Für König und Vaterland – Der Wechselbalg (Susanne Gerdom)

fuer koenig und vaterland wechselbalg

Drachenmond Verlag (Dezember 2015)
Taschenbuch
367 Seiten, 14,90 EUR
ISBN: 978-3-95991-051-4

Genre: Historische Urban Fantasy


Klappentext

London im Jahr 1815 – England erfährt eine Atempause im Krieg gegen Napoleon, aber die englischen Vampire, Werwölfe und Elfen müssen sich immer noch gegen die Dämonenjäger des Vatikans zur Wehr setzen. Das »Liederliche Quartett«, eine Freundesgruppe tollkühner junger Adliger, steht im Dienste des Innenministers, um eine Verschwörung gegen das Königshaus aufzudecken. Idris Hathaway, Marquess of Auden, der »Wechselbalg«, soll in eine Gruppe von Hochverrätern eingeschleust werden. Doch dann wird seine Mätresse ermordet und er als Mörder verdächtigt, während ihm selbst ein Attentäter auf den Fersen ist. Wie nahe steht Idris der Verräter, nach dem das Quartett sucht? Und welches Geheimnis verbirgt die verruchte Lady Falconer? Idris gerät in Lebensgefahr, und nur die Elfen von London können ihn retten …


Rezension

Der Klappentext von „Der Wechselbalg“ lässt eine Art fantastisch-historischen Verschwörungsthriller erwarten, aber in Wirklichkeit präsentiert sich das Buch über weite Strecken eher wie eine Art Familienroman, dem versuchte Attentate, magische Infektionen und die Bedrohung durch den weit entfernten, aber beunruhigend aktiven Napoleon zusätzliches Drama verleihen. Beinahe zwei Drittel des Buches sind ganz der Vorstellung der Figuren und ihrer Beziehungen und Konflikte durch aussagekräftige Szenen gewidmet. Die Ereignisse, von denen im Klappentext die Rede ist, finden vergleichsweise spät und auch sehr unverbunden statt.

„Der Wechselbalg“ spielt in einem alternativen England des frühen 19. Jahrhunderts und zahlreiche historische Ereignisse und Persönlichkeiten (König George, Napoleon, der Wiener Kongress,…) haben Auftritte oder finden Erwähnung. Nicht allzu viele Menschen haben Kontakt mit ihnen, aber Vampire und Elfen, Werwölfe und Dämonen existieren und beeinflussen das politische Tagesgeschehen. Allerdings schlägt ihnen einige Ablehnung entgegen: Als ein Wechselbalg, ein Kind der Elfen (Sidhe), das bei der Geburt gegen den Erben der Audens vertauscht wurde, wird Idris schließlich sogar von seinem eigenen Bruder abgelehnt. Immer wieder betritt er, gerufen von seinen Verwandten im Königshaus der englischen Sidhe, ihr Reich. Dort begegnet seinem menschlichen Bruder, aber auch dem König der Sidhe, der Anspruch auf seine Loyalität erhebt. Dies könnte Idris, der mit seinen drei Freunden im Dienst des Innenministers napoleonische Agenten aufspürt, in Schwierigkeiten bringen.

Wie bereits gesagt geht es viel um die Figuren und ihre Beziehungen umeinander. Das „liederliche Quartett“ hat bei Beginn des Buches bereits einige Missionen hinter sich, mit deren Konsequenzen die Figuren nun umgehen müssen: Der scheinbar leichtlebige Ned Wyndam und der stolze Raventhorne verbergen beide Geheimnisse, die sie von der Gesellschaft isolieren könnten, wenn sie herauskämen. Allein Cavenough, der geniale Exzentriker, dem Wyndam, Raventhorne und Auden unterstehen, scheint relativ unberührt. Die vier Figuren sind voll entwickelte, sehr verschiedene Persönlichkeiten. Allerdings hat Cavenough die Angewohnheit, ständig die Wahrscheinlichkeit für bestimmte Ereignisse auszurechnen und mit Prozentzahlen um sich zu werfen, die einen ziemlich willkürlichen Eindruck machen. Das wirkt gekünstelt und lässt ihn weniger überzeugend erscheinen.

Idris wird zum Ziel gleich mehrerer Angriffe: Man versucht, ihm einen Mord anzuhängen, und dann ist auch noch der berüchtigte Attentäter „Hawk“ hinter ihm her. Idris und seine Freunde rätseln über Hawks wahre Identität, der Leser nicht. Tatsächlich scheint Hawk es darauf anzulegen, seine Tarnung auffliegen zu lassen, kann die Figuren aber verblüffenderweise trotzdem täuschen. Idris‘ Sortieren seiner konfliktreichen persönlichen Beziehungen verflechtet sich schließlich mit dem Kampf gegen die Feinde seines Landes, denn in seinem engsten Umfeld finden sich Verräter.

Dadurch, dass es keinen wirklich bedrohlichen Gegner und Konflikt gibt, der sich durch das ganze Buch zieht, hat „Der Wechselbalg“ keine steile Spannungskurve und lebt eher von den Beziehungen der Figuren. Die Sprache des Buches ist meist angenehm zu lesen und bricht nie mit dem Setting. Auch die liebevoll eingeflochtenen historischen Details erhöhen den Lesespaß.


Fazit

Die Handlung von „Der Wechselbalg“ hätte etwas gelungener konstruiert sein können, um mehr Spannung zu erzeugen und die Ereignisse verbundener erscheinen zu lassen. Trotzdem ist es Susanne Gerdom Susanne Gerdom sehr gut gelungen, reale Geschichte mit Urban-Fantasy-Elementen zu verbinden. Auch die Figurenkonstellation ist interessant und voller Stoff für Konflikte. „Der Wechselbalg“ ist vielleicht nicht die Sorte Buch, die einen nachts wachhält, aber trotzdem ein Auftakt, der Gutes für die weiteren Bände der Serie vermuten lässt.


Pro und Contra

+ Einbettung in reale Geschichte, historische Details
+ Fantasy-Spezies vielleicht nicht übermäßig ungewöhnlich, aber gut beschrieben
+ starker Fokus auf Idris‘ persönlichen Beziehungen

- Handlung wirkt etwas ziellos, viele kleine Konflikte ohne echten Zusammenhang
- Buch fühlt sich an, als würden vor allem die Figuren vorgestellt, damit es im nächsten Buch richtig losgehen kann

Wertung:

Handlung: 3/5
Charaktere: 4/5
Lesespaß: 4/5
Preis/Leistung: 3,5/5

 

Interview mit Susanne Gerdom (2013)

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Tags: 19. Jahrhundert, Vampire, historische Fantasy, Elfen, Werwölfe, London