit, um Tod und Verlust, um unglücklich Liebende und finstere Rachepläne.

Literatopia: Was fällt Dir leichter zu schreiben: Kurzgeschichten oder Romane?

Melanie Vogltanz: Das mag vielleicht seltsam klingen, aber mir fallen Romane tatsächlich leichter als Kurzgeschichten. Einen Roman zu schreiben, ist ein wenig, als würde man sich mit guten Freunden treffen, die einem ihre Geschichten erzählen, und mit jedem Treffen lernt man sich etwas besser kennen. Die Atmosphäre ist angenehm heimelig, und nach den ersten hundert Seiten fühlt man sich bei seinen Charakteren zu Hause. Kurzgeschichten sind da ganz anders. Um Stephen King frei zu zitieren – eine Kurzgeschichte hat etwas vom Kuss eines Fremden in der Dunkelheit. Du weißt nicht genau, worauf du dich einlässt und hast nur ein sehr kleines Zeitfenster, um das zu vermitteln, was dir wichtig ist. Manchmal klappt das, manchmal geht es schief. Mittlerweile bin ich ins Kurzgeschichtenschreiben sozusagen hineingewachsen, denn in der Verlagswelt Fuß zu fassen, ohne Kurzgeschichten zu schreiben, ist schwierig bis unmöglich. Meine große Leidenschaftbleiben wohl dennoch Romane.

auf dunklen schwingenLiteratopia: Einige Deiner Werke hast Du selbstveröffentlicht. Was muss man als Autor dabei beachten? Und ist es mit einem Verlag tatsächlich leichter?

Melanie Vogltanz: Ich denke, wenn man sich ans Selfpublishing wagen möchte, sollte man nicht davor zurückschrecken, Geld in die Hand zu nehmen und sich vor allem Leute mit ins Boot holen, die vom Fach sind. Meiner Meinung nach ist es ohne ein gutes Team schwierig, am Ende ein Buch in Händen zu halten, das innerlich wie äußerlich Freude macht. Eine gelungene Geschichte ist nur eine von vielen Zutaten, die ein gutes Buch ausmachen – ein Lektor und ein Designer sind in meinen Augen Pflicht.

Ein Verlag hat sehr viele Vorteile – jede Veröffentlichung fühlt sich für mich an wie ein Drahtseilakt, und mit einem Verlag an meiner Seite habe ich zumindest eine Art Sicherheitsnetz unter mir. Zum einen liegt das natürlich daran, dass der Verlag alle Kosten trägt. Aber auch in moralischer Hinsicht ist ein Verlag eine Stütze – man weiß, dass das Manuskript zuvor einen Bewerbungsprozess durchlaufen und gegenüber anderen Manuskripten das Rennen gemacht hat, und das nimmt einem ein wenig die Angst davor, dass man totalen Mist fabriziert hat.

Ein guter Verlag kümmert sich auch um Marketingprozesse und Veranstaltungen, alles Dinge, die wertvolle Schreibzeit fressen, wenn man sich selbst darum kümmern muss. Natürlich gibt es auch den einen oder anderen Wermutstropfen bei der Verlagsveröffentlichung. Der gesamte Veröffentlichungsprozess von der Manuskripteinsendung zum fertigen Buch braucht in der Regel sehr viel Zeit, und manchmal wartet man monatelang umsonst auf eine erste Rückmeldung (die natürlich nicht immer positiv ausfällt). Außerdem hat man beim Selfpublishing völlig freie Hand, was bei einem Verlag nicht immer der Fall ist. Ich habe das Glück, bei zwei Verlagen unter Vertrag zu stehen, die sehr auf die Wünsche ihrer Autoren eingehen, aber ich habe auch schon anderes erlebt – grobe Eingriffe in die Geschichte zum Beispiel.

Literatopia: Du bist auch als Übersetzerin tätig, unter anderem für „Weg ins Nichts“ von Francis Knight. Wie bist Du dazu gekommen, englische Bücher zu übersetzen? Und wie lange brauchst Du für einen ganzen Roman?

Melanie Vogltanz: Das ist eine recht witzige Geschichte. Da ich beim Papierverzierer Verlag mit meiner Reihe „Schwarzes Blut“ unter Vertrag stehe, kannte Verlagschef SchemajahSchuppmann meine Vita und wusste, dass ich Englisch studiere. Eines Tages schrieb er mich einfach formlos an und fragte, ob ich Zeit hätte (mittlerweile unser interner Code für „Für die nächsten Wochen ist Schlaf gestrichen, Melanie“).  Wie sich herausstellte, brauchte er einen Übersetzer, und obwohl ich das vorher noch nie gemacht hatte, war ich begierig darauf, es auszuprobieren. Ich übersetzte also probeweise das erste Kapitel des Manuskripts. Offenbar war Schemajah zufrieden, denn in der nächsten Woche lagen drei Übersetzungsverträge auf meinem Schreibtisch.

