Kalypto – Die Herren der Wälder (Tom Jacuba)

Bastei Lübbe (April 2015)
Klappenbroschur
558 Seiten, 12,99 EUR
ISBN: 978-3-404-20791-6

Genre: Fantasy


Klappentext

Der junge und impulsive Lasnic, Angehöriger des Waldvolks, kann es nicht glauben: Ausgerechnet er wurde von der Ratsversammlung zum Waldfürsten berufen! Kurzentschlossen packt er seine Sachen und flüchtet vor der Verantwortung, ohne zu ahnen, dass er in ein viel größeres Abenteuer hineinstolpert. Denn im Verborgenen naht eine Gefahr, die alle freien Völker bedroht: Die Magier des vor Jahrtausenden untergegangenen Reichs Kalypto sind wieder erwacht – und sie schicken vier Späher aus, um das Volk zu finden, das sich am besten zur Versklavung eignet …


Rezension

Der nur andeutungsweise beschriebene, in ferner Vergangenheit liegende Zusammenbruch des Reiches Kalypto hat alle menschliche Zivilisation auf Jahrhunderte ausgelöscht. Doch allmählich formen sich wieder höherentwickelte Kulturen – und vier kalyptische Meistermagier erwachen aus ihrem langen Schlaf, mit der festen Absicht, ein zweites Reich zu errichten. Jeder von ihnen macht sich daran, je eines von vier sehr verschiedenen Völkern unter seine Kontrolle zu bringen und auf den Krieg vorzubereiten. Im Kampf gegeneinander soll das stärkste Volk ermittelt werden, um mit dessen Hilfe Kalypto wiederaufzubauen. Hierfür steht den Magiern die Magie des ERSTEN MORGENLICHTS zur Verfügung, die über magische Ringe kanalisiert wird. Die Meister des alten Kalypto können sie auf vielfältige Weise nutzen, zum Beispiel um Gedanken zu lesen. Entscheiden sie sich aber, einen Ring einem gewöhnlichen Menschen zu überlassen, wird dieser in seiner Hand zu einer magischen Waffe mit einer einzigen, verheerenden Funktion: Gegenstände und Lebewesen gleichermaßen binnen Augenblicken altern und verfallen lassen.

Während die Magierin Catolis die Bevölkerung der Inseln Tarkatans eint und in ein ebenso schlagkräftiges wie brutales Heer umformt, wachsen in die Sumpfwäldern im fernen Osten und im Gebirgsreich von Garona zwei Kinder allmählich zu jungen Erwachsenen heran: Bei den Waldstämmen lernt der junge Lasnic, zu jagen und wenigstens gelegentlich seine Wutausbrüche zu kontrollieren, im matriarchalisch geprägten Garona muss Prinzessin Ayrin jung ihr Erbe antreten, als die Königin in rasender Geschwindigkeit körperlich und geistig verfällt. Ayrin macht ihre Schwester Lauka verantwortlich, die kurz vor dem Tod ihrer Mutter zur Welt gekommen ist. So beginnt die unversöhnliche Feindschaft der Beiden. Als aus den gelegentlichen Raub- und Erkundungszügen der Tarkataner (die übrigens durch und durch bösartig dargestellt sind) eine ausgewachsene Invasion wird, kreuzen sich die Wege Lasnics und Ayrins und die beiden erkennen, dass sie zusammenarbeiten müssen, um das Unheil von ihren Ländern abzuwenden.

Lasnic und Ayrin sind beide starke Persönlichkeiten, wirken aber selbst als Erwachsene noch lange unreif und jähzornig. Ayrin denkt verblüffend wenig über die Politik und Verwaltung Garonas nach, auch wenn sich später herausstellt, dass sie ihre Verantwortung durchaus ernst nimmt. Lasnic ist in seinem Denken und seiner Ausdrucksweise übertrieben einfach gestrickt. Catolis dagegen erscheint leidenschaftslos und entrückt und duldet die exzessive Gewalt der Tarkataner als notwendiges Übel. Immerhin dient es ja dem Zweiten Reich von Kalypto. Catolis Ziel und ihre Hingabe daran werden nur zu deutlich, aber ihre Motivation bleibt schwer nachvollziehbar. Jacuba hat sich leider die Chance entgehen lassen, den Leser über die Identität des Magiers rätseln zu lassen, der den garonesischen Hof infiltriert hat. Schon früh kommt eigentlich nur eine Figur dafür in Frage und dann erfolgt auch schon bald der endgültige Beweis. Darüber hinaus ist es auch ein wenig überraschend, dass ein Magier, dessen Pläne Jahrtausende umspannen, soviel dem Zufall überlässt. Dafür jedoch überrascht „Kalypto“ ganz am Ende noch einmal mit einer unvorhergesehenen Wendung, die die Situation der Charaktere von Grund auf ändert.

Die große Stärke des Buches sind die Schilderungen grundverschiedener Schauplätze und Kulturen. Es wird wenig erklärt (immerhin erlebt man sie durch die Augen von Figuren, für die alles selbstverständlich ist) aber eine Vielzahl gut gewählter Details lassen sie plastisch und überzeugend wirken. Die Sprache und das Denken der Figuren sind auch stets ihrem jeweiligen Hintergrund angeglichen. Es gibt eine große Anzahl von Nebenfiguren, doch es ist trotzdem einfach, den Überblick zu behalten, da auch weniger wichtige Figuren mit individuellen Zügen ausgestattet sind, dank derer man sich mühelos an sie erinnert.

Die Sprache ist eher einfach gehalten und grenzt – gerade in Lasnics Kapiteln – zeitweise an Umgangssprache, was jedoch nichts an ihrer Fähigkeit ändert, im Kopf des Lesers ein farbenprächtiges Bild der beschriebenen Welt erscheinen zu lassen.


Fazit

„Kalypto – Die Herren der Wälder“ ist ein ereignisreicher Trilogie-Auftakt, der zwar kleine Makel aufweist, aber es auch schafft, ohne sperrige Erklärungen detaillierte Portraits dreier zutiefst verschiedener Kulturen zu zeichnen und dem Leser ein echtes Film-im-Kopf-Erlebnis zu verschaffen.


Pro und Contra

+ vielseitige Fantasy-Welt
+ bildgewaltige Schilderungen
+ unerwarteter Ausgang

- Lasnic denkt und spricht geradezu anstrengend simpel
- Tarkataner erscheinen undifferenziert böse

Wertung: 

Handlung: 3/5
Charaktere: 3/5
Lesespaß: 4/5
Preis/Leistung: 4,5/5