Die unsichtbare Bibliothek (Genevieve Cogman)

Bastei Lübbe (2015)
Originaltitel: The Invisible Library
Übersetzer: Arno Hoven
Taschenbuch, Klappenbroschur
427 Seiten, 14,99 EUR
ISBN: 978-3-404-20786-2

Genre: Fantasy


Klappentext

Die unsichtbare Bibliothek – ein Ort jenseits von Raum und Zeit und ein Tor zu den unterschiedlichsten Welten. Her werden einzigartige Bücher gesammelt und erforscht, nachdem Bibliothekare im Außendienst sie beschafft haben. Irene Winters ist eine von ihnen. Ihr aktueller Auftrag führt sie in ein viktorianisches London, wo eine seltene Version der Grimm’schen Märchen aufgetaucht ist. Doch was als einfacher Einsatz beginnt, wird nur allzu schnell ein tödliches Abenteuer, denn Irene ist nicht die Einzige, die hinter dem Buch her ist. Und die anderen Interessenten gehen über Leichen, um zu bekommen, was sie wollen….


Rezension

In „Die unsichtbare Bibliothek“ gibt es unzählige Paralleluniversen – Welten, deren Entwicklung an bestimmten Wendepunkten eine andere Richtung genommen hat, und in denen Magie und Technologie in den verschiedensten Ausprägungen und Kombinationen existieren. Je nachdem, ob die Kräfte der Ordnung oder des Chaos stärker sind, folgen diese Welten entweder Logik und Naturgesetzen oder aber sie funktionieren nach phantastischen Mustern und werden von magischen Geschöpfen wie Elfen und Vampiren bewohnt.

Alle diese Welten sind von der Bibliothek aus zugänglich. Diese gigantische Büchersammlung existiert in einem Raum ohne Zeit zwischen den Dimensionen und die Bibliothekare darin haben es sich zur Aufgabe gemacht, seltene Bücher aus allen Welten zu sammeln. Dazu senden sie Menschen wie Irene aus, die, ausgestattet mit der „Sprache“, welche ihnen nahezu magische Macht über die Dinge verleiht, Jagd auf besonders rare Exemplare machen.

Als Irene in eine Version des viktorianischen London geschickt wird, in der sie nach einer Ausgabe von Grimms Märchen suchen soll, ist sie beunruhigt von der Aussicht, in eine so stark vom Chaos geprägte Welt zu reisen, und auch wenig begeistert davon, dass sie den Neuling Kai mitnehmen und ausbilden soll. Dabei ahnt sie nicht, welche Bedeutung das Buch hat, hinter dem sie her ist. Aber rasch findet sie heraus, dass verschiedene Parteien ein Interesse daran zu haben scheinen – nicht zuletzt Alberich, der legendäre, abtrünnige Bibliothekar, der auf die Seite des Chaos übergelaufen ist, und sich als tödlicher Gegner erweist. Irene findet unerwartet Hilfe, muss aber auch die Identität und Absichten vermeintlicher Verbündeter hinterfragen.

Die Geschichte ist spannend und geschickt konstruiert und läuft auf einen spektakulären Showdown zu. Auch auf die Frage, wieso dieses spezielle Märchenbuch nun eigentlich derart wichtig ist, gibt es schließlich eine befriedigende Antwort. Vor allem aber steckt „Die unsichtbare Bibliothek“ voller phantastischer Einfälle: Bereits auf den ersten Seiten muss die Protagonistin lebendigen Wasserspeiern entkommen und in der Version des viktorianischen Londons, in der der Hauptteil der Geschichte spielt, gibt es Elfen und Vampire, Werwölfe und Cyborg-Alligatoren ebenso wie Luftschiffe und Taschenuhren mit eingebautem Laser. All diese Ideen fügen sich verblüffend stimmig ineinander.

Trotzdem hat das Buch auch seine Schwächen: So grundlegende Aspekte wie die „Sprache“ und ihre Regeln, Möglichkeiten und Grenzen werden erst spät im Buch erklärt. Viele Figuren bleiben zunächst eher blass. Und obwohl man nicht anders kann, als dem unglaublichen Ideenreichtum und dem Potenzial der Grundidee von „Die unsichtbare Bibliothek“ Bewunderung zu zollen, weist der Stil kleine Makel auf, die womöglich in der Übersetzung begründet sind. Einige Formulierungen hätten etwas eleganter sein können. Vor allem aber bleiben viele Beschreibungen einfach Beschreibung, anstatt Bilder heraufzubeschwören und den Leser wirklich in die fantastische Welt eintauchen zu lassen.


Fazit

In „Die unsichtbare Bibliothek“ stecken jede Menge Potenzial sowie unglaublich viele originelle und phantastische Einfälle. Die Handlung schreitet schnell voran und ist sehr unterhaltsam. Dennoch fehlt es der Welt an Plastizität und Atmosphäre und auch gerade die Hauptcharaktere erscheinen lange Zeit zu blass.


Pro und Contra

+ tolle Grundidee
+ Vielfalt origineller Einfälle
+ geschickt aufgebaute Handlung
+ stimmiger Mix aus Fantasy und SF-Elementen

- alle mit der Bibliothek zusammenhängenden Begriffe sind unnötigerweise fett gedruckt
- grundlegende Gesetzmäßigkeiten der Welt werden erst spät erklärt
- teilweise blasse Charaktere
- Handlung wird eher beschrieben als gezeigt

Wertung: 

Handlung: 4/5
Charaktere: 3/5
Lesespaß: 3,5/5
Preis/Leistung: 3,5/5