Raum (Emma Donoghue)

Donoghue E-Raum

Piper Verlag, 1. Auflage, November 2012
Taschenbuch, 416 Seiten
OT: Room
aus dem Englischen von Armin Gontermann
9,99 Euro [D]
ISBN-13: 978-3-492-30129-9
Gelesen im englischen Original

Genre: Roman / Drama


Klappentext

Für Jack ist Raum die ganze Welt. Dort essen, spielen und schlafen er und seine Ma. Jack liebt es fernzusehen, denn da sieht er seine »Freunde«, die Cartoonfiguren. Aber er weiß, dass die Dinge hinter der Mattscheibe nicht echt sind – echt sind nur Ma, er und die Dinge in Raum. Bis der Tag kommt, an dem Ma ihm erklärt, dass es noch eine Welt da draußen gibt und dass sie versuchen müssen, aus Raum zu fliehen …


Die Autorin

Emma Donoghue ist eine kanadische Schriftstellerin irischer Herkunft. Emma Donoghue wurde in Dublin als jüngstes von acht Kindern geboren; ihr Vater ist der Literaturkritiker Denis Donoghue. Sie erhielt einen B.A. vom University College Dublin und einen Ph.D. von der Universität Cambridge. 1998 verlegte sie ihren Wohnsitz nach London in Ontario, wo sie mit ihrer Lebensgefährtin und ihren Kindern lebt. Die kanadische Staatsangehörigkeit erwarb sie 2004.


Rezension

Auf das Buch Raum wurde ich durch die Oscar-Nominierung von Brie Larson (Beste Hauptdarstellerin) aufmerksam. In der Romanverfilmung übernimmt Larson die Rolle der Ma, ist damit die Mutter des Jungen Jack. Hinter dem schlichten Titel verbirgt sich ein äußerst ungewöhnlicher Roman: Der Junge Jack wird fünf Jahre alt. Seinen Geburtstag begeht er wie jeden Tag zuvor. Er begrüßt die einzelnen Möbel in Raum, badet mit seiner Ma und spielt mit der Papierschlange unterm Bett. Seine Routine wird erst durchbrochen, als ihm seine Ma erzählt, dass es noch eine Welt außerhalb gibt, dass das, was er im TV sieht echt ist. Da Jack Raum noch nie verlassen hat, kann er dies nicht glauben. Doch seine Ma beharrt darauf. Schlimmer noch, sie erzählt ihm, dass sie hinaus in diese Welt müssen, und es ist an ihm, Raum zu verlassen und Hilfe zu holen. Kein Trotz, keine Tränen helfen – Jack muss Raum verlassen. Für den Fünfjährigen beginnt damit die Reise in eine unbekannte Welt …

Auf den ersten Seiten wirkt der Roman Raum etwas seltsam. Geschrieben aus der Sicht des fünfjährigen Jack erscheinen die Rituale, die er und seine Mutter pflegen, befremdlich bis bizarr. Erst nach und nach wird deutlich, dass die beiden das Zimmer namens Raum den ganzen Tag über nicht verlassen. Und dies wohl noch nie getan haben. Jacks naives Verhalten bekommt dadurch einen tieferen Charakter. Wirklich deutlich werden die Zustände allerdings erst, als Jack am Abend zum Schlafen in den Kleiderschrank geht, ein Piepen ertönt und ein Mann Raum betritt: Der alte Nick. Aus Jacks Verhalten wird deutlich, dass dieser Mann ein regelmäßiger Besucher ist. Er bringt Lebensmittel und anderen Dinge, die Jack und seine Mutter zum Leben brauchen. Im Anschluss bleibt er für einige Stunden. Jack zählt dann immer das Quietschen des Bettes. Obwohl der Junge nicht versteht, was da passiert und er in seiner kindlichen Naivität verharrt, wird dem Leser mit Erschrecken bewusst, was es mit Raum auf sich hat.

Emma Donoghues gewählte Erzählperspektive ist zugleich ungewöhnlich wie wunderbar. Jacks Erzählstil ist einfach. Manchmal kennt er die Worte nicht oder macht Fehler. Seine Grammatik ist nicht perfekt. Er kann zwar lesen und ist sehr aufgeweckt, aber er ist und bleibt nun einmal erst fünf. Daher fehlt ihm oftmals die Einsicht in die Vorgänge. Er ist egoistisch und trotzig, aber auch unglaublich einfühlsam. Als Leser möchte man Jack manchmal einfach nur schütteln, gleichzeitig kommt man aber nicht umhin, sich in den Jungen zu verlieben. Für ihn zählt am Ende nur eines: seine Mutter glücklich zu sehen und mit ihr zusammen zu sein. Seine Ma ist das Zentrum seines Lebens. So ist Raum trotz allem vor eines, eine außergewöhnliche Geschichte über die Liebe zwischen Mutter und Kind.

Aufgrund der gewählten Perspektive erhält der Leser leider kaum Einblick in Mas Psyche, nicht einmal ihr Name wird in der Geschichte enthüllt. Wie es der jungen Frau geht, die jahrelang gefangen gehalten und missbraucht wurde, wird dennoch deutlich – zum einen unterschwellig über ihre Verhaltensweisen, zum anderen über Gesprächsbruchstücke zwischen Ma und ihrem Psychiater oder ihrer Mutter, die der Leser über Jack mitbekommt. Offensichtlich wird indes auch ihre innere Stärke, die sie über die Jahre hinweg am Leben hielt und Jack, trotz der Situation, eine gute Kindheit bescherte.

Denn bei aller Düsternis findet sich in Raum auch Zeit für leichte Momente. Sei es in Jacks kindlichen Gedanken ß, in den Spielen, die Mutter und Kind teilen oder in den Erklärungen, die dem Jungen kommen, während er sich in dieser neuen fremden Welt außerhalb Raums zurechtfinden muss. In diesen Momenten entdeckt der Leser bei aller Tragik mitunter ein Schmunzeln auf seinem Gesicht. Nachdenkliche und stille Momente finden sich ebenso wie kritische, wenn zum Beispiel die Presse über Jack und seine Ma herfällt oder dem Jungen auffällt, wie sehr die Menschen heutzutage ohne Zeit durch die Welt hetzen.


Fazit

Raum erzählt eine tief bewegende Geschichte über die Liebe zwischen einer Mutter und ihrem Kind und die Kraft, die beide auseinander in schweren Zeiten ziehen. Emma Donoghue erzählt hier die Geschichte eines kleinen Jungen, der zusammen mit seiner Mutter in einem Raum von wenigen Quadratmetern aufwächst. An seinem fünften Geburtstag muss er erfahren, dass es noch eine Welt außerhalb dieses Raumes gibt. Eine schwere Aufgabe liegt vor ihm, denn er muss nicht nur seiner Mutter zur Flucht verhelfen, sondern sich dieser großen, neuen Welt mit all ihren fremdartigen Gegenständen, Menschen und Regeln stellen.


Pro/Contra

+ Idee
+ Umsetzung
+ Jacks Perspektive

o Handlung im Raum ist etwas kurz

- Gedanken der Mutter bleiben größtenteils verborgen
 
Bewertung: sterne4.5

Charaktere: 4,5/5
Handlung: 4/5
Lesespaß: 5/5
Preis/Leistung: 5/5