Patricia MacDonald (deutsche Übersetzung - 05.07.2016)

Gast-Interview mit Patricia MacDonald (deutsche Version)

pmdLiteratopia: Hallo, Patricia! Es ist ein Vergnügen, die Chance für ein kleines Interview zu bekommen. Vielen Dank, dass Sie sich die Zeit nehmen, ein paar meiner Fragen zu beantworten. Um zu beginnen, wären Sie so freundlich und ein wenig über sich selbst erzählen, wer Sie sind und welche Art von Büchern Sie schreiben? Was haben Sie vor dem Schreiben getan?

Patricia MacDonald: Es ist ein Vergnügen, die Chance zu haben, mit Ihnen zu sprechen. Ich lebe in einer kleinen Stadt am Strand in Cape May, New Jersey, mit Arthur, meinem Mann seit 33 Jahren. Unsere Tochter ist hier aufgewachsen, lebt aber jetzt in Kalifornien. Ich habe 38 Jahre in Vollzeit geschrieben. "Ein Akt der Grausamkeit" ist mein achtzehnter Roman. Davor war ich Herausgeber mehrerer Zeitschriften über TV-Soap Operas in New York City.

Literatopia: Ihr Thriller "Ein Akt der Grausamkeit" wurde vor kurzem in Deutschland veröffentlicht. Was erwartet die Leser?

Patricia: "Ein Akt der Grausamkeit" ist die Geschichte einer Frau, die lernt, als ihre Tochter wegen Mordes angeklagt wird, dass sie ihr eigenes Kind nicht wirklich kennt. Sie erkennt auch, dass sie Maßnahmen ergreifen muss, um ihre Enkelin vor einem schrecklichen Schicksal zu retten. Ich denke, diese Geschichte erzählt von einer geheimen Angst, die alle Eltern haben, dass ihre Kinder ihnen auf eine grundlegende Art unbekannt sein könnten.

Literatopia: Sie haben ein sehr heikles Thema für "Ein Akt der Grausamkeit" gewählt: Kindesmissbrauch durch Familienmitglieder. Warum wollten Sie eine Geschichte über das Thema zu schreiben? Und warum haben Sie sich entschieden, die Thematik mit Soziopathen und Psychopathen zu verbinden?

Patricia: Diese Geschichte wurde von einem Fall inspiriert, der weit in den USA publik wurde. Eine junge Frau wurde des Tötens ihres dreijährigen Kindes bezichtigt und schließlich für nicht schuldig befunden. Aber ich beschloss, diese Situation aus der Sicht ihrer Eltern zu erkunden und welche tiefe Schuld müssen sie gefühlt haben, dass sie die Wahrheit, dass ihre Tochter eine Psychopathin war, nicht gesehen haben. Das Thema Kindesmissbrauch ist in der Tat heikel, aber unvermeidlich in unserer Gesellschaft. Ich habe versucht, es in einer nicht ausbeuterischen Art und Weise zu nutzen.

pmd-eadgLiteratopia: Wie viel "Realität" steckt in Ihren Charakteren? Werden den Charakterentwürfen echte Menschen aus Ihrer Umgebung eingebunden?

Patricia: Wie alle Schriftsteller, nehme auch ich Facetten der Leute, die ich kenne, und stecke sie in meine Charaktere. Hoffentlich erkennen meine Freunde sich nicht selbst wieder.

Literatopia: Wie war es - und wie ist es - für Sie, für so viele bemerkenswerte Preise nominiert worden zu sein - und sogar einige von ihnen zu gewinnen? In welcher Weise hat dieser Erfolg Ihr gleiche wie eh und je Leben und Ihre Art des Schreibens verändert? Oder ist im Grunde alles gleich geblieben? Gibt es bestimmte Ziele, die Sie gerne noch erreichen würden?

Patricia: Ich hatte das extreme Glück, eine Leserschaft für meine Bücher zu finden. Von Anfang an habe ich Thriller mit starken Frauen als Hauptfiguren geschrieben. Ich denke, dass dies die Art der Leser ist, die meine Bücher auch ansprechen. Preise und finanzieller Erfolg sind erfreulich, aber am Ende machen sie es einfach leichter für mich, meine Arbeit zu tun, ohne mir über meine Zukunft Gedanken zu machen. Meine Aufgabe ist es, ein Buch zu schreiben, das meine Leser die ganze Nacht aufbleiben lässt, um es zu beenden, und das es sie zufrieden fühlen lässt, wenn sie es endlich zuschlagen. Das ist mein Ziel mit jedem Buch, das ich schreibe.

