Ulrike Helmer Verlag, 1. Auflage, September 2015
Taschenbuch, 329 Seiten,
14,95 Euro [D]
ISBN-13: 978-3-89741-376-4
Genre: Kriminalroman
Klappentext
Julie Schneebergs neuer Thriller ist noch nicht erschienen, schon wittern die Medien spannende Enthüllungen. Denn die gefeierte Krimiautorin greift darin das dunkelste Kapitel ihrer Vergangenheit auf: Eines Nachts wurde sie in der eigenen Familie Zeugin einer blutigen Tragödie … Das schreckliche Erlebnis ließ die damals Siebzehnjährige zu einer Frau werden, die (von gelegentlichen lesbischen Affairen abgesehen) einsam und zurückgezogen lebt. Doch seit ihr Buch angekündigt ist, überschlagen sich die Ereignisse in Julie Schneebergs Leben … und auch auf ihre Mutter Dana, eine prominente Schauspielerin, wirft der Thriller tiefe Schatten voraus. Was geschah in jener Nacht?
Die Autorin
Carolin Schairer wuchs in Niederbayern auf. Sie ist Diplom-Journalistin, schrieb als Freie für Zeitungen und Magazine, war in der Medienbeobachtung, in der Markt- und Meinungsforschung und als PR-Mitarbeiterin eines Großunternehmens tätig. Sie lebt in Wien.
Rezension
Bestsellerautorin Julie Schneeberg meldet einen Einbruch. Ihre Wohnung ist verwüstet, aber bis auf ihren Laptop und etwas Modeschmuck fehlt nichts. Die Polizei steht vor einem Rätsel. Als die Autorin wenig später vor einem Einkaufszentrum angefahren wird, geht die Polizei zuerst von einem radikalen Stalker aus. Dann bekommt die Presse einen heißen Tipp: Die Autorin, die in ihren Büchern teilweise autobiographische Details verarbeitet, plant ein neues Buch, in dem sie anscheinend ein tragisches Erlebnis aus ihrer Kindheit verarbeiten will. Der Kriminalbeamte Bernd Gerold ermittelt, zuerst im professionellen Umfeld der Autorin, dann im Familienkreis. Derweil baut die Polizeipsychologin Helene Winter einen zarten Kontakt zu der zurückgezogen lebenden Julie Schneeberg auf. Mehrere Hinweise veranlassen die Psychologin und den Kriminalbeamten den alten Fall noch einmal aufzurollen, ohne zu ahnen, welche Geister sie damit wecken, denn Julies Mutter, die berühmte Schauspielerin Dana Karneol möchte nichts mehr, als das damals Geschehene ruhen zu lassen.
In jener Nacht ist der dritte Kriminalroman von Carolin Schairer unter dem Label CriMiNa des Helmer Verlags. Auch dieses Mal greift sie ein düsteres Familiengeheimnis auf und zeigt die seelischen Traumata auf, die Menschen davon tragen können. Erzählt wird die Geschichte auch dieses Mal aus mehreren Perspektiven und in verschiedenen Zeitebenen. In kurzen Kapiteln erlebt der Leser sowohl die heutigen Ereignisse, von dem ersten Einbruch bei Julie Schneeberg bis zur brisanten Aufklärung des Falles, als auch die Jugend Julies, die von einer manisch depressiven Mutter dominiert wurde. Auf diese Weise fehlt der spezielle Zugang zu einer Figur, den Schairer in ihren Liebesromanen immer gekonnt aufzubauen vermag. Allerdings zeichnet dieser Erzählstil ein umfängliches Bild von den Akteuren, damals wie heute.
