Frostseelen (Natalie Speer)

Speer N-Frostseelen 188x300

Bastei Lübbe Verlag, 1. Auflage, November 2015
Taschenbuch, 558 Seiten,
15,00 Euro [D] | 15,50 Euro [A]
ISBN-13: 978-3-404-20804-3

Genre: Fantasy


Klappentext

Die Welt wird brennen.

Die Welt wird erfrieren.

Die Welt wird sterben.

Doch nicht der Krieg wird euch toten. Sondern das, was er verbirgt.

Ein atemberaubendes Fantasy-Abenteuer über Freunde, die auseinandergerissen werden, über Feinde, die zu Verbündeten werden, und über Geheimnisse, die den Tod in sich tragen …


Die Autorin

Natalie Speer wurde 1981 im Alpenvorland geboren und lebt und arbeitet heute in Nürnberg. Ihre Liebe zur Phantastik spiegelt sich in allen ihren Büchern wieder, aber auf ganz unterschiedliche Art. Unter dem Namen Christiane Spies schreibt sie Historische Romane mit Werwölfen, als Natalie Speer entwirft sie ganz eigene phantastische Welten. Sie ist verheiratet und hat eine Tochter.


Rezension

Das Land Athosia ist im Aufruhr: An der Grenze zu den Nørlanden wütet der Krieg. Zudem breiten sich die Gerüchte über eine mysteriöse Seuche aus. Die Novizin Thea meldet sich freiwillig zum Dienst – zum einen, um der Republik zu dienen, zum anderen, um ihren Verlobten Ian wiederzusehen. Als Feuermagierin, auch Brenner genannt, sind ihre Dienste im eisigen Norden mehr als Willkommen. Daher wird sie gleich einen Tag nach ihrer Abschlussprüfung mit anderen Rekruten zur Grenze geschickt. Dort warten neben Kälte und Tod auch so einige unangenehme Wahrheiten und Überraschungen. Während Theas Weltbild auf den Kopf gestellt wird, breitet sich die Seuche weiter aus. Die Menschen stehen am Abgrund, und nur eine ungewöhnliche Allianz vermag die Gefahr zu bannen …

Hinter dem stilvollen eisblauen Cover und dem stimmigen Titel verbirgt sich das Romandebüt der deutschen Autorin Natalie Speer. In für das Genre-untypischer Ich-Perspektive erzählt die Autorin im Präsens die Geschichte der jungen Brennerin Thea. Die Handlung des Romans beginnt in der Akademie der Gilden, wo sich die Protagonistin im Feuertanz übt. Denn die Abschussprüfungen stehen bevor, und von ihnen hängt ab, ob Thea in den Krieg ziehen wird. Ihr Training wird von der Heilerin Eleni, Theas bester Freundin begleitet und abschließend von Marius kommentiert, einem jungen Brenner, der als arroganter Antagonist porträtiert wird. Schnell wird klar, dass es sich bei Thea um eine Außenseiterin handelt, die aufgrund ihrer niederen Geburt und einem Geburtsfehler – sie trägt an einer Hand sechs Finger – von der Gesellschaft ausgegrenzt wird. Dennoch präsentiert sie sich als Charakter, der weiß, was er will und im Laufe der Geschichte lernt, Dinge zu hinterfragen und selbstständig zu denken. Speer findet hier eine gute Balance aus Stärke und Schwäche – eine Dreidimensionalität, die sich in Theas Counterpart, dem Vereiser Anders und einigen anderen Figuren widerfindet. Etwas schwach bleiben hingegen Theas Freundin Eleni und Theas Verlobter Ian. Die eine wirkt unterkühlt und sehr kalkulierend, in dem anderen manifestiert sich das Bild eines engstirnigen, eifersüchtigen Mannes, der mit der Ausrede Beschützen zu wollen, Thea ihre Selbstständigkeit absprechen will. Insgesamt fällt auf, wie stark die meisten Figuren ihr eigenständiges Denken eingebüßt haben. Dies liegt in der Welt von Frostseelen begründet.

