Die tausend Namen (Django Wexler)

Heyne (April 2014)
Originaltitel: „The Thousand Names – Book One of the Shadow Campaign Saga“
Übersetzer: Michael Siefener
Klappenbroschur
877 Seiten, 14,99 EUR
ISBN: 978-3-453-31461-0

Genre: Fantasy


Klappentext

Gewaltsam hat das Königreich Vordan seine Grenzen bis weit über den Ozean hinaus ausgedehnt. Aufstände in den besetzten Gebieten stehen daher an der Tagesordnung. Doch als in der Wüstenkolonie Kandhar eine Rebellion ausbricht, die sich nicht einfach niederschlagen lässt, sieht sich der König zum Handeln gezwungen: Er schickt General Janus bet Vhalnich in die aufsässige Provinz, und dank des gewieften Strategen erringt die vordanische Armee plötzlich Sieg um Sieg gegen die Rebellen. Captain Marcus d’Ivoire, Offizier der vordanischen Armee, und Winter Ihernglass, ein junger Soldat mit einem ganz speziellen Geheimnis, sind bereits seit Monaten in Kandhar stationiert und zunächst von General Vhalnichs entschlossenem Feldzug begeistert. Doch je länger Marcus und Winter unter Vhalnichs Kommando kämpfen, desto stärker keimt der Verdacht in ihnen auf, dass der General etwas zu verbergen hat. Und tatsächlich hütet Vhalnich ein Geheimnis, das das ganze Imperium ins Verderben zu stürzen vermag – das Geheimnis der tausend Namen….


Rezension

Über lange Zeit war Khandar eine ruhige, abgelegene Provinz in der die vordanischen Besatzer und die lokalen Eliten sich bequem miteinander arrangiert hatten. Doch dann gelang es der fanatischen Priesterschaft der „Erlöser“, das Volk gegen den Prinzen und die Vordaner aufzuwiegeln und die khandarischen Hilfstruppen zum Überlaufen zu bewegen. Nun harren die vordanischen Soldaten und der abgesetzte Prinz in einer Küstenstadt aus und warten auf den Befehl zum endgültigen Rückzug. Stattdessen jedoch kommt der neue Oberst Janus bet Vhalnich mit mehreren Einheiten unerfahrener Rekruten und einem verrückten Plan, wie die Vordaner trotz ihrer zahlenmäßigen Unterlegenheit die Erlöser und ihre einstigen Hilfstruppen besiegen können.

Hauptmann Marcus d’Ivoire weiß zunächst nicht, was er von diesem Mann halten soll, der immer wieder scheinbar verrückte Risiken eingeht und sich stets bis zur letzten Sekunde weigert, seine Pläne preiszugeben. Doch Sieg um Sieg scheint das militärische Genie Vhalnichs zu bestätigen und plötzlich scheint die Wiederherstellung der vordanischen Herrschaft in Khandar möglich. Allerdings deutet alles in Vhalnichs Verhalten darauf hin, dass die gesamte Kampagne nichts als ein Mittel zu einem weitaus bedeutenderen Zweck ist, für den er alles und jeden opfern würde.

Unterdessen ringt der junge Soldat Winter Ihernglass darum, sich einer unerwarteten Beförderung als würdig zu erweisen und so viele der ihm anvertrauten Männer wie möglich am Leben zu halten. Winter entdeckt dabei unerwartete Talente und findet zum ersten Mal seit Jahren echte Freunde. Doch er weiß, dass dies nur so lange gut gehen kann, solange niemand herausfindet, dass „er“ in Wahrheit eine Frau ist. Mehr oder weniger zufällig wird Ihernglass nicht nur in die Auseinandersetzungen der Offiziere hineingezogen, sondern kommt, als sie der khandarischen Priesterin Feor das Leben rettet, mit einer weitaus unerklärlicheren Macht in Kontakt.

