Die Königin der Schatten (Erika Johansen)

Heyne (Juni 2015)
Originaltitel: „The Queen of the Tearling“
Übersetzerin: Kathrin Wolf
Klappenbroschur
543 Seiten, 14,99 EUR
ISBN: 978-3-453-31586-0

Genre: Fantasy


Klappentext

Das Königreich Tearling ist ein armes Land – zerrüttet von Machtgier, Korruption und Intrigen. Um der Invasion durch seinen mächtigen Nachbarn Mortmesne zu entgehen, schloss Tearling einst einen so verhängnisvollen wie grausamen Pakt – einen Pakt, den niemand infrage stellte, bis die junge Prinzessin Kelsea Glynn an die Macht kommt. Sie ist entschlossen, das Unrecht in ihrem Land zu beenden. Doch wenn sie am Hof überleben will, darf sie sich keinen einzigen Fehler erlauben.


Rezension

Als ihre Mutter ermordet wurde, wurde Kelsea (damals noch ein Kleinkind) zu Pflegeeltern gebracht, um geschützt durch Isolation und Anonymität aufzuwachsen. Doch nun ist sie neunzehn Jahre alt und es ist an der Zeit, ihr Erbe anzutreten. Bereits die Reise zur Hauptstadt Neulonden erweist sich für die junge Frau, die die Welt nur aus Büchern kennt, als gefährliches Abenteuer. Denn ihr Onkel, der ebenso unfähige wie korrupte Regent Tearlings, hat Attentäter auf sie angesetzt. Und dann ist da noch der „Fetch“ – ein attraktiver, charismatischer Gesetzloser, der über seine eigene Art von Integrität verfügt, aber noch nicht weiß, wie er zu der jungen Königin steht.

Kelsea sieht vielleicht nicht so aus, wie man sich eine Prinzessin vorstellt, aber sie ist willensstark, intelligent und idealistisch. Rasch steigt sie in der Achtung der Königinnengarde. Angeführt von dem schroffen Lazarus „Mace“ stehen diese Männer treu zu Tearling – und stellen damit unter Adligen und Geistlichen, die nur auf ihre eigene Macht bedacht sind, eine Ausnahme dar. Doch wie Kelseas Pflegeeltern weigern sie sich, die eine große Lücke in Kelseas sonst sehr umfassender Ausbildung zu füllen: Die designierte Königin muss erst Neulondon erreichen, um Stück für Stück zu erfahren, was sich während der Herrschaft ihrer Mutter zugetragen hat.

Königin Elyssa war keineswegs die weise, gütige Herrscherin, die Kelsea sich vorgestellt hat. Stattdessen hat sie ihrer Tochter ein heruntergewirtschaftetes, von Ungerechtigkeit durchdrungenes Land hinterlassen, das seinen übermächtigen Nachbarn Mortmesne nur beschwichtigen kann, indem es jedes Jahr Hunderte Untertanen in die Sklaverei ausliefert. Als Kelsea dieser Praxis kurzentschlossen ein Ende macht, kommt dies einer Kriegserklärung an die Hexenkönigin Mortmesnes gleich. Das ist ein Kampf, den Tearling eigentlich nicht gewinnen kann. Und dann stellt sich auch noch heraus, dass es in Kelseas unmittelbarem Umfeld von Verrätern wimmelt.

Tearling und Mortmesne liegen keineswegs in einer Fantasywelt, auch wenn es offensichtlich Magie gibt. Stattdessen scheint „Die Königin der Schatten“ in einer Zukunft zu spielen, in der zahlreiche technische und gesellschaftliche Errungenschaften verloren gegangen sind. Leider erlauben die spärlichen Informationen, die man als Leser erhält, nicht, die Handlung örtlich und zeitlich einzuordnen oder die Ereignisse der Vergangenheit befriedigend zu rekonstruieren. Die Zeit der Handlung bietet jedoch eine Erklärung dafür, wieso Kelsea gelegentlich in Begriffen denkt, die zu modern für das sonst eher an das feudalistische Europa erinnernde Setting wirken. Dennoch macht dies den durchaus lesbaren, aber nicht herausragenden Stil zusätzlich inhomogen.

Darüber hinaus hat die Handlung zwei Schwächen: Die Geheimnisse, die ihre Zieheltern und Wachen vor Kelsea haben, erzeugen große Spannung. Ihr Schweigen macht den wahren Zustand des Reiches zu einer größeren Überraschung für Prinzessin und Leser. Andererseits ist es nicht glaubwürdig, dass ihre engsten Verbündeten der designierten Königin so wichtige Informationen vorenthalten und die Gründe, die sie nennen, wirken fadenscheinig. Der zweite Punkt ist, dass im Laufe des Buches die Erwartungen in Bezug auf einen Konflikt geschürt werden, dessen Eskalation jedoch im letzten Moment durch Deus ex Machina auf unbestimmte Zeit hinausgezögert wird.

Dies heißt jedoch nicht, dass die Lektüre keinen Spaß machen würde. Die Handlung ist spannend und schreitet in einem angenehmen Tempo fort. Vor allem jedoch ist Kelsea eine Figur, die man gerne begleitet. Ihr zur Seite stehen lebendig gezeichnete, durchaus differenzierte Nebenfiguren. Nur einige der Antagonisten sind teilweise ein wenig eindimensional geraten und verhalten sich geradezu klischeehaft.


Fazit

„Die Königin der Schatten“ ist ein unterhaltsamer, gut lesbarer Roman, dessen Handlung allerdings kleine Schwächen und Ungereimtheiten aufweist. Dafür aber hat er mit Kelsea Raleigh Glynn eine ebenso starke wie sympathische Hauptfigur.


Pro und Contra

+ Kelsea
+ Spannung
+ interessante, lebendige Nebenfiguren
+ überraschende Enthüllungen

o eher einfach gehaltener Stil

- Weltentwurf zu wenig erklärt
- Geheimniskrämerei einiger Figuren nicht plausibel begründet
- einige sehr eindimensionale, klischeehaft handelnde Antagonisten

Wertung:

Handlung: 3/5
Charaktere: 4/5
Lesespaß: 4/5
Preis/Leistung: 3,5/5