Literatopia: Eine beliebte Standard-Frage, die einfach hier nicht fehlen darf: Wo und wann schreiben Sie? Brauchen Sie ein gewisses Ambiente, um in Stimmung zu kommen für das Schreiben, oder könnte die Welt um Sie herum ins Chaos stürzen, während Sie mit all Ihrer Konzentration arbeiten und die Tastatur zum Glühen bringen?

Patricia: Ich lebe in einem alten viktorianischen Haus, etwa fünf Blocks vom Strand entfernt. Mein Büro befindet sich auf der dritten Etage, und nach einem Spaziergang und Besorgungen und Mittagessen mit meinem Mann gehe ich nach oben, um mich ein paar Stunden an mein neuestes Buch setzen. Ich erlaube mir selbst nicht, an eine Schreibblockade zu denken. Ich schreibe ein paar Seiten pro Tag, an den Wochentagen, und das ist genug. Ich nehme Urlaub oder einen freien Tag, wann immer ich einen brauche. Ich brauche eine gewisse ruhige Atmosphäre zum Arbeiten. Wenn die Welt ins Chaos stürzt, beschäftige ich mich mit diesem Chaos, bis Angelegenheiten gelöst werden. Danach gehe ich wieder an die Arbeit.

Literatopia: Einige schreiben die Nächte durch, andere stehen um 7.00 Uhr auf, wieder andere haben viele Seiten des aktuellen Projekts in ihrer Wohnung rumfliegen - wie gehen Sie ans Schreiben? Haben Sie bestimmte Arbeitszeiten, die Sie immer fest einhalten? Und welcher Grad der Selbstorganisation ist für einen Roman notwendig?

pmd-isyPatricia: Ich finde es immer hilfreich, ein geordnetes Leben zu haben, und ich vermeide Stress. Ich behandle das Schreiben als meine normale Arbeit, und meine Freunde wissen, dass sie mich während des Schreibens besser nicht anrufen. Es ist wirklich notwendig für mich, um einen Zeitplan zu haben. Manchmal verbringe ich meine drei oder vier Stunden im Büro mit Kritzeln oder Schlafen. Aber nach all den Jahren weiß ich es besser, als in Panik zu verfallen. Dies sind die Möglichkeiten, die ich habe, um ein Problem zu behandeln, und ich komme oft aus dem Büro mit der Antwort, die ich suchte.

Literatopia: Ordentlich oder chaotisch – auf welche Art schreiben Sie? Und wie sieht der Einfluss auf Ihren persönlichen Prozess des Schreibens aus?

Patricia: Meine Tochter graut am Chaos auf meinem Computer-Desktop, aber es macht Sinn für mich. Wenn ein Buch fertig ist, ist alles in Ordnung, und das ist ein tolles Gefühl!

Literatopia: Welches Genre befindet sich am häufigsten in Ihrem persönlichen Bücherregal? Haben Sie klare Präferenzen oder lesen Sie einfach alles, worauf Sie gerade Lust haben? Welcher Roman hat Sie besonders beeindruckt im letzten Jahr? Sie haben eine Familie, Sie sind selbst Schriftstellerin - haben Sie Zeit, überhaupt viel zu lesen? Oder haben Sie andere Hobbys?

Patricia: Ich liebe literarische Fiktion und Bücher über Psychologie. Ich lese viel, aber ich glaube, ich bin sehr anspruchsvoll. Ich lese selten Mystery, weil der Aufbau der Geschichten oft zu durchsichtig für mich ist, um sie wirklich zu genießen. Frühe, als ich jung war, habe ich diese Art Bücher geliebt. Ich lese auch auf Französisch, um die Sprache zu üben, und weil es Autoren gibt, die ich sehr schätze, die aber nicht ins Englische übersetzt werden. Ich lese jeden Tag ein wenig, aber am meisten im Sommer, wenn ich an den Strand gehe. Ich horte Bücher für den Strandurlaub und für die Sommer-Lesezeit. Mein amerikanischer Lieblingsroman der letzten Jahre war Donna Tartts "Der Distelfink". Momentan lese ich gerade Delphine de Vigan auf Französisch, D’APRES UNE HISTOIRE VRAIE. Wunderbares, spannungsgeladenes Buch.