Speer zeichnet hier eine komplexe Welt, die aus zwei gegensätzlichen Gesellschaften besteht. Im warmen Athosia wird Religion verteufelt. Vernunft und Wissen sind die Ideale, nach denen alle Streben. Gleichzeitig gibt es aber auch eine herrschende Kaste, die das Wissen und den Handel kontrolliert, während Nichtbürger und Sklaven sich scheinbar ergeben ihrem Schicksal beugen. Im Norden dagegen herrschen Kälte und alte Religionen. Die Menschen sind frei und ungestüm wie ein Wintersturm. So ist es auch der Eismagier Anders, der Thea lehrt, eigenständig zu denken und für sich selbst einzustehen – ein starker Charakter, der durch menschliche Wärme, Wissen und seine magischen Fähigkeiten zu faszinieren weiß. Trotz dieser Komplexität findet man sich in Theas Welt gut zu Recht, da sich die Autorin immer wieder die Zeit nimmt, Hintergründe zu erläutern und mit schönen sprachlichen Bildern, ihre Welt zum Leben zu erwecken. Nur an zwei, drei Stellen werden Hintergründe und die Geschichte der Welt in Form von Infodumping-Kapiteln, die als Erzählung oder Schriftstücke getarnt sind, verpackt. Diese Stellen reißen aus dem Lesefluss und lesen sich auch etwas unschön. Speer findet aber jedes Mal schnell wieder zurück in einen flüssigen, unterhaltsamen Stil.

Insgesamt liest sich Frostseelen sehr angenehm. Nach den ersten Kapiteln, die teilweise recht langatmig in die Figur Theas und die Welt einführen, gelingt der Autorin eine gute Balance aus sprachlichen Bildern, Dialog und verknüpfenden Hintergrundinformationen. Hin und wieder gelingt es Speer auch, den Leser auf falsche Fährten zu locken und überraschende Wendungen einzubauen, während andere Dinge sich leider bereits von Anfang an abzeichneten.
Ein Punkt, an dem sich einige Leser reiben werden, sind sicherlich die Frostseelen selbst. Ihre Einführung kam, trotz den Titels, überraschend und in der Ausführung sehr gelungen. Andererseits wecken die Zombie-ähnlichen Figuren im Zusammenhang mit eisigen Wäldern auch unwillkürlich Parallelen zu Game of Thrones. Gleichzeitig bringt Speer im Verlauf der Geschichte öfters unnötige Bezüge zu unserer Welt, die einen aus der Fantasy-Welt reißen. So ist in Athosia das Element Chrysos extrem wertvoll, da es die Fähigkeiten der Brenner verstärkt. Sein Counterpart hingegen lähmt die Brenner und wird von den Vereisern zur Verstärkung ihrer Fähigkeiten verwendet. Diese magischen Elemente verlieren etwas an ihrem mysteriösen Hauch, sobald Thea in den Norden reist. Dort sind die beiden Elemente nämlich unter den lapidaren und in unserer Welt gebräuchlichen Namen Gold und Silber bekannt. Die Tattoos der Nordländer werden in ihrer Bezeichnung als Tätoverings zwar abgewandelt, ihr sprachlicher Ursprung bleibt aber deutlich erkennbar.

Trotz dieser Schwächen überzeugt Frostseelen durch einen weiteren Punkt. Denn bei aller Fantasy ist die Geschichte tiefgründig. Kriege werden wegen Ressourcen geführt, Menschen in einem Klassensystem entmündigt und ausgebeutet. So ist Roman neben aller Unterhaltung auch Gesellschaftskritik und bietet Anregungen, über die Welt und die Geschehnisse darin, einmal mehr nachzudenken.


Fazit

Der deutschen Autorin Natalie Speer gelingt mit Frostseelen ein bezauberndes Fantasy-Debüt, das mit einer faszinierender Welt, einem durchdachten Magiesystem und interessanten Figuren aufwartet. Die junge Feuermagierin Thea bricht auf in den Krieg, doch noch bevor sie die Nordgrenze erreicht, wird ihr Trupp überfallen. Eine Seuche breitete sich vom Norden her aus, und es gilt, ihren Ursprung zu finden und auszumerzen. Thea macht sich mit den Soldaten auf den Weg. In den eisigen Hängen der Nørlande findet die Brennerin neben Verrat, Grauen und Tod aber auch ihre innere Stärke und eine neue Wahrheit. Eine spannende Heldenreise mit überraschenden Wendungen, wenigen Längen und durchdachten Actionszenen.


Pro/Contra

+ Coverdesign
+ Welt- und Magiedesign
+ Theas Heldenreise
+ Karte und Glossar

o Ich-Erzähler, Präsens

- abruptes Ende
- teilweise Längen und Infodumping in einzelnen Kapiteln
- unnötige Wortbezüge zu unserer Welt

Bewertung: sterne4.5

Charaktere: 4/5
Handlung: 4,5/5
Lesespaß: 4,5/5
Preis/Leistung: 4,5/5