Der Krieg der Knirpse: Bd.2 – 1915 Hans (Régis Hautière, Hardoc)

Verlag: Panini; (Juni 2016)
Hardcover: 56 Seiten; 14,99
ISBN-13: 978-3957987006

Genre: Historik/ Drama


Klappentext

Anfang 1915

Während des Ersten Weltkriegs flüchtet ein ganzes französisches Dorf vor der herannahenden deutschen Armee. Eine Gruppe von Waisenkindern verpasst aber den Aufbruch und wird durch die Frontlinie vom Rest abgeschnitten. Um nicht von den Soldaten entdeckt zu werden, fliehen sie in ihr Baumhaus-Refugium in den Wald. Auf sich allein gestellt, wird den Knirpsen bald klar, dass sie für einen Kriegswinter noch nicht gewappnet sind. Im Augenblick höchster Not treffen sie auf den verwundeten Soldaten Hans -  aber kann ein deutscher Deserteur ihre Lage wirklich verbessern?


Rezension

Der Sommer und Herbst 1914 verflog für die vier Lulus schnell und am Ende hatte sich ihnen das Mädchen Luce angeschlossen. Aber der Winter bringt große Probleme mit sich, denn keins der Kinder musste jemals wirklich für sich selbst sorgen und Luce ist erkrankt und sie wissen nicht, was sie tun sollen. Da finden die Kinder einen verletzten deutschen Soldaten. Die Kontaktaufnahme gestaltet sich schwierig, da Hans, so sein Name, nur wenige Brocken Französisch spricht und Ludwig der Einzige unter ihnen ist, der etwas Deutsch spricht. Nach anfänglichen Problemen bauen die Kinder und der Soldat eine freundschaftliche Beziehung auf. Wie sich herausstellt ist Hans ein Deserteur, der die Schrecken des Krieges in den Schützengräben nicht mehr erträgt und nur noch nach Hause zu seiner Frau will, die ein Kind erwartet. Zunächst bleibt er aber bei den Jungen und dem Mädchen und hilft ihnen sich zurecht zu finden und sich selbst zu versorgen. Mit einem Trick beschafft er ihnen sogar Vorräte der Deutschen. Immer mehr wird Hans zur Vaterfigur, der die Kinder vertrauen, aber dann kommt der Tag des Abschieds, denn Hans zieht es zu seiner eigenen Familie und so bricht er auf. Die Lulus und Luce sehen ihm nach und ahnen nicht, was alles in der nächsten Zeit passieren und ihre Welt noch mehr auf den Kopf stellen wird.

Régis Hautière und Hardoc konzentrieren sich in Der Krieg der Knirpse erneut nicht auf die Schlachten des Ersten Weltkriegs oder auf die Soldaten der Streitmächte, sondern bleiben bei ihrem eingeschlagenen Kurs aus dem ersten Band und halten die vier Lulus und Luce im Mittelpunkt ihrer Geschichte. Régis lässt seinen Blick auf den alltäglichen Dingen ruhen, die den Kindern begegnen und die sie vor Herausforderungen stellen. Sei es die Nahrungsbeschaffung oder die Befestigung ihrer Unterkunft. Nur hin und wieder bricht der Krieg in ihre Welt ein. Der größte Einschnitt ist dabei das Auftauchen des deutschen Soldaten Hans, der für sie zu einer Art Ersatzvater wird. Glücklicherweise hat Régis Hautière darauf verzichtet hier Schwarz-weiß-Malerei zu betreiben. Er verteufelt die Deutschen nicht, lobt sie aber auch nicht, sondern bleibt generell bei Nationalitäten absolut wertfrei. Für ihn ist das Handeln wichtiger als die Herkunft und vor allem was der Krieg aus einem Menschen machen kann. Ganz besonders deutlich wird das am Ende, als Hans auf einen feindlichen Piloten trifft.

Hans wird also zu einem wichtigen Bezugspunkt für die Kinder, der ihnen vieles beibringt. Und das nicht nur auf praktischer Ebene, sondern auch auf ethischer und gedanklicher. Denn Hans ist in all dem Wahnsinn des Krieges, der Erste, der ihnen selbstlos hilft und sich wirklich um sie sorgt. Hautière zeigt dies im Verlauf des Sommers auf eine sehr gefühlvolle Art und Weise und lässt den Leser genauso wie die Lulus und Luce wünschen, dass diese Zeit kein Ende finden möge. Eine vergebliche Hoffnung, da der Krieg wie ein lauerndes Raubtier im Hintergrund darauf wartet zuzuschlagen. Jeder der Charaktere wächst während der Geschichte. Lucien wird seine Verantwortung gegenüber den Anderen bewusst gemacht. Ludwig entwickelt sich immer mehr zum Denker der Gruppe, Luigi überwindet seine Vorurteile, Lucas ist am Ende kein kleiner Junge mehr und Luce wird immer mehr zu einer Frau. Auf jeden der Vier hat Hans Einfluss und Hautière schafft es, alles glaubwürdig darzustellen. Das ist erzählerisch ein enorm hohes Niveau und trägt eine gewisse Poesie in sich. Großes Lob verdient sich Hautière dadurch, dass er nicht die Menschen als Monster darstellt und anklagt, sondern den Krieg an sich verteufelt. Dafür gibt es mehrere Schlüsselszenen, bei der ein oder anderen erwischt man sich als Leser dann auch mit einem Kloß im Hals, ob der verfahrenen Situation in der sich alle befinden.

Hardocs Zeichnungen sind ebenso sanft und gefühlvoll wie die Handlung. Er fasst den fast unbeschwert wirkenden Sommer der Kinder mit Hans in wunderbare  Bilder. Sie besitzen eine ebenso unbeschwerte Leichtigkeit, wie sie in manchen Szenen des Albums zu finden ist. Gleichzeitig hilft ihm die leichte Überzeichnung seiner Figuren dabei, andere Szenen bedrohlich zu gestalten und auf eindrückliche Art Emotionen zu zeigen.


Fazit

Der Krieg der Knirpse – Hans macht alles richtig und ist ein Plädoyer für Toleranz und gegen den Krieg. Ein schön anzusehendes Comicalbum mit einer starken, spannenden Geschichte und einer wichtigen Aussage. Hoffentlich können die nachfolgenden Bände dieses Niveau halten.


Pro & Contra

+ Beziehung zwischen Hans und den Kindern
+ sehr gute Geschichte
+ verfällt nicht in Klischees

Bewertung:

Charaktere: 4/5
Handlung: 4,5/5
Zeichnungen: 4,5/5
Lesespaß: 4,5/5
Preis/Leistung: 5/5


Literatopia-Links zu weiteren Titeln von Régis Hautière und Hardoc:

Rezension zu Der Krieg der Knirpse Bd.1
Rezension zu Der Krieg der Knirpse Bd.3
Rezension zu Der Krieg der Knirpse Bd.4