Literatopia: Im Internet kann man herausfinden, Sie eine große Fangemeinde in Frankreich hast. Wenigstens sind die Ergebnisse bei einer Google-Suche französischsprachige Seiten. Warum sind gerade französische Leser so sehr von Ihren Romanen begeistert?

pmd2Patricia: Ich scheine meine eifrigsten Leser in Frankreich gefunden zu haben. Mein literarischer Agent sagt, dass ich für den amerikanischen Geschmack zu langsam arbeite, und ich habe keinen kontinuierlichen Charakter oder Detektiv, der für den Erfolg in den USA sehr wichtig ist. Den Franzosen scheint das nicht so wichtig zu sein oder etwas auszumachen. Sie scheinen es zu lieben, über Familien und psychologische Motivationen im alltäglichen Leben der Menschen zu lesen. Das ist es auch, worüber ich am liebsten schreibe. Ich bin nicht so interessiert in Studien oder Tatortarbeit, und, wie gesagt, ich habe keinen Detektiv. Das war eine sehr bewusste Entscheidung meinerseits. Ich wollte nicht ein Buch nach dem anderen über den gleichen Charakter schreiben müssen.

Literatopia: Ich konnte keine Homepage oder eine Facebook-Seite von Ihnen finden. Sind Sie jemand, der den Kontakt mit Fans oder Kritiker genießt? Halten Sie den Kontakt mit ihnen ausschließlich durch Ihre Bücher während des Lesens?

Patricia: Ich bin technisch unfähig. Und eine Website würde mehr schriftliche Arbeit und Aufwand verlangen, als ich es zu tun pflege. Aber ich liebe es, meinen Lesern gerecht zu werden. In den USA passiert das selten. Aber ich toure jedes Mal durch Frankreich, wenn dort ein Buch herauskommt, und vor Jahren habe ich Französisch gelernt, um mit den Lesern und Journalisten zu sprechen. Das ist eine große Freude für mich. Ich bin persönlich total zugänglich, aber nicht im Internet.

Literatopia: Was denken Sie über Lesungen? Gehen Sie auf Tour? Welche Länder haben Sie bereits besucht und wo würden Sie gern noch hingehen?

Patricia: Wie gesagt, ich habe wenig Leserkontakt in den USA. In Frankreich verbringe ich mit jedem Buch ein paar Wochen, und es ist reines Vergnügen. Ich würde gerne meine deutschen Leser treffen, aber ich denke, es ist zu spät für mich, Deutsch zu lernen! Es braucht viele Jahre, eine neue Sprache zu beherrschen, und ein gutes Gedächtnis, und beides habe ich nicht mehr.

Literatopia: Welche Romane können wir von Ihnen in der Zukunft erwarten? Haben Sie verschiedene neue Projekte in der Pipeline? Wenn ja, könnten Sie uns vielleicht einen Tipp geben, wovon sie handeln werden?

pmd-dbawPatricia: Nach "Ein Akt der Grausamkeit" schrieb ich einen Roman, welcher nur in den USA veröffentlicht wurde. "Don’t believe a word" basiert auf einer Situation in meiner Großfamilie - den Bruch zwischen Eltern und erwachsenen Kindern nach einer Scheidung. Die Heldin, eine junge, von ihrer Mutter entfremdeten Frau beginnt zu vermuten, dass der Tod ihrer Mutter kein Selbstmord war, und sie muss den zweiten Ehemann ihrer Mutter, ein junger Schriftsteller, kennenlernen, um herauszufinden, was wirklich passiert ist. Zurzeit arbeite ich an meinem zwanzigsten Roman, der noch keinen Titel hat. Es geht um eine Frau, die am Sterbebett ihrer Schwester hört, dass sie den falschen Mann für das Töten vom Kindheitsfreund der Heldin ins Gefängnis gehen lassen. Die Hauptfigur muss versuchen, dieses Unrecht geradezubiegen, aber niemand, auch nicht die Polizei, will glauben, was sie sagt.

Literatopia: Gibt es ein Interview-Frage, auf die Sie schon seit Jahren warten, die aber niemals gestellt wurde? Wenn ja, welche Frage ist es und was ist Ihre Antwort?

Patricia: Ich denke, ich habe schon zu viel über mich gesagt! Aber danke für die Nachfrage.

Literatopia: Vielen Dank für die Beantwortung all diese Fragen, Patricia. Wir freuen uns auf Ihren nächsten spannenden Roman.

Patricia: Vielen Dank für Ihr Interesse. Ich schätze es wirklich.


Dieses Interview wurde von Schattenwege.net geführt und Literatopia zur Verfügung gestellt.
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