Die Gestaltung von glaubhaften Charakteren ist eine der Stärken von Carolin Schairer. Auch dieses Mal wird der Leser nicht enttäuscht. Schairer zeichnet in der Vergangenheits- Zeitebene ein tiefsinniges Familienbild mit der egozentrischen Mutter Dana, die immer vom Durchbruch träumt und sich auf dem Land langweilt. Julies Stiefvater Joe ist das Ebenbild eines abhängigen Mannes, der auf der Suche nach der Liebe seiner Frau nach und nach zerbricht, während Julie eigentlich nur eines möchte: weg von ihrer manipulativen Mutter. In der Gegenwart ist aus Julie ein zurückgezogener Mensch geworden, von der ersten großen Liebe zutiefst verletzt und den Ereignissen in der Vergangenheit traumatisiert. Nur die einfühlsamen Psychologin Helene Winter schafft es, hinter die abweisende Fassade zu schauen. Hierbei hilft ihr zum einen ihre Ausbildung. Aber auch die Erfahrung mit ihrer Adoptivtochter Miriam, die ebenfalls eine schwierige Kindheit hatte, ermöglicht es ihr, sich in Julie Schneeberg einzufühlen.
Anders als in Schairers ersten Kriminalroman Wir werden niemals darüber reden nimmt dieses Mal auch die Liebe eine größere Rolle ein. In der Vergangenheit erlebt Julie mit ihrer Lehrerin Lydia die erste große Liebe – eine schwierige Liebe, die geheim gehalten werden muss. Nicht nur, weil Lydia eine Frau und zudem Julies Lehrerin ist, sondern auch weil Lydia bereits einen Ehemann hat. Die verschlossene Julie der Gegenwart hingegen pflegt nur lockere Affären. Als sie jedoch aus der Stadt flieht, um im Ferienhaus von Helene Winter etwas Ruhe zu finden, bekommt sie unerwarteten Besuch. Während sich die Gefahr um sie verdichtet, keimt zaghaft eine neue Liebe.
Die Handlung bleibt trotz der regen Zeit- und Perspektivwechsel übersichtlich. Schairer schreibt sehr klar und führt die verschiedenen Fäden gekonnt zueinander. Das „dunkle Kapitel“ aus Julie Schneebergs Leben wird bereits auf den ersten Seiten enthüllt: Als sie ein Teenager war, hat ihr Stiefvater ihre beiden kleinen Schwestern und sich selbst umgebracht. Die Spannung liegt also nicht darin, zu erfahren, worum es sich bei dem tragischen Ereignis handelt, sondern darin, zu erfahren, was damals wirklich passiert ist. So birgt die Vergangenheit ihren ganz eigenen Reiz, wenn man als Leser zusehen kann, wie sich die Ereignisse in der Familie zuspitzen. Besonders hervorsticht hierbei der Charakter Dana Karneol. Schairer beweist erneut ihr Talent für Persönlichkeiten abseits der Norm, wenn sie kunstvoll den manipulativen, egozentrischen Charakter der Schauspielerin offenbart. Ein besonderer Leckerbissen ist dann auch die finale Konfrontation, in der Dana Karneol noch einmal mit ihrer Schauspielkunst brillieren kann.
Fazit
Mit In Jener Nacht liefert Carolin Schairer ihren dritten Kriminalroman. Im Gegensatz zu anderen Romanen des Genres, in der die Suche nach Beweisen und Täter im Vordergrund stehen, widmet sich In jener Nacht einem Familiendrama und den beteiligten Charakteren. Kunstvoll gestaltet die Autorin das Bild einer gestörten Familie zum einen, und einem traumatisierten Opfer zum anderen. Nicht nur für Kriminalfans empfehlenswert!
Pro/Contra
+ facettenreiche Charaktere
+ stimmungsvolle Grundgeschichte
+ interessante Teilerzählstränge
+ Charaktergestaltung von Dana Karneol
o zahlreiche Perspektivwechsel
- Auflösung vorhersehbar
Bewertung:
Charaktere: 5/5
Handlung:4,5 /5
Lesespaß:5/5
Preis/Leistung: 4,5/5
Rezension zu "Wir werden niemals darüber reden"
Rezension zu "Lass keine Fremden ins Haus"
Rezension zu "Riskantes Spiel"
Rezension zu "Verlieren-Vergessen-Verzeihen"
Rezension zu "Vesna"
Rezension zu "Die Sterne vom Himmel holen"
Rezension zu "Sommer im Barock"
Rezension zu "Am Anfang war Neuseeland"