Das Schiff (Andreas Brandhorst)

Verlag: Piper (Oktober 2015)
Klappbrochur, 544 Seiten, € 14,99
Sprache: Deutsch
ISBN-13: 978-3492703581

Genre: Science Fiction


Klappentext

Seit tausend Jahren schicken die intelligenten Maschinen der Erde lichtschnelle Sonden zu den Sternen. Sie sind auf der Suche nach den Hinterlassenschaften der Muriah, der einzigen bekannten und längst untergangenen Hochkultur in der Milchstraße. Bei der Suche helfen die Mindtalker, die letzten sterblichen Menschen auf der Erde - nur sie können ihre Gedanken über lichtjahrweite Entfernungen schicken und die Sonden lenken. Doch sie finden nicht nur das technologische Vermächtnis der Muriah, sondern auch einen alten Feind, der seit einer Million Jahren schlief und jetzt wieder erwacht.


Rezension

Die Menschen haben dank einer speziellen Behandlung Unsterblichkeit erlangt, Krankheit, Hunger und materielle Probleme sind besiegt und jegliche Organisation wird von Robotern geregelt. Doch da der menschliche Geist nicht mehr gefordert ist, versinkt die Menschheit immer tiefer in Dekadenz.
Der Cluster aus Maschinenwesen, der sämtliche Geschicke übernommen hat, ist in erster Linie auf der Suche nach einer untergegangenen Kultur im Universum, die letzte Aufgabe, für die noch Menschen benötigt werden. Bei einigen wenigen funktioniert die Unsterblichkeitsbehandlung nämlich nicht, und genau diese Menschen sind die einzigen, deren Geist auf die Suche nach Spuren der geheimnisvollen Muriah geschickt werden können.
Einer dieser sogenannten Mindtalker ist Adam, der wichtigste und erfahrenste Spurensucher der Maschinenintelligenz. Er stellt das System in keiner Weise infrage, doch allmählich und mithilfe einiger Rebellen wird ihm klar, dass sich nicht alles so verhält, wie die Maschinenwesen Glauben machen. Er ahnt noch nicht, wie schrecklich die Wahrheit tatsächlich ist ...

Wie bei Brandhorst üblich, wird man als Leser völlig unvermittelt in ein kompliziertes Szenario geworfen und findet sich diesmal in einer wenig ansprechenden Zukunftsvision wieder. Auch das Thema Tod und Unsterblichkeit steht, wie sehr häufig bei dem Autor, erneut im Mittelpunkt, diesmal kommt die Problematik, was Menschlichkeit ausmacht und wie weit sich künstliche Intelligenz entwickeln kann, noch hinzu.
Das Potenzial für eine tiefgründige Story wäre damit gegeben, die Umsetzung vermag jedoch nicht wirklich zu überzeugen.

Da wären einmal die Charaktere, allen voran der Protagonist Adam, aus dessen Sicht erzählt wird. Er erscheint, genauso wie die anderen menschlichen Figuren, blass und blutleer bis hin zur Langeweile. Unterstützt wird dieser Eindruck zusätzlich von einer wenig mitreißenden Dialogführung. Gefühle werden so sparsam wie nur möglich zum Ausdruck gebracht, was es sehr schwierig macht, sich mit dem Protagonisten oder auch einem anderen Charakter zu identifizieren. Im Vergleich dazu weisen die Maschinenwesen mehr Individualität auf und handeln wesentlich emotionaler, sie können sogar lügen - alles Dinge, die nicht so ohne Weiteres möglich wären. Auch in der Science Fiction oder der Fantasy funktioniert die Logik, und es gibt Regeln, für deren Über-Bord-Werfen ein Autor stichhaltige Begründungen liefern sollte, wenn sein Plot glaubwürdig bleiben soll.

Der Schreibstil liest sich schwergängig mit einem auffallenden Hang zur Langatmigkeit; Passagen, die die Umgebung schildern, also etwas, was normalerweise einen Text auflockert, wirken gezwungen und nicht wirklich passend. Schade ist auch, dass fremde Welten und ihre Einwohner nur sehr oberflächlich behandelt werden. An Stellen, an denen man als Leser gerne länger verweilen und mehr darüber erfahren würde, wechselt der Fokus viel zu schnell an einen anderen Schauplatz.
Brandhorsts Zukunftsversion der Erde ist zwar ausführlich durchdacht und es werden diverse interessante Facetten angesprochen, doch genau das ist hier oft das Problem: Ein neues Thema wird eröffnet, hält sich langatmig mit Nebensächlichkeiten auf und bleibt dann auf der Strecke. Auch philosophische Fragen werden angerissen, was hervorragend zum Thema passt, aber auch diese bleiben leider zu sehr an der Oberfläche. Insgesamt wäre hier weniger mehr gewesen, der Autor scheint etwas zuviel gewollt zu haben und hat sich an zu vielen Stellen einfach zu stark verzettelt.

Sehr zulasten des Lesespaßes geht auch der Spannungsbogen, der sich einfach nicht aufbauen lassen will. Brandhorst ist mit der Dramaturgie hier auf keinen grünen Zweig gekommen und hat alle Handlungsstränge so angelegt, dass alles viel zu stark vorhersehbar geraten ist.


Fazit

Trotz einer ausgezeichneten und vielschichtigen Grundidee mit spannenden Ansätzen kann ’Das Schiff‘ von Andreas Brandhorst nicht richtig überzeugen. Die Charaktere wirken blutleer, die Handlung ist an beinahe allen Schlüsselstellen vorhersehbar, der Schreibstil schleppt sich mühselig dahin und der ganze Aufbau macht einen in sich ‚unrunden‘ Eindruck. Alles in allem nicht der beste Roman von Brandhorst, der hier weit hinter seinen Möglichkeiten zurückgeblieben ist.


Pro & Kontra

+ interessante Grundidee und tiefgründige Thematik
+ faszinierendes Ausgangsszenario
+ immer wieder spannende Ansätze

o völlig unvermittelter Beginn
o diverse unterschiedliche Handlungsstränge

- blasse, emotionslose Charaktere
- Maschinenwesen emotionaler als die Menschen
- schwache Dialogführung
- teilweise unlogisch
- zu vorhersehbar
- Aufbau insgesamt etwas konfus
- über weite Strecken langatmig
- schwergängiger Schreibstil
- Potenzial wird nicht ausgeschöpft

Gesamtwertung:

Handlung:        2,5/5
Charaktere:      2,5/5
Lesespaß:        2,5/5
Preis/Leistung:   3/5


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Tags: Space Opera, Künstliche Intelligenz, deutschsprachige SF, Andreas Brandhorst