Denn Magie ist in der Welt von „Die tausend Namen“ nur zu real, was bereits im Prolog deutlich wird. Danach jedoch fallen über hunderte von Seiten hinweg lediglich einige Andeutungen, während die Protagonisten sich mit den irdischen Problemen auseinandersetzen müssen, die mit einem Feldzug einhergehen. Wexler hat sich für ein eher „modernes“ Setting entschieden, in dem Kriege durch Musketen und Kanonen entschieden werden und ein großer Teil des Buches ist Schlachten, Märschen und Strategien gewidmet – aber natürlich auch den Figuren, die sie austragen, und den Entscheidungen, zu denen sie im Laufe des Feldzugs gezwungen werden. So muss Marcus d’Ivoire sich zum Beispiel fragen, wie er mit einem alten Freund umgehen soll, der als Offizier nicht mehr tragbar ist und den gesamten Feldzug zu gefährden droht. Daneben treibt ihn die Frage um, wem er vertrauen kann, denn zwei verfeindete politische Fraktionen in Vordan haben beide ihre Agenten im Heer untergebracht.

Es ist Wexler in seinem Roman gut gelungen, Klischees zu vermeiden. Es wäre leicht gewesen, eine Geschichte vom heroischen Freiheitskampf der Khandarer gegen die Besatzer zu erzählen, aber stattdessen entwirft „Die tausend Namen“ ein Bild, das weder für Vordaner noch Khandarer viele Sympathien weckt: Auf der einen Seite ein Heer, das nichts in Khandar zu suchen hat und einen unfähigen, tyrannischen Herrscher unterstützt, auf der anderen Seite Fanatiker und Opportunisten. Die untereinander zerstrittenen politischen Anführer beider Seiten, die das Geschehen aus sicherer Entfernung verfolgen, teilen dasselbe Desinteresse am Wohlergehen ihrer Untertanen.

Statt also einer Seite den Sieg zu wünschen, fiebert man mit den einzelnen Charakteren mit. Es gibt zwar auch die Perspektive des khandarischen Richters Jaffa, aber meist wird aus der Sicht von d’Ivoire und Ihernglass geschrieben – zwei spannenden, differenzierten Figuren mit Identifikationspotential, die beide ihre Vorgeschichte mitbringen, sich aber auch im Lauf der Handlung weiterentwickeln. Doch auch die Nebenfiguren sind Charaktere, die sich klar voneinander abheben und Entwicklungen durchlaufen. Gerade der geheimnisvolle Janus bet Vhalnich ist eine faszinierende Gestalt, die sehr durch ihre Ambivalenz gewinnt: Im einen Moment erscheint der geniale Taktiker als liebenswerter Exzentriker, im Nächsten offenbart er verblüffende Rücksichtslosigkeit.

„Die tausend Namen“ beginnt eher gemächlich, aber nach dem ersten Drittel steigert sich das Tempo der Handlung beträchtlich. Am Ende werden die wahren Absichten einiger Figuren enthüllt. Auch treten die zuvor auffallend abwesenden übernatürlichen Aspekte der Geschichte in den Vordergrund und werden zumindest ansatzweise erklärt, wodurch sich der Blick auf ein ziemlich interessantes Magiesystem eröffnet. Aber ebenso wird deutlich, dass die Geschichte alles andere als abgeschlossen ist.


Fazit

Django Wexler hat einen Roman geschrieben, der langsam beginnt, aber schließlich einen immensen Sog entwickelt. Moderne Kriegsführung und uralte Mythen, die sich als wahr erweisen, verschmelzen zu einem harmonischen Ganzen. „Die tausend Namen“ erzählt von weltbewegenden Ereignissen, ohne dabei die Ebene des Persönlichen zu vernachlässigen. Sehr lesenswert. 


Pro und Contra

+ differenzierte Darstellung von Situation und Charakteren
+ nahezu alle Figuren individuell und überzeugend
+ viele geheimnisvolle Figuren
+ gut recherchierte Beschreibungen militärischer Technik und Strategie
+ spannendes Setting und Magiesystem

o Beschreibung von Strategien und Schlachten nimmt viel Raum ein
o klassische Fantasy-Elemente wie Magie sind wichtig, aber wenig präsent

- Längen im ersten Drittel

Wertung:

Handlung: 4/5
Charaktere: 5/5
Lesespaß: 4,5/5
Preis/Leistung: 4/5