Wie lange ich für eine Übersetzung brauche, ist vom Umfang des Romans abhängig, aber in der Regel sind es zwischen drei und sechs Monate.

maleficusLiteratopia: Bereits mit neun Jahren hast Du Deine ersten Buchprojekte angefangen. Wie sahen Deine Geschichten damals aus? Und wann hast Du erstmals eine Veröffentlichung in Erwägung gezogen?

Melanie Vogltanz: Ich erinnere mich noch dunkel, dass es in meinem allerersten „Roman“ um Katzen und Zeitmaschinen ging. Keine Ahnung, was aus dem Manuskript wurde – wahrscheinlich ist es bei irgendeinem Umzug verloren gegangen. Kein großer Verlust für die Literaturwelt. An eine Veröffentlichung dachte ich schon relativ früh, wahrscheinlich zu früh. Als ich elf war, begann ich das erste Buch, das ich tatsächlich auch abschloss, nämlich „Im Kreis der Flammen“, das ich zwei Jahre später beendete und auch in einem Verlag unterbrachte. Das Buch ist mittlerweile nur noch gebraucht erhältlich, und ich glaube, das ist auch gut so. Dieses Manuskript war damals eine Art Lehrstück, ohne das ich die vielen kommenden Projekte vermutlich nicht hätte schreiben können, aber für eine Veröffentlichung hat es sich damals wahrscheinlich nur bedingt geeignet. Fünf Jahre später habe ich es mit mehr Erfahrung im Gepäck vollständig überarbeitet und unter dem Titel „Luna Atra“ neu veröffentlicht. In dieser Fassung ist die Geschichte deutlich publikumstauglicher.

Literatopia: Welche Genres liest Du vorzugsweise? Und hast Du ein Lieblingsbuch / einen Lieblingsautor?

Melanie Vogltanz: Zurzeit lese ich am liebsten Horror in der Tradition von Stephen King. „Ein“ Lieblingsbuch ist immer schwierig zu wählen, ich mache es mir daher etwas einfacher und nenne das Buch, das mir im letzten Jahr am besten gefallen hat – das war „Christmasland“ von Joe Hill, das mich vor allem dadurch beeindruckt hat, dass es die Einführung von übernatürlichen Elementen in „unserer“ Welt zu Ende denkt (nämlich indem die Protagonistin zwischendurch in der Klapse landet).

Literatopia: Wie ist der Kontakt zu Deinen Lesern? Kommunizierst Du viel mit ihnen, zum Beispiel über Social Media?

Melanie Vogltanz: Den Kontakt zu meinen Lesern finde ich sehr, sehr wichtig. Ich bin ziemlich stark auf Facebook präsent und poste regelmäßig über den Stand meiner Projekte, frage auch manchmal um Rat oder nach Meinungen zu Textausschnitten oder Titelideen. In den meisten meiner Bücher lade ich am Ende auch dazu ein, mich über Mail oder Facebook zu kontaktieren, um mir Feedback zu geben, eine Gelegenheit, die überraschend viele Leser wahrnehmen. Auf Buchmessen erlebe ich regelmäßig, wie wertvoll diese Art von Kontakt ist: Da kann es tatsächlich passieren, dass jemand, den ich noch nie zuvor gesehen habe, auf mich zutritt und mit mir über meine Bücher zu plaudern beginnt.

Literatopia: Was bevorzugst Du: Gedruckte Bücher, die Regalwände zieren, oder eBooks, die dutzendfach mit in den Urlaub können?

mortalitasMelanie Vogltanz: Für viele scheint das eine Entweder-Oder-Frage zu sein, bei mir ist es ein Sowohl-Als-Auch. Ich würde meinen eBook-Reader nicht mehr missen wollen, er vereinfacht das Dasein eines Bookaholics einfach ganz ungemein. Der Charme eines gedruckten Buches ist für mich aber trotzdem ungebrochen – das haptische Erleben, der Duft der Seiten, das Bewundern im Regal. Manche Bücher besitze ich deswegen auch in beiden Formaten, digital und gedruckt.

Literatopia: Kannst Du uns abschließend einen kleinen Ausblick auf zukünftige Projekte geben?

Melanie Vogltanz: Im Augenblick ist eine Menge geplant, wobei ich mich bei den meisten Projekten noch bedeckt halten muss. Für 2016 steht ein großes Ding in Zusammenarbeit mit einigen anderen, grandiosen Autoren im Papierverzierer Verlag an, das im Augenblick unter dem Hashtag „geheimprojekt26“ durch die sozialen Medien geistert. Viel darf ich dazu noch nicht verraten, aber es wird traumhaft geil. Vor wenigen Tagen habe ich außerdem einen druckfrischen Vertrag für ein neues Romanprojekt unterzeichnet, das 2017 das Licht der Welt erblicken wird – ein Horrorroman im Verlag ohneohren. Auf jeden Fall bleibt es spannend.

Literatopia: Herzlichen Dank für das Interview, Melanie!


Autorenfoto: Copyright by Melanie Vogltanz / Interfoto

Autorenhomepage: www.melanie-vogltanz.net


Dieses Interview wurde von Judith Madera für Literatopia.de geführt. Alle Rechte vorbehalten.